Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.Schertzhaffte und verliebte Briefe. Jch glaube gantz gewiß, mein Herr! sie sind ge-schossen. Sie brennen voller Lust, voll grosser Liebes- Brunst, Dieß schreibt ihr eigner Kiel; alleine, Herr! mit Gunst, Dieß klingt sehr abgeschmackt, sehr schlecht und niederträchtig, Sie geben sich zu bloß, sie sind ihr selbst nicht mächtig. Die Liebe läst sich nicht mit einem jeden ein. Wer liebt, muß tugendhafft und auch verschwie- gen seyn. Und beydes sind sie nicht; nach ihrem geilen Rennen, Wird sie fast jedes Kind in unserm Orte kennen. Es ist ja gantz bekannt, es weiß ja jedermann, Daß keine Köchin mehr, der sie nicht zugethan. Die wilde Liebes-Glut erhitzet ihre Glieder, Die schläget Ehre, Glück, und alle Wohlfahrt nieder. Wer jeden Tag, wie sie, zwey Dutzend Gläser leert, Wer ohne Kümmerniß von seiner Schnure zehrt, Und sonsten nichts verdient; mit dem nimmt es behende, (Wie man es treibt, so gehts) ein schlecht und schändlich Ende. Zwar, ich verzeihe sie ihr frey geschrieben Blatt. Doch, da sie nun mein Kiel genug gewarnet hat, So müssen sie auch selbst ihr eigen Wohl be- dencken, Sonst
Schertzhaffte und verliebte Briefe. Jch glaube gantz gewiß, mein Herr! ſie ſind ge-ſchoſſen. Sie brennen voller Luſt, voll groſſer Liebes- Brunſt, Dieß ſchreibt ihr eigner Kiel; alleine, Herr! mit Gunſt, Dieß klingt ſehr abgeſchmackt, ſehr ſchlecht und niedertraͤchtig, Sie geben ſich zu bloß, ſie ſind ihr ſelbſt nicht maͤchtig. Die Liebe laͤſt ſich nicht mit einem jeden ein. Wer liebt, muß tugendhafft und auch verſchwie- gen ſeyn. Und beydes ſind ſie nicht; nach ihrem geilen Rennen, Wird ſie faſt jedes Kind in unſerm Orte kennen. Es iſt ja gantz bekannt, es weiß ja jedermann, Daß keine Koͤchin mehr, der ſie nicht zugethan. Die wilde Liebes-Glut erhitzet ihre Glieder, Die ſchlaͤget Ehre, Gluͤck, und alle Wohlfahrt nieder. Wer jeden Tag, wie ſie, zwey Dutzend Glaͤſer leert, Wer ohne Kuͤmmerniß von ſeiner Schnure zehrt, Und ſonſten nichts verdient; mit dem nimmt es behende, (Wie man es treibt, ſo gehts) ein ſchlecht und ſchaͤndlich Ende. Zwar, ich verzeihe ſie ihr frey geſchrieben Blatt. Doch, da ſie nun mein Kiel genug gewarnet hat, So muͤſſen ſie auch ſelbſt ihr eigen Wohl be- dencken, Sonſt
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Schertzhaffte und verliebte Briefe.
Jch glaube gantz gewiß, mein Herr! ſie ſind ge-
ſchoſſen.
Sie brennen voller Luſt, voll groſſer Liebes-
Brunſt,
Dieß ſchreibt ihr eigner Kiel; alleine, Herr! mit
Gunſt,
Dieß klingt ſehr abgeſchmackt, ſehr ſchlecht und
niedertraͤchtig,
Sie geben ſich zu bloß, ſie ſind ihr ſelbſt nicht
maͤchtig.
Die Liebe laͤſt ſich nicht mit einem jeden ein.
Wer liebt, muß tugendhafft und auch verſchwie-
gen ſeyn.
Und beydes ſind ſie nicht; nach ihrem geilen
Rennen,
Wird ſie faſt jedes Kind in unſerm Orte kennen.
Es iſt ja gantz bekannt, es weiß ja jedermann,
Daß keine Koͤchin mehr, der ſie nicht zugethan.
Die wilde Liebes-Glut erhitzet ihre Glieder,
Die ſchlaͤget Ehre, Gluͤck, und alle Wohlfahrt
nieder.
Wer jeden Tag, wie ſie, zwey Dutzend Glaͤſer
leert,
Wer ohne Kuͤmmerniß von ſeiner Schnure zehrt,
Und ſonſten nichts verdient; mit dem nimmt es
behende,
(Wie man es treibt, ſo gehts) ein ſchlecht und
ſchaͤndlich Ende.
Zwar, ich verzeihe ſie ihr frey geſchrieben Blatt.
Doch, da ſie nun mein Kiel genug gewarnet hat,
So muͤſſen ſie auch ſelbſt ihr eigen Wohl be-
dencken,
Sonſt
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