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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Anemone.
da dieselbe eine große Menge von Antheren hat. Wenn er
aber hinzusetzt, daß die Bienen sehr begierig nach dieser Blume
sind, so ist dies um so viel mehr glaublich, da sie nicht nur
Wachs, sondern auch Honig in derselben finden.

Anemone Hepatica. Leberkraut. Tab. XXV.
24--27.

25. Die Blume in natürlicher Stellung und Grösse zur
Nachtzeit und bey schlechtem Wetter am Tage, von der Seite
gesehen.

24. Dieselbe, nachdem sie des Morgens bey schönem Wet-
ter angefangen hat sich zu öffnen, von vorne gesehen.

27. Dieselbe, nachdem sie sich völlig geöffnet hat, in na-
türlicher Stellung.

26. Dieselbe, von oben gesehen.

Diese Blume hat keinen Saft. Solche besondere gestielte
Saftdrüsen, als die vorhergehende hat, fehlen ihr; und daß
die Fruchtknoten nicht zugleich die Saftdrüsen seyn kön-
nen, folgt daraus, daß dieselben mit Haaren überzogen sind.
Da sie aber eine ansehnliche Krone hat, deren Endzweck sich
nicht anders erklären läßt, als in Rücksicht auf die Insekten:
so glaube ich, daß sie von Insekten, und zwar von Bienen,
befruchtet werde. In dieser Meinung bestärkt mich Folgendes.
Erstens ist die Blume nur des Tages bey schöner Witterung
in die Höhe gerichtet, und breitet alsdenn ihre Krone von ein-
ander; des Nachts hingegen und bey schlechter Witterung am
Tage hat sie eine horizontale Stellung, und eine geschlossene
Krone, ausgenommen, wann sie schon ziemlich alt ist, und
nicht mehr das Vermögen hat, sich zu schließen und horizontal
zu stellen. Daß sie nun bey schiechtem Wetter in dem gemel-
deten Zustande sich befindet, ließe sich noch wohl erklären, wenn
man auch die mechanische Befruchtungsart annähme; es würde
nemlich dadurch der Staub der Antheren vor der Nässe ver-
wahrt. Daß sie aber des Nachts auch bey der schönsten Wit-
terung sich in diesem Zustande befindet, läßt sich keinesweges
erklären, wenn man jene Befruchtungsart annimmt. Denn
warum sollte sie nicht eben so wohl des Nachts, als bey Tage,
vom Winde befruchtet werden können? In Blumen, welche
vom Winde befruchtet werden, findet man nicht die geringste
Spur, daß sie sich des Abends schließen. Zum Beweise die-
nen die auf eben dieser Kupfertafel abgebildeten Blüthen des
Haselstrauchs, Fig. 12. und der Espe, Fig. 15. 18. Beides
aber läßt sich sehr leicht erklären, wenn man annimmt, daß
die Bienen die Blume befruchten. Denn dieselben fliegen nur bey
Tage, und zwar nur, wenn es schönes Wetter ist, aus. Zwey-
tens habe ich die Blumen zu einer Zeit, da der Wind wehete,
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Anemone.
genau beobachtet, aber nicht gefunden, daß derselbe Staub auf
die Stigmate gebracht hatte. Die Ursache hievon ist leicht
einzusehen. Denn drittens hängt der Staub ziemlich zusam-
men, und läßt sich nicht so leicht wegblasen, als z. B. bey
den so eben angeführten beiden Arten saftleerer Blumen, welche
vom Winde befruchtet werden. Viertens habe ich, um zu
sehen, ob die Erfahrung diese Meinung bestätigen würde, die-
ses muthmaßliche Befruchtungsgeschäfte der Bienen nachge-
macht, indem ich in verschiedenen Blumen, welche ich bezeich-
nete, den Staub mit einem Pinsel auf die Stigmate auftrug.
Nach einigen Tagen bemerkte ich, daß die Stigmate der be-
zeichneten schwarz und wie vertrocknet aussahen, da hingegen
die Stigmate der übrigen Blumen so weiß blieben, als sie
gleich anfangs gewesen waren. Hieraus schloß ich, daß die
Fruchtknoten der ersteren durch diese Operation seyen befruchtet
worden. Nach einigen Wochen fand ich auch, daß die bezeich-
neten Blumen mehr gute Samenkörner angesetzt hatten, als
die übrigen.

