Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Karl Spindler, geboren den 16. October 1796 zu Breslau, wurde zu Straßburg erzogen, wo sein Vater Organist am Münster war, begab sich, um dem französischen Militärdienste zu entgehen, nach Deutschland zu einem Oheim, trat aber dann in jenes unstete Theaterleben ein, das er nachmals sehr anschaulich geschildert hat. Seinen Ruf als Romanschriftsteller begründete er durch die Romane "Bastard", "Jude" und "Jesuit", die trotz des Mangels an künstlerischer Bildung von einer wunderbaren Naturgabe in Auffassung und Darstellung des Lebens, ja bis zu einem gewissen Grade selbst des geschichtlichen Lebens, zeugen. Durch Vielschreiberei -- seine "sämmtlichen Werke", die wohl nicht einmal vollständig sein werden, umfassen 102 Bände -- hat er sein glänzendes Talent zersplittert und ist großentheils vergessen, doch enthalten auch die an Werth untergeordneten Nachfolger jener ersten bedeutenderen Werke manchen meisterhaften Zug, der in besserer Umgebung zu stehen verdiente. Er selbst hat über seine Werke den Ausspruch gethan, er beneide den Epigonen, der diesen Schacht von Erfindung, wenn derselbe einst verschüttet sei, wieder entdecken und ausbeuten werde. Spindler starb den 12. Juli 1855 im Bade Freiersbach. Seine zahllosen kleineren Erzählungen sind meist flüchtig gearbeitet, wie denn überhaupt die Novelle diesem aus Massenentwickelung angelegten Talente keine gemäße Form war. Desto erfreulicher ist es, aus der großen Menge denn doch eine Erzählung geben zu können, die zu den erleseneren gezählt werden darf, soferne sie ein altes, oft und verschiedentlich von Dichtern ergriffenes Motiv in eigenthümlicher, bedeutender und edler Weise behandelt. Karl Spindler, geboren den 16. October 1796 zu Breslau, wurde zu Straßburg erzogen, wo sein Vater Organist am Münster war, begab sich, um dem französischen Militärdienste zu entgehen, nach Deutschland zu einem Oheim, trat aber dann in jenes unstete Theaterleben ein, das er nachmals sehr anschaulich geschildert hat. Seinen Ruf als Romanschriftsteller begründete er durch die Romane „Bastard“, „Jude“ und „Jesuit“, die trotz des Mangels an künstlerischer Bildung von einer wunderbaren Naturgabe in Auffassung und Darstellung des Lebens, ja bis zu einem gewissen Grade selbst des geschichtlichen Lebens, zeugen. Durch Vielschreiberei — seine „sämmtlichen Werke“, die wohl nicht einmal vollständig sein werden, umfassen 102 Bände — hat er sein glänzendes Talent zersplittert und ist großentheils vergessen, doch enthalten auch die an Werth untergeordneten Nachfolger jener ersten bedeutenderen Werke manchen meisterhaften Zug, der in besserer Umgebung zu stehen verdiente. Er selbst hat über seine Werke den Ausspruch gethan, er beneide den Epigonen, der diesen Schacht von Erfindung, wenn derselbe einst verschüttet sei, wieder entdecken und ausbeuten werde. Spindler starb den 12. Juli 1855 im Bade Freiersbach. Seine zahllosen kleineren Erzählungen sind meist flüchtig gearbeitet, wie denn überhaupt die Novelle diesem aus Massenentwickelung angelegten Talente keine gemäße Form war. Desto erfreulicher ist es, aus der großen Menge denn doch eine Erzählung geben zu können, die zu den erleseneren gezählt werden darf, soferne sie ein altes, oft und verschiedentlich von Dichtern ergriffenes Motiv in eigenthümlicher, bedeutender und edler Weise behandelt. <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0005"/> <div type="preface"> <p>Karl Spindler, geboren den 16. October 1796 zu Breslau, wurde zu Straßburg erzogen, wo sein Vater Organist am Münster war, begab sich, um dem französischen Militärdienste zu entgehen, nach Deutschland zu einem Oheim, trat aber dann in jenes unstete Theaterleben ein, das er nachmals sehr anschaulich geschildert hat. Seinen Ruf als Romanschriftsteller begründete er durch die Romane „Bastard“, „Jude“ und „Jesuit“, die trotz des Mangels an künstlerischer Bildung von einer wunderbaren Naturgabe in Auffassung und Darstellung des Lebens, ja bis zu einem gewissen Grade selbst des geschichtlichen Lebens, zeugen. Durch Vielschreiberei — seine „sämmtlichen Werke“, die wohl nicht einmal vollständig sein werden, umfassen 102 Bände — hat er sein glänzendes Talent zersplittert und ist großentheils vergessen, doch enthalten auch die an Werth untergeordneten Nachfolger jener ersten bedeutenderen Werke manchen meisterhaften Zug, der in besserer Umgebung zu stehen verdiente. Er selbst hat über seine Werke den Ausspruch gethan, er beneide den Epigonen, der diesen Schacht von Erfindung, wenn derselbe einst verschüttet sei, wieder entdecken und ausbeuten werde. Spindler starb den 12. Juli 1855 im Bade Freiersbach. Seine zahllosen kleineren Erzählungen sind meist flüchtig gearbeitet, wie denn überhaupt die Novelle diesem aus Massenentwickelung angelegten Talente keine gemäße Form war. Desto erfreulicher ist es, aus der großen Menge denn doch eine Erzählung geben zu können, die zu den erleseneren gezählt werden darf, soferne sie ein altes, oft und verschiedentlich von Dichtern ergriffenes Motiv in eigenthümlicher, bedeutender und edler Weise behandelt.</p><lb/> </div> </front> </text> </TEI> [0005]
Karl Spindler, geboren den 16. October 1796 zu Breslau, wurde zu Straßburg erzogen, wo sein Vater Organist am Münster war, begab sich, um dem französischen Militärdienste zu entgehen, nach Deutschland zu einem Oheim, trat aber dann in jenes unstete Theaterleben ein, das er nachmals sehr anschaulich geschildert hat. Seinen Ruf als Romanschriftsteller begründete er durch die Romane „Bastard“, „Jude“ und „Jesuit“, die trotz des Mangels an künstlerischer Bildung von einer wunderbaren Naturgabe in Auffassung und Darstellung des Lebens, ja bis zu einem gewissen Grade selbst des geschichtlichen Lebens, zeugen. Durch Vielschreiberei — seine „sämmtlichen Werke“, die wohl nicht einmal vollständig sein werden, umfassen 102 Bände — hat er sein glänzendes Talent zersplittert und ist großentheils vergessen, doch enthalten auch die an Werth untergeordneten Nachfolger jener ersten bedeutenderen Werke manchen meisterhaften Zug, der in besserer Umgebung zu stehen verdiente. Er selbst hat über seine Werke den Ausspruch gethan, er beneide den Epigonen, der diesen Schacht von Erfindung, wenn derselbe einst verschüttet sei, wieder entdecken und ausbeuten werde. Spindler starb den 12. Juli 1855 im Bade Freiersbach. Seine zahllosen kleineren Erzählungen sind meist flüchtig gearbeitet, wie denn überhaupt die Novelle diesem aus Massenentwickelung angelegten Talente keine gemäße Form war. Desto erfreulicher ist es, aus der großen Menge denn doch eine Erzählung geben zu können, die zu den erleseneren gezählt werden darf, soferne sie ein altes, oft und verschiedentlich von Dichtern ergriffenes Motiv in eigenthümlicher, bedeutender und edler Weise behandelt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:06:51Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:06:51Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |