Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.Vermischte Send-Schreiben. Dieser treuen Freundschaffts-Regung stimmet auchdie meine bey; Glaube, bey Beschluß der Zeilen, daß ich stets dein Diener sey 9) Als er einem Freund etwas übersendet. Herr Bruder! lebst du noch? bey nahe glaubichs nicht, Weil seit acht Wochen her dein Bund den Wech- sel bricht Von Antwort, Brief und Schrifft; nun quält sich mein Verlangen, Mit nechsten (wo du lebst) die Antwort zu empfangen. O! säume nicht, mein Freund! ich warte ja darauf, Und breche halb entzückt davon das Siegel auf. Vors erste nimm von mir ein Päckgen feine Sachen, Du kanst sie dir vielleicht noch wohl zu Nutze machen. Denn, wo du itzo wohnst, blüht keine Wissenschafft, Vielmehr, wie man so Geld als Güter an sich rafft. Da schweigt der Musen Lust mit ihren sanften Thö- nen, Und du gehörst entfernt zu ihren frommen Söhnen. Verzeihe, liebster Freund, ich hab es nicht franquirt, Weil itzt der Bettelvoigt in meiner Tasch regiert; Jzt bin ich warrlich arm, ich bin ein armer Schlucker, Jtzt trinck ich gleich Coffee, und habe keinen Zucker. Mein Wechsel ist gehemmt, und dieses mit Gewalt, Weil auser unsrer Meß kein Mensch denselben zahlt. Wenn sich mein Reichthum mehrt, denn solst du auch erfahren, Jch will zu deiner Lust gar keine Kosten spahren: Al- H 2
Vermiſchte Send-Schreiben. Dieſer treuen Freundſchaffts-Regung ſtimmet auchdie meine bey; Glaube, bey Beſchluß der Zeilen, daß ich ſtets dein Diener ſey 9) Als er einem Freund etwas uͤberſendet. Herr Bruder! lebſt du noch? bey nahe glaubichs nicht, Weil ſeit acht Wochen her dein Bund den Wech- ſel bricht Von Antwort, Brief und Schrifft; nun quaͤlt ſich mein Verlangen, Mit nechſten (wo du lebſt) die Antwort zu empfangẽ. O! ſaͤume nicht, mein Freund! ich warte ja darauf, Und breche halb entzuͤckt davon das Siegel auf. Vors erſte nimm von mir ein Paͤckgen feine Sachen, Du kanſt ſie dir vielleicht noch wohl zu Nutze machẽ. Denn, wo du itzo wohnſt, bluͤht keine Wiſſenſchafft, Vielmehr, wie man ſo Geld als Guͤter an ſich rafft. Da ſchweigt der Muſen Luſt mit ihren ſanften Thoͤ- nen, Und du gehoͤrſt entfernt zu ihren frommen Soͤhnen. Verzeihe, liebſter Freund, ich hab es nicht franquirt, Weil itzt der Bettelvoigt in meiner Taſch regiert; Jzt bin ich warrlich arm, ich bin ein armer Schlucker, Jtzt trinck ich gleich Coffée, und habe keinen Zucker. Mein Wechſel iſt gehemmt, und dieſes mit Gewalt, Weil auſer unſrer Meß kein Menſch denſelben zahlt. Wenn ſich mein Reichthum mehrt, denn ſolſt du auch erfahren, Jch will zu deiner Luſt gar keine Koſten ſpahren: Al- H 2
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Vermiſchte Send-Schreiben.
Dieſer treuen Freundſchaffts-Regung ſtimmet auch
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Glaube, bey Beſchluß der Zeilen, daß ich ſtets
dein Diener ſey
9) Als er einem Freund etwas uͤberſendet.
Herr Bruder! lebſt du noch? bey nahe glaub
ichs nicht,
Weil ſeit acht Wochen her dein Bund den Wech-
ſel bricht
Von Antwort, Brief und Schrifft; nun quaͤlt ſich
mein Verlangen,
Mit nechſten (wo du lebſt) die Antwort zu empfangẽ.
O! ſaͤume nicht, mein Freund! ich warte ja darauf,
Und breche halb entzuͤckt davon das Siegel auf.
Vors erſte nimm von mir ein Paͤckgen feine Sachen,
Du kanſt ſie dir vielleicht noch wohl zu Nutze machẽ.
Denn, wo du itzo wohnſt, bluͤht keine Wiſſenſchafft,
Vielmehr, wie man ſo Geld als Guͤter an ſich rafft.
Da ſchweigt der Muſen Luſt mit ihren ſanften Thoͤ-
nen,
Und du gehoͤrſt entfernt zu ihren frommen Soͤhnen.
Verzeihe, liebſter Freund, ich hab es nicht franquirt,
Weil itzt der Bettelvoigt in meiner Taſch regiert;
Jzt bin ich warrlich arm, ich bin ein armer Schlucker,
Jtzt trinck ich gleich Coffée, und habe keinen Zucker.
Mein Wechſel iſt gehemmt, und dieſes mit Gewalt,
Weil auſer unſrer Meß kein Menſch denſelben zahlt.
Wenn ſich mein Reichthum mehrt, denn ſolſt du
auch erfahren,
Jch will zu deiner Luſt gar keine Koſten ſpahren:
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