billigte den ganzen Plan vom Herzen, bat sogar, ihn nur recht bald auszuführen. Sie besuchte nun ihren Wilhelm öfters, kam vor- züglich alle Sonntage, um den Nachmittag desselben in seinen Armen zu durchleben. Wilhelm, den mehr die Schande und die Sorge eines kränkenden Vorwurfs als ächte, wahre Reue an sein Zimmer fesselte, und an jedem gesellschaftlichen Vergnügen hinderte, ge- wann bald dadurch das volle Zutrauen der gut- herzigen Alten, sie wollte eben seine Bitte er- füllen, und ihm mit einer hinlänglichen Sum- me unterstützen, als sie ein jäher Schlagfluß traf, und ihr nur noch so viel Lebensfrist gönnte, um bei vollem Bewustsein und reifer Vernunft ihren Vetter zum Universalerben einzusetzen.
Wilhelm war nun ein reicher Mann, sein Vermögen gränzte nahe an funfzehn tausend Gulden, es bestand in lauter sichern Kapita- lien, die er jederzeit aufkündigen und erhe-
billigte den ganzen Plan vom Herzen, bat ſogar, ihn nur recht bald auszufuͤhren. Sie beſuchte nun ihren Wilhelm oͤfters, kam vor- zuͤglich alle Sonntage, um den Nachmittag deſſelben in ſeinen Armen zu durchleben. Wilhelm, den mehr die Schande und die Sorge eines kraͤnkenden Vorwurfs als aͤchte, wahre Reue an ſein Zimmer feſſelte, und an jedem geſellſchaftlichen Vergnuͤgen hinderte, ge- wann bald dadurch das volle Zutrauen der gut- herzigen Alten, ſie wollte eben ſeine Bitte er- fuͤllen, und ihm mit einer hinlaͤnglichen Sum- me unterſtuͤtzen, als ſie ein jaͤher Schlagfluß traf, und ihr nur noch ſo viel Lebensfriſt goͤnnte, um bei vollem Bewuſtſein und reifer Vernunft ihren Vetter zum Univerſalerben einzuſetzen.
Wilhelm war nun ein reicher Mann, ſein Vermoͤgen graͤnzte nahe an funfzehn tauſend Gulden, es beſtand in lauter ſichern Kapita- lien, die er jederzeit aufkuͤndigen und erhe-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0053"n="43"/>
billigte den ganzen Plan vom Herzen, bat<lb/>ſogar, ihn nur recht bald auszufuͤhren. Sie<lb/>
beſuchte nun ihren Wilhelm oͤfters, kam vor-<lb/>
zuͤglich alle Sonntage, um den Nachmittag<lb/>
deſſelben in ſeinen Armen zu durchleben.<lb/>
Wilhelm, den mehr die Schande und die<lb/>
Sorge eines kraͤnkenden Vorwurfs als aͤchte,<lb/>
wahre Reue an ſein Zimmer feſſelte, und an<lb/>
jedem geſellſchaftlichen Vergnuͤgen hinderte, ge-<lb/>
wann bald dadurch das volle Zutrauen der gut-<lb/>
herzigen Alten, ſie wollte eben ſeine Bitte er-<lb/>
fuͤllen, und ihm mit einer hinlaͤnglichen Sum-<lb/>
me unterſtuͤtzen, als ſie ein jaͤher Schlagfluß traf,<lb/>
und ihr nur noch ſo viel Lebensfriſt goͤnnte,<lb/>
um bei vollem Bewuſtſein und reifer Vernunft<lb/>
ihren Vetter zum Univerſalerben einzuſetzen.</p><lb/><p>Wilhelm war nun ein reicher Mann, ſein<lb/>
Vermoͤgen graͤnzte nahe an funfzehn tauſend<lb/>
Gulden, es beſtand in lauter ſichern Kapita-<lb/>
lien, die er jederzeit aufkuͤndigen und erhe-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[43/0053]
billigte den ganzen Plan vom Herzen, bat
ſogar, ihn nur recht bald auszufuͤhren. Sie
beſuchte nun ihren Wilhelm oͤfters, kam vor-
zuͤglich alle Sonntage, um den Nachmittag
deſſelben in ſeinen Armen zu durchleben.
Wilhelm, den mehr die Schande und die
Sorge eines kraͤnkenden Vorwurfs als aͤchte,
wahre Reue an ſein Zimmer feſſelte, und an
jedem geſellſchaftlichen Vergnuͤgen hinderte, ge-
wann bald dadurch das volle Zutrauen der gut-
herzigen Alten, ſie wollte eben ſeine Bitte er-
fuͤllen, und ihm mit einer hinlaͤnglichen Sum-
me unterſtuͤtzen, als ſie ein jaͤher Schlagfluß traf,
und ihr nur noch ſo viel Lebensfriſt goͤnnte,
um bei vollem Bewuſtſein und reifer Vernunft
ihren Vetter zum Univerſalerben einzuſetzen.
Wilhelm war nun ein reicher Mann, ſein
Vermoͤgen graͤnzte nahe an funfzehn tauſend
Gulden, es beſtand in lauter ſichern Kapita-
lien, die er jederzeit aufkuͤndigen und erhe-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/53>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.