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Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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die blödsinnige Mutter auf ihre schwachen Schultern allein fiel. Verena's Schultern waren indessen stärker, als man geglaubt hatte. Sie ertrug Alles mit unermüdlicher Ausdauer, drückte der Base die Augen zu und ließ nicht nach, als ein frommes Kind die Mutter zu heben und zu legen.

Der letzte Versuch, den Hagenbach mit Scholastika angestellt hatte, war so wie die frühern fruchtlos geblieben. Auf ihr plötzliches Begehren, die Gräber ihrer Kinder zu besuchen, hatte der Gatte seine kranke Frau dahin begleitet. In Stuben war die Weiterreise unnöthig geworden. Denn nachdem der Wirth im Posthause die Gäste mit beklommenem Antlitz auf den Kirchhof geführt und ihnen das kleine, ohne Kreuz und Kranz verbliebene Grab des armen Johannes gezeigt hatte, wendete sich Scholastika plötzlich um, mit den trockenen Worten: Das ist nicht wahr; mein Bub' ist nicht todt. Die bösen Leute verstecken ihn vor mir! -- ging auf dieses hin, trotz der Bestürzung und der Zureden ihrer Begleiter, wieder ins Haus, und da sie einem jungen Knecht von siebenzehn bis achtzehn Jahren in den Weg kam, warf sie sich an dessen Hals und schluchzte: Behüt' dich Gott, du lieber Johann. So alt mußt du heute sein, das weiß ich gewiß, und gelt, du bist es selber? Der arme Mensch hatte gut sich sträuben und betheuern, er sei der Michl, nicht der Hans, und seine Mutter sei von Dallaas gebürtig und lebe de dato noch; -- Scholastika wollte nimmer von

die blödsinnige Mutter auf ihre schwachen Schultern allein fiel. Verena's Schultern waren indessen stärker, als man geglaubt hatte. Sie ertrug Alles mit unermüdlicher Ausdauer, drückte der Base die Augen zu und ließ nicht nach, als ein frommes Kind die Mutter zu heben und zu legen.

Der letzte Versuch, den Hagenbach mit Scholastika angestellt hatte, war so wie die frühern fruchtlos geblieben. Auf ihr plötzliches Begehren, die Gräber ihrer Kinder zu besuchen, hatte der Gatte seine kranke Frau dahin begleitet. In Stuben war die Weiterreise unnöthig geworden. Denn nachdem der Wirth im Posthause die Gäste mit beklommenem Antlitz auf den Kirchhof geführt und ihnen das kleine, ohne Kreuz und Kranz verbliebene Grab des armen Johannes gezeigt hatte, wendete sich Scholastika plötzlich um, mit den trockenen Worten: Das ist nicht wahr; mein Bub' ist nicht todt. Die bösen Leute verstecken ihn vor mir! — ging auf dieses hin, trotz der Bestürzung und der Zureden ihrer Begleiter, wieder ins Haus, und da sie einem jungen Knecht von siebenzehn bis achtzehn Jahren in den Weg kam, warf sie sich an dessen Hals und schluchzte: Behüt' dich Gott, du lieber Johann. So alt mußt du heute sein, das weiß ich gewiß, und gelt, du bist es selber? Der arme Mensch hatte gut sich sträuben und betheuern, er sei der Michl, nicht der Hans, und seine Mutter sei von Dallaas gebürtig und lebe de dato noch; — Scholastika wollte nimmer von

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Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/21>, abgerufen am 21.11.2024.