An einem schönen warmen Tage fand ich auf einer Blume
ein kleines Insekt, welches sehr kurze und gestutzte Flügeldecken
hatte, unter welchen es die weit grösseren Flügel sehr künstlich
zu verbergen wußte *). Dasselbe kroch auf den Staubgefäßen
und Pistillen umher, und war ganz voller Staub; ich bemerkte
aber nicht, daß es vom Staube genoß. Weil es also die
Blume mehr zufälligerweise, als aus Bedürfniß besucht zu ha-
ben scheint, so glaube ich nicht, daß es zur Befruchtung der-
selben bestimmt sey, ob es gleich zufälligerweise auf manches
Stigma Staub gebracht haben mag.

Anemone nemorosa. Waldhähnchen. Tab. XXV.
1*. Die beynahe völlig erwachsene Frucht. Nur zwey Pistille
sind befruchtet worden, und haben sich daher in Samenkörner
verwandelt; die übrigen sind unbefruchtet geblieben.

Diese Art ist der vorhergehenden darin ähnlich, daß sie
keinen Saft hat, sich nur am Tage bey schönem Wetter auf-
recht stellt und öffnet, des Nachts hingegen und bey schlechtem
Wetter am Tage eine horizontale Stellung hat und geschlos-
sen ist.

Daß diese Blume von Insekten befruchtet wird, folgt aus
eben dem Grunde, aus welchem ich schließe, daß Ranunculus
von Insekten befruchtet wird, nemlich weil nicht alle, sondern
nur die wenigsten Pistille befruchtet werden.

*) Ist vermuthlich ein Staphilinus gewesen.

[Spaltenumbruch]

Anemone.
da dieſelbe eine große Menge von Antheren hat. Wenn er
aber hinzuſetzt, daß die Bienen ſehr begierig nach dieſer Blume
ſind, ſo iſt dies um ſo viel mehr glaublich, da ſie nicht nur
Wachs, ſondern auch Honig in derſelben finden.

Anemone Hepatica. Leberkraut. Tab. XXV.
24—27.

25. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe zur
Nachtzeit und bey ſchlechtem Wetter am Tage, von der Seite
geſehen.

24. Dieſelbe, nachdem ſie des Morgens bey ſchoͤnem Wet-
ter angefangen hat ſich zu oͤffnen, von vorne geſehen.

27. Dieſelbe, nachdem ſie ſich voͤllig geoͤffnet hat, in na-
tuͤrlicher Stellung.

26. Dieſelbe, von oben geſehen.

Dieſe Blume hat keinen Saft. Solche beſondere geſtielte
Saftdruͤſen, als die vorhergehende hat, fehlen ihr; und daß
die Fruchtknoten nicht zugleich die Saftdruͤſen ſeyn koͤn-
nen, folgt daraus, daß dieſelben mit Haaren uͤberzogen ſind.
Da ſie aber eine anſehnliche Krone hat, deren Endzweck ſich
nicht anders erklaͤren laͤßt, als in Ruͤckſicht auf die Inſekten:
ſo glaube ich, daß ſie von Inſekten, und zwar von Bienen,
befruchtet werde. In dieſer Meinung beſtaͤrkt mich Folgendes.
Erſtens iſt die Blume nur des Tages bey ſchoͤner Witterung
in die Hoͤhe gerichtet, und breitet alsdenn ihre Krone von ein-
ander; des Nachts hingegen und bey ſchlechter Witterung am
Tage hat ſie eine horizontale Stellung, und eine geſchloſſene
Krone, ausgenommen, wann ſie ſchon ziemlich alt iſt, und
nicht mehr das Vermoͤgen hat, ſich zu ſchließen und horizontal
zu ſtellen. Daß ſie nun bey ſchiechtem Wetter in dem gemel-
deten Zuſtande ſich befindet, ließe ſich noch wohl erklaͤren, wenn
man auch die mechaniſche Befruchtungsart annaͤhme; es wuͤrde
nemlich dadurch der Staub der Antheren vor der Naͤſſe ver-
wahrt. Daß ſie aber des Nachts auch bey der ſchoͤnſten Wit-
terung ſich in dieſem Zuſtande befindet, laͤßt ſich keinesweges
erklaͤren, wenn man jene Befruchtungsart annimmt. Denn
warum ſollte ſie nicht eben ſo wohl des Nachts, als bey Tage,
vom Winde befruchtet werden koͤnnen? In Blumen, welche
vom Winde befruchtet werden, findet man nicht die geringſte
Spur, daß ſie ſich des Abends ſchließen. Zum Beweiſe die-
nen die auf eben dieſer Kupfertafel abgebildeten Bluͤthen des
Haſelſtrauchs, Fig. 12. und der Espe, Fig. 15. 18. Beides
aber laͤßt ſich ſehr leicht erklaͤren, wenn man annimmt, daß
die Bienen die Blume befruchten. Denn dieſelben fliegen nur bey
Tage, und zwar nur, wenn es ſchoͤnes Wetter iſt, aus. Zwey-
tens habe ich die Blumen zu einer Zeit, da der Wind wehete,
[Spaltenumbruch]

