aus seinem Betragen vermuthet haben. Er wankte trostlos aus der Kirche, sein Weib folgte eben so. Zu Hause weinten und beteten sie den ganzen Tag, und beschlossen in der fol- genden schlaflosen Nacht ihre schreckliche Sünde zu beichten, und die für den Waizen erhaltnen sechzig Thaler zur Versöhnung dem Herrn zu opfern. Ihre Beichte ward am andern Tage im Kloster angehört, des Sühnopfer angenommen, und beiden Vergebung zugesichert, wenn sie in der Folge auch durch neue Opfer beweisen wür- den, daß ihr Vorsatz, sich zu bessern, wahrer Ernst sei.
Noch immer ängstigte Furcht und Angst das Gewissen der Aermsten, als aber am fol- genden Sonntage der eigennützige Prediger bewies, daß die Freude im Himmel über einen Sünder, der Busse thue, grösser sei, als über neun und neunzig Gerechte, die der Busse nicht bedürfen, und nun die Reue, das Sühn-
aus ſeinem Betragen vermuthet haben. Er wankte troſtlos aus der Kirche, ſein Weib folgte eben ſo. Zu Hauſe weinten und beteten ſie den ganzen Tag, und beſchloſſen in der fol- genden ſchlafloſen Nacht ihre ſchreckliche Suͤnde zu beichten, und die fuͤr den Waizen erhaltnen ſechzig Thaler zur Verſoͤhnung dem Herrn zu opfern. Ihre Beichte ward am andern Tage im Kloſter angehoͤrt, des Suͤhnopfer angenommen, und beiden Vergebung zugeſichert, wenn ſie in der Folge auch durch neue Opfer beweiſen wuͤr- den, daß ihr Vorſatz, ſich zu beſſern, wahrer Ernſt ſei.
Noch immer aͤngſtigte Furcht und Angſt das Gewiſſen der Aermſten, als aber am fol- genden Sonntage der eigennuͤtzige Prediger bewies, daß die Freude im Himmel uͤber einen Suͤnder, der Buſſe thue, groͤſſer ſei, als uͤber neun und neunzig Gerechte, die der Buſſe nicht beduͤrfen, und nun die Reue, das Suͤhn-
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aus ſeinem Betragen vermuthet haben. Er
wankte troſtlos aus der Kirche, ſein Weib
folgte eben ſo. Zu Hauſe weinten und beteten
ſie den ganzen Tag, und beſchloſſen in der fol-
genden ſchlafloſen Nacht ihre ſchreckliche Suͤnde
zu beichten, und die fuͤr den Waizen erhaltnen
ſechzig Thaler zur Verſoͤhnung dem Herrn zu
opfern. Ihre Beichte ward am andern Tage im
Kloſter angehoͤrt, des Suͤhnopfer angenommen,
und beiden Vergebung zugeſichert, wenn ſie in
der Folge auch durch neue Opfer beweiſen wuͤr-
den, daß ihr Vorſatz, ſich zu beſſern, wahrer
Ernſt ſei.
Noch immer aͤngſtigte Furcht und Angſt
das Gewiſſen der Aermſten, als aber am fol-
genden Sonntage der eigennuͤtzige Prediger
bewies, daß die Freude im Himmel uͤber einen
Suͤnder, der Buſſe thue, groͤſſer ſei, als uͤber
neun und neunzig Gerechte, die der Buſſe
nicht beduͤrfen, und nun die Reue, das Suͤhn-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/197>, abgerufen am 22.11.2024.
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