Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

Trauer-Briefe.
Das Muster redlich frommer Tugend,
Den Spiegel angenehmster Jugend.
Jhr mehr als christlich Christenthum
Erwarb ihr Ehre, Lob und Ruhm.
Diß muß ihr auch in späten Zeiten
Ein ewig Denckmahl zubereiten.

O! wie beglückt ist nicht der Geist,
Der sich aus Kedars Wohnung reißt.
Scheint uns der Cörper gleich verlohren,
Jm Tode wird er neu gebohren.
Man stirbt zu neu belebter Krafft,
Die ewig Wohl und Leben schafft.
So bringt das ob wohl bange Scheiden,
Das schönste Paradie[ß] der Freuden.
Dein Kind, dein eintzig frommer Sohn,
Führt mit dir gleichen Jammer-Thon;
Er thränt, er wimmert, ächtzt und klaget,
Weil man dem armen Schäfgen saget,
Daß die, so ihn so treu gepflegt,
Jn stillen Bogen hingelegt;
Jn den betrübten Jammer-Bogen,
Der ihm sein Mutter-Hertz entzogen.
O sehr gerechtes Trauer-Lied!
Jhr jammert; ach ich weine mit.
Was Wunder! wenn an unsern Wangen
Die frommen Liebes-Zeichen hangen.
Dich kränckt dein banger Wittwer-Stand,
Dich kränckt das arme Liebes-Pfand,
O! setz den traurigen Gedancken
Gerechtes Ziel, und Maaß, und Schrancken.
Ergieb

Trauer-Briefe.
Das Muſter redlich frommer Tugend,
Den Spiegel angenehmſter Jugend.
Jhr mehr als chriſtlich Chriſtenthum
Erwarb ihr Ehre, Lob und Ruhm.
Diß muß ihr auch in ſpaͤten Zeiten
Ein ewig Denckmahl zubereiten.

O! wie begluͤckt iſt nicht der Geiſt,
Der ſich aus Kedars Wohnung reißt.
Scheint uns der Coͤrper gleich verlohren,
Jm Tode wird er neu gebohren.
Man ſtirbt zu neu belebter Krafft,
Die ewig Wohl und Leben ſchafft.
So bringt das ob wohl bange Scheiden,
Das ſchoͤnſte Paradie[ß] der Freuden.
Dein Kind, dein eintzig frommer Sohn,
Fuͤhrt mit dir gleichen Jammer-Thon;
Er thraͤnt, er wimmert, aͤchtzt und klaget,
Weil man dem armen Schaͤfgen ſaget,
Daß die, ſo ihn ſo treu gepflegt,
Jn ſtillen Bogen hingelegt;
Jn den betruͤbten Jammer-Bogen,
Der ihm ſein Mutter-Hertz entzogen.
O ſehr gerechtes Trauer-Lied!
Jhr jammert; ach ich weine mit.
Was Wunder! wenn an unſern Wangen
Die frommen Liebes-Zeichen hangen.
Dich kraͤnckt dein banger Wittwer-Stand,
Dich kraͤnckt das arme Liebes-Pfand,
O! ſetz den traurigen Gedancken
Gerechtes Ziel, und Maaß, und Schrancken.
Ergieb
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="2">
              <pb facs="#f0088" n="68"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Trauer-Briefe.</hi> </fw><lb/>
              <l>Das Mu&#x017F;ter redlich frommer Tugend,</l><lb/>
              <l>Den Spiegel angenehm&#x017F;ter Jugend.</l><lb/>
              <l>Jhr mehr als chri&#x017F;tlich Chri&#x017F;tenthum</l><lb/>
              <l>Erwarb ihr Ehre, Lob und Ruhm.</l><lb/>
              <l>Diß muß ihr auch in &#x017F;pa&#x0364;ten Zeiten</l><lb/>
              <l>Ein ewig Denckmahl zubereiten.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>O! wie beglu&#x0364;ckt i&#x017F;t nicht der Gei&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;ich aus Kedars Wohnung reißt.</l><lb/>
              <l>Scheint uns der Co&#x0364;rper gleich verlohren,</l><lb/>
              <l>Jm Tode wird er neu gebohren.</l><lb/>
              <l>Man &#x017F;tirbt zu neu belebter Krafft,</l><lb/>
              <l>Die ewig Wohl und Leben &#x017F;chafft.</l><lb/>
              <l>So bringt das ob wohl bange Scheiden,</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Paradie<supplied>ß</supplied> der Freuden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Dein Kind, dein eintzig frommer Sohn,</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;hrt mit dir gleichen Jammer-Thon;</l><lb/>
              <l>Er thra&#x0364;nt, er wimmert, a&#x0364;chtzt und klaget,</l><lb/>
              <l>Weil man dem armen Scha&#x0364;fgen &#x017F;aget,</l><lb/>
              <l>Daß die, &#x017F;o ihn &#x017F;o treu gepflegt,</l><lb/>
              <l>Jn &#x017F;tillen Bogen hingelegt;</l><lb/>
              <l>Jn den betru&#x0364;bten Jammer-Bogen,</l><lb/>
              <l>Der ihm &#x017F;ein Mutter-Hertz entzogen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>O &#x017F;ehr gerechtes Trauer-Lied!</l><lb/>
              <l>Jhr jammert; ach ich weine mit.</l><lb/>
              <l>Was Wunder! wenn an un&#x017F;ern Wangen</l><lb/>
              <l>Die frommen Liebes-Zeichen hangen.</l><lb/>
              <l>Dich kra&#x0364;nckt dein banger Wittwer-Stand,</l><lb/>
              <l>Dich kra&#x0364;nckt das arme Liebes-Pfand,</l><lb/>
              <l>O! &#x017F;etz den traurigen Gedancken</l><lb/>
              <l>Gerechtes Ziel, und Maaß, und Schrancken.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Ergieb</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0088] Trauer-Briefe. Das Muſter redlich frommer Tugend, Den Spiegel angenehmſter Jugend. Jhr mehr als chriſtlich Chriſtenthum Erwarb ihr Ehre, Lob und Ruhm. Diß muß ihr auch in ſpaͤten Zeiten Ein ewig Denckmahl zubereiten. O! wie begluͤckt iſt nicht der Geiſt, Der ſich aus Kedars Wohnung reißt. Scheint uns der Coͤrper gleich verlohren, Jm Tode wird er neu gebohren. Man ſtirbt zu neu belebter Krafft, Die ewig Wohl und Leben ſchafft. So bringt das ob wohl bange Scheiden, Das ſchoͤnſte Paradieß der Freuden. Dein Kind, dein eintzig frommer Sohn, Fuͤhrt mit dir gleichen Jammer-Thon; Er thraͤnt, er wimmert, aͤchtzt und klaget, Weil man dem armen Schaͤfgen ſaget, Daß die, ſo ihn ſo treu gepflegt, Jn ſtillen Bogen hingelegt; Jn den betruͤbten Jammer-Bogen, Der ihm ſein Mutter-Hertz entzogen. O ſehr gerechtes Trauer-Lied! Jhr jammert; ach ich weine mit. Was Wunder! wenn an unſern Wangen Die frommen Liebes-Zeichen hangen. Dich kraͤnckt dein banger Wittwer-Stand, Dich kraͤnckt das arme Liebes-Pfand, O! ſetz den traurigen Gedancken Gerechtes Ziel, und Maaß, und Schrancken. Ergieb

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_jugendfruechte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_jugendfruechte_1745/88
Zitationshilfe: Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_jugendfruechte_1745/88>, abgerufen am 25.11.2024.