Gebete, daß der Unglückliche schnell und sicher über die Gränze entfliehen möge.
Graf L -- war würklich aus seinem Ge- fängnisse verschwunden. Um zehn Uhr Abends verließ ihn der Priester, weil er zu ruhen wünschte. Kurz nachher entließ der Kerker- meister die Wächter mit der Versicherung, daß er allein bei dem schlafenden Grafen wa- chen, sie im nöthigen Falle schon rufen werde. Sie gingen nach der Wachtstube, und ruhten dort bis an den Morgen. Als der Priester wieder erschien, führten sie ihn hinauf, da aber die Thüre des Zimmers fest verschlossen war, und man vermuthete, daß er noch ru- he, so weilte der Priester im Gange, bis die Kommissärs erschienen, welche den Ver- urtheilten nach dem Richtplaze begleiten soll- ten. Auf ihren Befehl ward an der Thüre geklopft, nach dem Kerkermeister gesand, und wie man ihn nirgends fand, die Thüre
Gebete, daß der Ungluͤckliche ſchnell und ſicher uͤber die Graͤnze entfliehen moͤge.
Graf L — war wuͤrklich aus ſeinem Ge- faͤngniſſe verſchwunden. Um zehn Uhr Abends verließ ihn der Prieſter, weil er zu ruhen wuͤnſchte. Kurz nachher entließ der Kerker- meiſter die Waͤchter mit der Verſicherung, daß er allein bei dem ſchlafenden Grafen wa- chen, ſie im noͤthigen Falle ſchon rufen werde. Sie gingen nach der Wachtſtube, und ruhten dort bis an den Morgen. Als der Prieſter wieder erſchien, fuͤhrten ſie ihn hinauf, da aber die Thuͤre des Zimmers feſt verſchloſſen war, und man vermuthete, daß er noch ru- he, ſo weilte der Prieſter im Gange, bis die Kommiſſaͤrs erſchienen, welche den Ver- urtheilten nach dem Richtplaze begleiten ſoll- ten. Auf ihren Befehl ward an der Thuͤre geklopft, nach dem Kerkermeiſter geſand, und wie man ihn nirgends fand, die Thuͤre
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Gebete, daß der Ungluͤckliche ſchnell und ſicher
uͤber die Graͤnze entfliehen moͤge.
Graf L — war wuͤrklich aus ſeinem Ge-
faͤngniſſe verſchwunden. Um zehn Uhr Abends
verließ ihn der Prieſter, weil er zu ruhen
wuͤnſchte. Kurz nachher entließ der Kerker-
meiſter die Waͤchter mit der Verſicherung,
daß er allein bei dem ſchlafenden Grafen wa-
chen, ſie im noͤthigen Falle ſchon rufen werde.
Sie gingen nach der Wachtſtube, und ruhten
dort bis an den Morgen. Als der Prieſter
wieder erſchien, fuͤhrten ſie ihn hinauf, da
aber die Thuͤre des Zimmers feſt verſchloſſen
war, und man vermuthete, daß er noch ru-
he, ſo weilte der Prieſter im Gange, bis
die Kommiſſaͤrs erſchienen, welche den Ver-
urtheilten nach dem Richtplaze begleiten ſoll-
ten. Auf ihren Befehl ward an der Thuͤre
geklopft, nach dem Kerkermeiſter geſand,
und wie man ihn nirgends fand, die Thuͤre
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/132>, abgerufen am 21.11.2024.
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