Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.
Blatt Papier aus meiner Brieftasche zu reissen, einige Zeilen mit Bleistift darauf zu schreiben und ihr diesen Liebesbrief a la minute unbemerkt zuzustecken. Ich machte mir daher durch das Gedränge mit der ganzen Geschwindigkeit eines Verliebten Platz, eilte hinaus und schrieb, dass ich sie gesehen, und dass sie die einzige Heilige in der Kirche gewesen sei, die ich sofort angebetet hätte; dass ich sie bitte, mir bei einem Rendezvous, in Wolken gehüllt, oder wie sie es sonst für zweckmässig erachte, zu erscheinen; dass mein Oheim der durch seine strenge kirchliche Haltung berühmte Graf Lehnburg sei, und dass sie einen kleinen Theil der Gunst, den sie als Heilige sicherlich ihm gewähre, seinem Neffen und Erben zuwenden möge. Ich wartete bei der Kirchenthüre, um ihr im Gedränge der Herausströmenden das Briefchen in die Hand zu drücken. Ich wartete und wartete, die Kirche leerte sich, aber sie konnte ich nicht erblicken. Alles war schon verschwunden und ich stand mit einem Male ganz allein und traurig vor der Kirchenthüre mit meinem Liebesbriefe in Blatt Papier aus meiner Brieftasche zu reissen, einige Zeilen mit Bleistift darauf zu schreiben und ihr diesen Liebesbrief à la minute unbemerkt zuzustecken. Ich machte mir daher durch das Gedränge mit der ganzen Geschwindigkeit eines Verliebten Platz, eilte hinaus und schrieb, dass ich sie gesehen, und dass sie die einzige Heilige in der Kirche gewesen sei, die ich sofort angebetet hätte; dass ich sie bitte, mir bei einem Rendezvous, in Wolken gehüllt, oder wie sie es sonst für zweckmässig erachte, zu erscheinen; dass mein Oheim der durch seine strenge kirchliche Haltung berühmte Graf Lehnburg sei, und dass sie einen kleinen Theil der Gunst, den sie als Heilige sicherlich ihm gewähre, seinem Neffen und Erben zuwenden möge. Ich wartete bei der Kirchenthüre, um ihr im Gedränge der Herausströmenden das Briefchen in die Hand zu drücken. Ich wartete und wartete, die Kirche leerte sich, aber sie konnte ich nicht erblicken. Alles war schon verschwunden und ich stand mit einem Male ganz allein und traurig vor der Kirchenthüre mit meinem Liebesbriefe in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="12"/> Blatt Papier aus meiner Brieftasche zu reissen, einige Zeilen mit Bleistift darauf zu schreiben und ihr diesen Liebesbrief <hi rendition="#i">à la minute</hi> unbemerkt zuzustecken. Ich machte mir daher durch das Gedränge mit der ganzen Geschwindigkeit eines Verliebten Platz, eilte hinaus und schrieb, dass ich sie gesehen, und dass sie die einzige Heilige in der Kirche gewesen sei, die ich sofort angebetet hätte; dass ich sie bitte, mir bei einem Rendezvous, in Wolken gehüllt, oder wie sie es sonst für zweckmässig erachte, zu erscheinen; dass mein Oheim der durch seine strenge kirchliche Haltung berühmte Graf Lehnburg sei, und dass sie einen kleinen Theil der Gunst, den sie als Heilige sicherlich ihm gewähre, seinem Neffen und Erben zuwenden möge. Ich wartete bei der Kirchenthüre, um ihr im Gedränge der Herausströmenden das Briefchen in die Hand zu drücken. Ich wartete und wartete, die Kirche leerte sich, aber sie konnte ich nicht erblicken. Alles war schon verschwunden und ich stand mit einem Male ganz allein und traurig vor der Kirchenthüre mit meinem Liebesbriefe in </p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0014]
Blatt Papier aus meiner Brieftasche zu reissen, einige Zeilen mit Bleistift darauf zu schreiben und ihr diesen Liebesbrief à la minute unbemerkt zuzustecken. Ich machte mir daher durch das Gedränge mit der ganzen Geschwindigkeit eines Verliebten Platz, eilte hinaus und schrieb, dass ich sie gesehen, und dass sie die einzige Heilige in der Kirche gewesen sei, die ich sofort angebetet hätte; dass ich sie bitte, mir bei einem Rendezvous, in Wolken gehüllt, oder wie sie es sonst für zweckmässig erachte, zu erscheinen; dass mein Oheim der durch seine strenge kirchliche Haltung berühmte Graf Lehnburg sei, und dass sie einen kleinen Theil der Gunst, den sie als Heilige sicherlich ihm gewähre, seinem Neffen und Erben zuwenden möge. Ich wartete bei der Kirchenthüre, um ihr im Gedränge der Herausströmenden das Briefchen in die Hand zu drücken. Ich wartete und wartete, die Kirche leerte sich, aber sie konnte ich nicht erblicken. Alles war schon verschwunden und ich stand mit einem Male ganz allein und traurig vor der Kirchenthüre mit meinem Liebesbriefe in
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| Zitationshilfe: | Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/14>, abgerufen am 22.12.2024. |