Anemone.
genau beobachtet, aber nicht gefunden, daß derſelbe Staub auf
die Stigmate gebracht hatte. Die Urſache hievon iſt leicht
einzuſehen. Denn drittens haͤngt der Staub ziemlich zuſam-
men, und laͤßt ſich nicht ſo leicht wegblaſen, als z. B. bey
den ſo eben angefuͤhrten beiden Arten ſaftleerer Blumen, welche
vom Winde befruchtet werden. Viertens habe ich, um zu
ſehen, ob die Erfahrung dieſe Meinung beſtaͤtigen wuͤrde, die-
ſes muthmaßliche Befruchtungsgeſchaͤfte der Bienen nachge-
macht, indem ich in verſchiedenen Blumen, welche ich bezeich-
nete, den Staub mit einem Pinſel auf die Stigmate auftrug.
Nach einigen Tagen bemerkte ich, daß die Stigmate der be-
zeichneten ſchwarz und wie vertrocknet ausſahen, da hingegen
die Stigmate der uͤbrigen Blumen ſo weiß blieben, als ſie
gleich anfangs geweſen waren. Hieraus ſchloß ich, daß die
Fruchtknoten der erſteren durch dieſe Operation ſeyen befruchtet
worden. Nach einigen Wochen fand ich auch, daß die bezeich-
neten Blumen mehr gute Samenkoͤrner angeſetzt hatten, als
die uͤbrigen.

An einem ſchoͤnen warmen Tage fand ich auf einer Blume
ein kleines Inſekt, welches ſehr kurze und geſtutzte Fluͤgeldecken
hatte, unter welchen es die weit groͤſſeren Fluͤgel ſehr kuͤnſtlich
zu verbergen wußte *). Daſſelbe kroch auf den Staubgefaͤßen
und Piſtillen umher, und war ganz voller Staub; ich bemerkte
aber nicht, daß es vom Staube genoß. Weil es alſo die
Blume mehr zufaͤlligerweiſe, als aus Beduͤrfniß beſucht zu ha-
ben ſcheint, ſo glaube ich nicht, daß es zur Befruchtung der-
ſelben beſtimmt ſey, ob es gleich zufaͤlligerweiſe auf manches
Stigma Staub gebracht haben mag.

Anemone nemoroſa. Waldhaͤhnchen. Tab. XXV.
1*. Die beynahe voͤllig erwachſene Frucht. Nur zwey Piſtille
ſind befruchtet worden, und haben ſich daher in Samenkoͤrner
verwandelt; die uͤbrigen ſind unbefruchtet geblieben.

Dieſe Art iſt der vorhergehenden darin aͤhnlich, daß ſie
keinen Saft hat, ſich nur am Tage bey ſchoͤnem Wetter auf-
recht ſtellt und oͤffnet, des Nachts hingegen und bey ſchlechtem
Wetter am Tage eine horizontale Stellung hat und geſchloſ-
ſen iſt.

Daß dieſe Blume von Inſekten befruchtet wird, folgt aus
eben dem Grunde, aus welchem ich ſchließe, daß Ranunculus
von Inſekten befruchtet wird, nemlich weil nicht alle, ſondern
nur die wenigſten Piſtille befruchtet werden.

*) Iſt vermuthlich ein Staphilinus geweſen.
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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [158]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/158>, abgerufen am 21.11.2024.