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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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vertraute Kammerfrau entwendete dem Gärt-
ner Hakke und Schaufel, und der Graf
brauchte zwei volle Nächte, um dem treuen
Freunde eine Grabstätte im harten Boden der
Grotte auszuhauen. Diese traurige Beschäf-
tigung, der fortdauernde Anblick des Todten,
mehrte die Empfindungen seines Herzens, er
wünschte sehnlichst gleich ihm vollendet, gleich
ihm ausgerungen zu haben.

Nachdem er am dritten Abende geruht,
und am vierten von seiner fürstlichen Wohl-
thäterin mit Thränen des wärmsten Danks
Abschied genommen hatte, ihrem fernern
Schuze sein Weib und Kinder empfahl, von
ihr eine große Summe und zugleich die Versi-
cherung erhielt, daß sie einen Brief von ihm
richtig an sein Weib bestellen wolle, trat er
in der folgenden Nacht seine Wanderung an.
Er entkam durch die Seitenthüre glücklich aus
dem Garten, eben so glücklich aus der Stadt,

vertraute Kammerfrau entwendete dem Gaͤrt-
ner Hakke und Schaufel, und der Graf
brauchte zwei volle Naͤchte, um dem treuen
Freunde eine Grabſtaͤtte im harten Boden der
Grotte auszuhauen. Dieſe traurige Beſchaͤf-
tigung, der fortdauernde Anblick des Todten,
mehrte die Empfindungen ſeines Herzens, er
wuͤnſchte ſehnlichſt gleich ihm vollendet, gleich
ihm ausgerungen zu haben.

Nachdem er am dritten Abende geruht,
und am vierten von ſeiner fuͤrſtlichen Wohl-
thaͤterin mit Thraͤnen des waͤrmſten Danks
Abſchied genommen hatte, ihrem fernern
Schuze ſein Weib und Kinder empfahl, von
ihr eine große Summe und zugleich die Verſi-
cherung erhielt, daß ſie einen Brief von ihm
richtig an ſein Weib beſtellen wolle, trat er
in der folgenden Nacht ſeine Wanderung an.
Er entkam durch die Seitenthuͤre gluͤcklich aus
dem Garten, eben ſo gluͤcklich aus der Stadt,

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[152/0162] vertraute Kammerfrau entwendete dem Gaͤrt- ner Hakke und Schaufel, und der Graf brauchte zwei volle Naͤchte, um dem treuen Freunde eine Grabſtaͤtte im harten Boden der Grotte auszuhauen. Dieſe traurige Beſchaͤf- tigung, der fortdauernde Anblick des Todten, mehrte die Empfindungen ſeines Herzens, er wuͤnſchte ſehnlichſt gleich ihm vollendet, gleich ihm ausgerungen zu haben. Nachdem er am dritten Abende geruht, und am vierten von ſeiner fuͤrſtlichen Wohl- thaͤterin mit Thraͤnen des waͤrmſten Danks Abſchied genommen hatte, ihrem fernern Schuze ſein Weib und Kinder empfahl, von ihr eine große Summe und zugleich die Verſi- cherung erhielt, daß ſie einen Brief von ihm richtig an ſein Weib beſtellen wolle, trat er in der folgenden Nacht ſeine Wanderung an. Er entkam durch die Seitenthuͤre gluͤcklich aus dem Garten, eben ſo gluͤcklich aus der Stadt,

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/162>, abgerufen am 22.11.2024.