Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.Trauer-Brieffe. Und muß, so bald er stirbt, Asch, Staub und Mo-der werden. Die Hülle seines Geists dient ihm zum Sterbe-Kleid, Mit der Erinnerung: Dein Ende ist nicht weit. Fällt nun der Cörper hin, so kommt ein banges Weinen, Da klagt man seinen Freund bey morschen Todes- Beinen, Da ist kein eintziger, er sey auch wer er sey, Von Baare, Sarg und Grufft, vom Tod und Sterben frey. Diß zeigt sich auch an dir, o Freund! der Weiß- heits-Lehren, Auch da will sich der Tod an keine Gründe kehren. Du suchtest, wie gewohnt, die Lehre der Natur, Der grossen Welt-Weißheit; du folgtest ihrer Spur, Du trachtetst sie mit Fleiß und Nachdruck zu er- wegen, Was Wolff in Schrifften sagt, kontst du zum Grunde legen. Was dieser grosse Mann in seinen Schrifften sprach, Dem sonnest du mit Fleiß, mit gröstem Eifer nach. Diß war dein Augenmerck, woran du fest gebunden, Und so vergieng die Zeit in Anmuths-vollen Stunden. Und letztens, als du schon die Helffte einer Nacht Jn der Beschäfftigung mit Anmuth zugebracht, So muß ein Schlag-Fluß dich entseelt zu Boden schmeissen, Und uns, o herber Fall! den besten Freund entreissen. Wenn dorten Archimed so fleißig Zirckel zieht, Ob schon die gantze Stadt die Wuth der Feinde flieht, Bleibt er doch unbewegt, er läst sich nichts verhindern Auch Lermen und Geschrey kan nicht das Zirckeln mindern, Bis
Trauer-Brieffe. Und muß, ſo bald er ſtirbt, Aſch, Staub und Mo-der werden. Die Huͤlle ſeines Geiſts dient ihm zum Sterbe-Kleid, Mit der Erinnerung: Dein Ende iſt nicht weit. Faͤllt nun der Coͤrper hin, ſo kom̃t ein banges Weinẽ, Da klagt man ſeinen Freund bey morſchen Todes- Beinen, Da iſt kein eintziger, er ſey auch wer er ſey, Von Baare, Sarg und Grufft, vom Tod und Sterben frey. Diß zeigt ſich auch an dir, o Freund! der Weiß- heits-Lehren, Auch da will ſich der Tod an keine Gruͤnde kehren. Du ſuchteſt, wie gewohnt, die Lehre der Natur, Der groſſen Welt-Weißheit; du folgteſt ihreꝛ Spur, Du trachtetſt ſie mit Fleiß und Nachdruck zu er- wegen, Was Wolff in Schrifften ſagt, kontſt du zum Grunde legen. Was dieſer groſſe Mann in ſeinen Schrifften ſprach, Dem ſonneſt du mit Fleiß, mit groͤſtem Eifer nach. Diß war dein Augenmerck, woran du feſt gebunden, Und ſo vergieng die Zeit in Anmuths-vollen Stundẽ. Und letztens, als du ſchon die Helffte einer Nacht Jn der Beſchaͤfftigung mit Anmuth zugebracht, So muß ein Schlag-Fluß dich entſeelt zu Boden ſchmeiſſen, Und uns, o herber Fall! den beſten Freund entreiſſen. Wenn dorten Archimed ſo fleißig Zirckel zieht, Ob ſchon die gantze Stadt die Wuth deꝛ Feinde flieht, Bleibt er doch unbewegt, er laͤſt ſich nichts veꝛhindern Auch Lermen und Geſchrey kan nicht das Zirckeln mindern, Bis
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Trauer-Brieffe.
Und muß, ſo bald er ſtirbt, Aſch, Staub und Mo-
der werden.
Die Huͤlle ſeines Geiſts dient ihm zum Sterbe-Kleid,
Mit der Erinnerung: Dein Ende iſt nicht weit.
Faͤllt nun der Coͤrper hin, ſo kom̃t ein banges Weinẽ,
Da klagt man ſeinen Freund bey morſchen Todes-
Beinen,
Da iſt kein eintziger, er ſey auch wer er ſey,
Von Baare, Sarg und Grufft, vom Tod und
Sterben frey.
Diß zeigt ſich auch an dir, o Freund! der Weiß-
heits-Lehren,
Auch da will ſich der Tod an keine Gruͤnde kehren.
Du ſuchteſt, wie gewohnt, die Lehre der Natur,
Der groſſen Welt-Weißheit; du folgteſt ihreꝛ Spur,
Du trachtetſt ſie mit Fleiß und Nachdruck zu er-
wegen,
Was Wolff in Schrifften ſagt, kontſt du zum
Grunde legen.
Was dieſer groſſe Mann in ſeinen Schrifften ſprach,
Dem ſonneſt du mit Fleiß, mit groͤſtem Eifer nach.
Diß war dein Augenmerck, woran du feſt gebunden,
Und ſo vergieng die Zeit in Anmuths-vollen Stundẽ.
Und letztens, als du ſchon die Helffte einer Nacht
Jn der Beſchaͤfftigung mit Anmuth zugebracht,
So muß ein Schlag-Fluß dich entſeelt zu Boden
ſchmeiſſen,
Und uns, o herber Fall! den beſten Freund entreiſſen.
Wenn dorten Archimed ſo fleißig Zirckel zieht,
Ob ſchon die gantze Stadt die Wuth deꝛ Feinde flieht,
Bleibt er doch unbewegt, er laͤſt ſich nichts veꝛhindern
Auch Lermen und Geſchrey kan nicht das Zirckeln
mindern,
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