men, vertrauten Zirkel noch oft der Name der guten Gräfin eitel genannt, und bitter über das allzu leutselige Betragen des fürstlichen Paars glossirt! Freilich gabs noch viele hoch- adliche Herren und Damen, welche diese Hand- lung als eine Verlezzung der theuer beeideten Landesverfassung, als einen Eingriff in die Rechte des Adels, als einen despotischen Machtspruch schilderten, aber alle kamen doch darinne überein, daß man dem reissenden Strome nicht widerstehen könne, und auf ge- legnere Zeit harren müsse, bis man diese un- verdiente, höchst kränkende Demüthigung rä- chen könne.
Es verflossen acht lange Jahre, und die so oft gewünschte, so sehnlich erwartete Gele- genheit zur Rache erschien nicht. Immer mehrte sich das Vertrauen des Fürsten gegen den Grafen, die Freundschaft der Fürstin ge- gen die Gräfin. Man hatte geduldig zusehen
men, vertrauten Zirkel noch oft der Name der guten Graͤfin eitel genannt, und bitter uͤber das allzu leutſelige Betragen des fuͤrſtlichen Paars gloſſirt! Freilich gabs noch viele hoch- adliche Herren und Damen, welche dieſe Hand- lung als eine Verlezzung der theuer beeideten Landesverfaſſung, als einen Eingriff in die Rechte des Adels, als einen despotiſchen Machtſpruch ſchilderten, aber alle kamen doch darinne uͤberein, daß man dem reiſſenden Strome nicht widerſtehen koͤnne, und auf ge- legnere Zeit harren muͤſſe, bis man dieſe un- verdiente, hoͤchſt kraͤnkende Demuͤthigung raͤ- chen koͤnne.
Es verfloſſen acht lange Jahre, und die ſo oft gewuͤnſchte, ſo ſehnlich erwartete Gele- genheit zur Rache erſchien nicht. Immer mehrte ſich das Vertrauen des Fuͤrſten gegen den Grafen, die Freundſchaft der Fuͤrſtin ge- gen die Graͤfin. Man hatte geduldig zuſehen
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men, vertrauten Zirkel noch oft der Name der
guten Graͤfin eitel genannt, und bitter uͤber
das allzu leutſelige Betragen des fuͤrſtlichen
Paars gloſſirt! Freilich gabs noch viele hoch-
adliche Herren und Damen, welche dieſe Hand-
lung als eine Verlezzung der theuer beeideten
Landesverfaſſung, als einen Eingriff in die
Rechte des Adels, als einen despotiſchen
Machtſpruch ſchilderten, aber alle kamen doch
darinne uͤberein, daß man dem reiſſenden
Strome nicht widerſtehen koͤnne, und auf ge-
legnere Zeit harren muͤſſe, bis man dieſe un-
verdiente, hoͤchſt kraͤnkende Demuͤthigung raͤ-
chen koͤnne.
Es verfloſſen acht lange Jahre, und die
ſo oft gewuͤnſchte, ſo ſehnlich erwartete Gele-
genheit zur Rache erſchien nicht. Immer
mehrte ſich das Vertrauen des Fuͤrſten gegen
den Grafen, die Freundſchaft der Fuͤrſtin ge-
gen die Graͤfin. Man hatte geduldig zuſehen
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/89>, abgerufen am 21.11.2024.
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