Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

weichen aus ihrer Höhle, und widersezte sich
jeder Gewalt. Die Zeit war dringend, die
Horchenden hörten schon von ferne Huftritte.
Du wirsts nicht ahnden und rächen, wenn ich
an unsre Sicherheit dachte, die Widerstrebende
zurückließ, ihr aber, nach dem einstimmigen
Rath aller, die Zunge abschnitt, damit sie nicht
deine, nicht unsere Verrätherin werden könne.

Ich wills nicht wagen, dir meinen Zustand
zu schildern, er war unnennbar wie mein
Schmerz. Ich durchbohrte die Brust des ruch-
losen Thäters, ich raßte, und man war ge-
zwungen, mich zu binden, um neue Mord-
that zu verhüten. Erst am dritten Tage konn-
te ich wieder fühlen und denken, ich war matt
und kraftlos, bat und flehte, daß man mir
erlauben möge, bei den verlaßnen Höhlen zu
kundschaften, und wenigstens meine arme Edel-
drud zu retten, wenn Rettung noch möglich
sei.

weichen aus ihrer Hoͤhle, und widerſezte ſich
jeder Gewalt. Die Zeit war dringend, die
Horchenden hoͤrten ſchon von ferne Huftritte.
Du wirſts nicht ahnden und raͤchen, wenn ich
an unſre Sicherheit dachte, die Widerſtrebende
zuruͤckließ, ihr aber, nach dem einſtimmigen
Rath aller, die Zunge abſchnitt, damit ſie nicht
deine, nicht unſere Verraͤtherin werden koͤnne.

Ich wills nicht wagen, dir meinen Zuſtand
zu ſchildern, er war unnennbar wie mein
Schmerz. Ich durchbohrte die Bruſt des ruch-
loſen Thaͤters, ich raßte, und man war ge-
zwungen, mich zu binden, um neue Mord-
that zu verhuͤten. Erſt am dritten Tage konn-
te ich wieder fuͤhlen und denken, ich war matt
und kraftlos, bat und flehte, daß man mir
erlauben moͤge, bei den verlaßnen Hoͤhlen zu
kundſchaften, und wenigſtens meine arme Edel-
drud zu retten, wenn Rettung noch moͤglich
ſei.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0244" n="234"/>
weichen aus ihrer Ho&#x0364;hle, und wider&#x017F;ezte &#x017F;ich<lb/>
jeder Gewalt. Die Zeit war dringend, die<lb/>
Horchenden ho&#x0364;rten &#x017F;chon von ferne Huftritte.<lb/>
Du wir&#x017F;ts nicht ahnden und ra&#x0364;chen, wenn ich<lb/>
an un&#x017F;re Sicherheit dachte, die Wider&#x017F;trebende<lb/>
zuru&#x0364;ckließ, ihr aber, nach dem ein&#x017F;timmigen<lb/>
Rath aller, die Zunge ab&#x017F;chnitt, damit &#x017F;ie nicht<lb/>
deine, nicht un&#x017F;ere Verra&#x0364;therin werden ko&#x0364;nne.</p><lb/>
        <p>Ich wills nicht wagen, dir meinen Zu&#x017F;tand<lb/>
zu &#x017F;childern, er war unnennbar wie mein<lb/>
Schmerz. Ich durchbohrte die Bru&#x017F;t des ruch-<lb/>
lo&#x017F;en Tha&#x0364;ters, ich raßte, und man war ge-<lb/>
zwungen, mich zu binden, um neue Mord-<lb/>
that zu verhu&#x0364;ten. Er&#x017F;t am dritten Tage konn-<lb/>
te ich wieder fu&#x0364;hlen und denken, ich war matt<lb/>
und kraftlos, bat und flehte, daß man mir<lb/>
erlauben mo&#x0364;ge, bei den verlaßnen Ho&#x0364;hlen zu<lb/>
kund&#x017F;chaften, und wenig&#x017F;tens meine arme Edel-<lb/>
drud zu retten, wenn Rettung noch mo&#x0364;glich<lb/>
&#x017F;ei.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0244] weichen aus ihrer Hoͤhle, und widerſezte ſich jeder Gewalt. Die Zeit war dringend, die Horchenden hoͤrten ſchon von ferne Huftritte. Du wirſts nicht ahnden und raͤchen, wenn ich an unſre Sicherheit dachte, die Widerſtrebende zuruͤckließ, ihr aber, nach dem einſtimmigen Rath aller, die Zunge abſchnitt, damit ſie nicht deine, nicht unſere Verraͤtherin werden koͤnne. Ich wills nicht wagen, dir meinen Zuſtand zu ſchildern, er war unnennbar wie mein Schmerz. Ich durchbohrte die Bruſt des ruch- loſen Thaͤters, ich raßte, und man war ge- zwungen, mich zu binden, um neue Mord- that zu verhuͤten. Erſt am dritten Tage konn- te ich wieder fuͤhlen und denken, ich war matt und kraftlos, bat und flehte, daß man mir erlauben moͤge, bei den verlaßnen Hoͤhlen zu kundſchaften, und wenigſtens meine arme Edel- drud zu retten, wenn Rettung noch moͤglich ſei.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/244
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/244>, abgerufen am 22.05.2024.