waren, mit seltner Strenge alles ausserordent- liche Zeremoniel derselben. Sie gingen jeden Sonn- und Feiertag nach dem nahen Kloster, um dort nicht allein das grosse, hohe Amt, (eine gesungene Messe) sondern auch die Predigt zu hören. Glühende Röthe verbreitete sich auf ihrem Angesichte, bleiche, angstvolle Todten- blässe folgte derselben, als am folgenden Sonn- tage der Prediger eben über den Wucher ei- ferte, welcher bei itziger Theuerung und Hun- gersnoth die Herzen der Reichen fülle, und zu Sünden verleite, welche der barmherzigste und langmüthigste Gott schrecklich strafen müsse.
Ein reicher Bauer, rief er aus, hat sich erst vorige Woche erfrecht, die höchst nöthigen Bedürfnisse unsers armen Klösterleins auf die gottloseste Art zu benützen. Den Dienern Gottes, den Fürbittern des Menschen hat er einen Scheffel Waizen für dreisig Thaler ver- kauft! Hat sich durch die Vorstellung, daß
waren, mit ſeltner Strenge alles auſſerordent- liche Zeremoniel derſelben. Sie gingen jeden Sonn- und Feiertag nach dem nahen Kloſter, um dort nicht allein das groſſe, hohe Amt, (eine geſungene Meſſe) ſondern auch die Predigt zu hoͤren. Gluͤhende Roͤthe verbreitete ſich auf ihrem Angeſichte, bleiche, angſtvolle Todten- blaͤſſe folgte derſelben, als am folgenden Sonn- tage der Prediger eben uͤber den Wucher ei- ferte, welcher bei itziger Theuerung und Hun- gersnoth die Herzen der Reichen fuͤlle, und zu Suͤnden verleite, welche der barmherzigſte und langmuͤthigſte Gott ſchrecklich ſtrafen muͤſſe.
Ein reicher Bauer, rief er aus, hat ſich erſt vorige Woche erfrecht, die hoͤchſt noͤthigen Beduͤrfniſſe unſers armen Kloͤſterleins auf die gottloſeſte Art zu benuͤtzen. Den Dienern Gottes, den Fuͤrbittern des Menſchen hat er einen Scheffel Waizen fuͤr dreiſig Thaler ver- kauft! Hat ſich durch die Vorſtellung, daß
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0195"n="185"/>
waren, mit ſeltner Strenge alles auſſerordent-<lb/>
liche Zeremoniel derſelben. Sie gingen jeden<lb/>
Sonn- und Feiertag nach dem nahen Kloſter,<lb/>
um dort nicht allein das groſſe, hohe Amt,<lb/>
(eine geſungene Meſſe) ſondern auch die Predigt<lb/>
zu hoͤren. Gluͤhende Roͤthe verbreitete ſich auf<lb/>
ihrem Angeſichte, bleiche, angſtvolle Todten-<lb/>
blaͤſſe folgte derſelben, als am folgenden Sonn-<lb/>
tage der Prediger eben uͤber den Wucher ei-<lb/>
ferte, welcher bei itziger Theuerung und Hun-<lb/>
gersnoth die Herzen der Reichen fuͤlle, und zu<lb/>
Suͤnden verleite, welche der barmherzigſte und<lb/>
langmuͤthigſte Gott ſchrecklich ſtrafen muͤſſe.</p><lb/><p>Ein reicher Bauer, rief er aus, hat ſich<lb/>
erſt vorige Woche erfrecht, die hoͤchſt noͤthigen<lb/>
Beduͤrfniſſe unſers armen Kloͤſterleins auf die<lb/>
gottloſeſte Art zu benuͤtzen. Den Dienern<lb/>
Gottes, den Fuͤrbittern des Menſchen hat er<lb/>
einen Scheffel Waizen fuͤr dreiſig Thaler ver-<lb/>
kauft! Hat ſich durch die Vorſtellung, daß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[185/0195]
waren, mit ſeltner Strenge alles auſſerordent-
liche Zeremoniel derſelben. Sie gingen jeden
Sonn- und Feiertag nach dem nahen Kloſter,
um dort nicht allein das groſſe, hohe Amt,
(eine geſungene Meſſe) ſondern auch die Predigt
zu hoͤren. Gluͤhende Roͤthe verbreitete ſich auf
ihrem Angeſichte, bleiche, angſtvolle Todten-
blaͤſſe folgte derſelben, als am folgenden Sonn-
tage der Prediger eben uͤber den Wucher ei-
ferte, welcher bei itziger Theuerung und Hun-
gersnoth die Herzen der Reichen fuͤlle, und zu
Suͤnden verleite, welche der barmherzigſte und
langmuͤthigſte Gott ſchrecklich ſtrafen muͤſſe.
Ein reicher Bauer, rief er aus, hat ſich
erſt vorige Woche erfrecht, die hoͤchſt noͤthigen
Beduͤrfniſſe unſers armen Kloͤſterleins auf die
gottloſeſte Art zu benuͤtzen. Den Dienern
Gottes, den Fuͤrbittern des Menſchen hat er
einen Scheffel Waizen fuͤr dreiſig Thaler ver-
kauft! Hat ſich durch die Vorſtellung, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/195>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.