Es ist ein Traum! Es ist schreckliches Blendwerk! rief er ohne Unterlaß aus. Die Liebkosungen der Gattin, die schmeichelnde Bitte der Kinder, die ermahnende Stimme der Fürstin war nicht vermögend, die ein- mal gefaßte Idee zu vernichten, er wäre entflohen, wenn ihn nicht auf den Wink der Fürstin die Bedienten ergriffen, und mit Gewalt nach der Schäferei geführt hätten.
Anfangs hoften alle, daß Zeit und Ge- wohnheit seinen Irrwahn tilgen, ihn von der Gewißheit überzeugen würde, aber kei- ne Zeit, keine Arzenei, keine Ueberzeugung war fähig, das stokkende Rad der Einbildungs- kraft zu wenden. Es stand, und in diesem das Bild des Traumes und Truges. Nur ein ähnliches, noch weit schrecklicheres Bild gesellte sich noch zu diesem. Er glaubte in der Folge, daß sein Weib, seine Kinder, selbst die wohlthätige Fürstin gestorben wä-
Es iſt ein Traum! Es iſt ſchreckliches Blendwerk! rief er ohne Unterlaß aus. Die Liebkoſungen der Gattin, die ſchmeichelnde Bitte der Kinder, die ermahnende Stimme der Fuͤrſtin war nicht vermoͤgend, die ein- mal gefaßte Idee zu vernichten, er waͤre entflohen, wenn ihn nicht auf den Wink der Fuͤrſtin die Bedienten ergriffen, und mit Gewalt nach der Schaͤferei gefuͤhrt haͤtten.
Anfangs hoften alle, daß Zeit und Ge- wohnheit ſeinen Irrwahn tilgen, ihn von der Gewißheit uͤberzeugen wuͤrde, aber kei- ne Zeit, keine Arzenei, keine Ueberzeugung war faͤhig, das ſtokkende Rad der Einbildungs- kraft zu wenden. Es ſtand, und in dieſem das Bild des Traumes und Truges. Nur ein aͤhnliches, noch weit ſchrecklicheres Bild geſellte ſich noch zu dieſem. Er glaubte in der Folge, daß ſein Weib, ſeine Kinder, ſelbſt die wohlthaͤtige Fuͤrſtin geſtorben waͤ-
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Es iſt ein Traum! Es iſt ſchreckliches
Blendwerk! rief er ohne Unterlaß aus. Die
Liebkoſungen der Gattin, die ſchmeichelnde
Bitte der Kinder, die ermahnende Stimme
der Fuͤrſtin war nicht vermoͤgend, die ein-
mal gefaßte Idee zu vernichten, er waͤre
entflohen, wenn ihn nicht auf den Wink der
Fuͤrſtin die Bedienten ergriffen, und mit
Gewalt nach der Schaͤferei gefuͤhrt haͤtten.
Anfangs hoften alle, daß Zeit und Ge-
wohnheit ſeinen Irrwahn tilgen, ihn von
der Gewißheit uͤberzeugen wuͤrde, aber kei-
ne Zeit, keine Arzenei, keine Ueberzeugung
war faͤhig, das ſtokkende Rad der Einbildungs-
kraft zu wenden. Es ſtand, und in dieſem
das Bild des Traumes und Truges. Nur
ein aͤhnliches, noch weit ſchrecklicheres Bild
geſellte ſich noch zu dieſem. Er glaubte in
der Folge, daß ſein Weib, ſeine Kinder,
ſelbſt die wohlthaͤtige Fuͤrſtin geſtorben waͤ-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/184>, abgerufen am 22.11.2024.
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