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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Viola.
nun, eine Biene kriecht auf den obersten Kronenblättern in die
Blume hinein, Fig. 7., Titelbl. XI., und steckt den Kopf in den
ziemlich weiten Zwischenraum zwischen dem Stigma und dem un-
tersten Kronenblatt (welcher in Fig. 7., weil von dem untersten
Kronenblatt genau die Hälfte weggeschnitten worden, genau zu
sehen ist. Man seh[e] auch Fig. 8.), um ihren Saugerüssel in den
Safthalter hineinzustecken: so stößt sie mit dem Kopf den Griffel,
und vermittelst des Griffels den Ansatz des obersten Filaments
in die Höhe. Dadurch bekömmt der Trichter ein Loch, und aus
diesem Loch fällt das Staubmehl heraus. Die Biene wird damit
bestäubt, und muß nothwendig einen Theil des an ihrem Körper
haftenden Staubmehls auf das Stigma bringen, und gleichsam
an dasselbe anreiben, und auf solche Art den Fruchtknoten befruch-
ten. Dies wird man sehr leicht einsehen, wenn man die 23. Fi-
gur mit der 7., und die 5. mit der 8. vergleicht. Nachdem sie
den Saftvorrath verzehrt hat, so kriecht sie wieder zurück. Als-
denn fällt der Griffel wieder in seine gewöhnliche Stellung zurück,
so auch nach und nach der Ansatz des obersten Filaments. Die
Oeffnung des Trichters verschließt sich also nach und nach wieder,
obgleich nicht so dicht und fest, als vor dem Besuch, vermuthlich
weil bey dem ersten Besuch die Befruchtung jederzeit unausbleib-
lich erfolgen muß.

Diese von mir entdeckte und beschriebene Befruchtungsart
dieser Blume setzt den Leser in den Stand, verschiedene die Struk-
tur derselben betreffende Fragen zu beantworten, welche er sonst
unbeantwortet würde haben lassen müssen. Die leichteren Fra-
gen, welche auch bey anderen Saftblumen vorkommen, z. B.
warum die Blume Saft absondert, warum sie eine gefärbte Krone
hat, warum sie auf einer weißlichen Stelle dunkelfarbige Linien hat,
warum sie mit einem so angenehmen Geruch begabt ist, warum
der Saft vor dem Regen so wohl verwahrt ist, will ich nicht be-
rühren, sondern nur folgende anführen. Warum sitzt die Blume
auf einem langen aufrecht stehenden Stiel, der sich aber mit sei-
nem obersten Ende um- und herabbiegt, Fig. 7.? Antw. Er-
stens, damit kein Regentropfen zum Saft gelangen könne. Denn
wenn der Stiel ganz grade wäre, die Blume folglich aufrecht
stünde, so wäre das Ende des Horns, wo der Saft sich befin-
det, der unterste Theil der Blume, und Regentropfen, welche
in die Blume hineinfielen, würden in das Horn hinabfließen, sich
mit dem Saft vermischen, und ihn verderben. Da sich aber der
oberste Theil des Stiels herabbiegt, so hängt die Blume herab,
und das Ende des Horns ist der höchste Theil derselben, in wel-
chen kein Regentropfen hinaufsteigen kann. Zweytens damit,
wenn die Blume vom Winde geschüttelt wird, welches wegen der
Länge des Stiels oftmals geschehen muß, das Staubmehl in den
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Viola.
untersten Theil des Trichters falle. Wäre der Stiel ganz grade,
und hätte die Blume eine aufrechte Stellung, so würde der Staub
in den Theil des Trichters fallen, der alsdenn der unterste wäre,
d. i., in den obersten, welchen die Filamente bilden. Wenn also
die Bienen die Blume besuchten, so würde er hier liegen bleiben,
und niemals auf das Stigma gebracht werden. Dies siehet man
ein, wenn man die 7. Figur umkehrt. -- Warum hat der Staub
die angeführte besondere Beschaffenheit, und unterscheidet sich so
sehr von dem Staube anderer Saftblumen? A. Bey anderen
Saftblumen soll der Staub vom Insekt abgestreift werden, darum
sitzt er etwas fest, damit ihn der Wind nicht wegführe. Bey die-
ser aber soll er sich in dem untersten Theil des Trichters sammlen,
um, wenn die Biene eine Oeffnung an demselben macht, heraus-
fallen zu können. Bliebe er also an den Antheren sitzen, so
würde die Blume niemals befruchtet werden. -- Warum ist die
Basis des Griffels so dünne? A. Damit die Biene den Griffel
desto leichter in die Höhe stoßen könne. -- Warum ist aber diese
Basis ein wenig gekrümmt, Fig. 11. 14., und warum macht das
umgebogene Ende des Griffels mit dem Griffel nicht einen rechten,
sondern einen etwas spitzen Winkel? A. Beides dient zu eben-
demselben Endzweck, als der vorige Umstand. Die Direktion des
Stoßes, welchen die Biene dem umgebogenen Ende des Griffels
beybringt, ist dem längeren graden Theil des Griffels ungefähr
parallel; dieser Stoß aber soll den Griffel seitwärts bewegen, also
nach einer Direktion, welche mit jener ungefähr einen rechten
Winkel macht. Wer nun einige Begriffe von der Mechanik hat,
wird einsehen, daß dieses nicht so leicht geschehen würde, wenn
die dünne Basis des Griffels grade wäre, und das umgebogene Ende
desselben mit demselben einen rechten Winkel machte. Das um-
gebogene Ende des Griffels macht aus eben der Ursache mit dem
Griffel, folglich auch mit der Direktion des Stoßes, welchen die
Biene demselben beybringt, einen schiefen Winkel, aus welcher
die Oberfläche der Flügel einer Windmühle mit der Direktion des
Windes einen schiefen Winkel macht. Und um ein noch mehr
passendes Beyspiel anzuführen, welches sich zugleich auf die ge-
krümmte Basis des Griffels bezieht, so stelle man sich vor, da
der Griffel einige Aehnlichkeit mit einer Krücke hat, es hätte sich
Jemand eine Krücke ganz genau nach dem Modell dieses Griffels
machen lassen. Schon bey dem ersten Versuch, den er mit der-
selben anstellen würde, würde ihn sein Einfall gereuen. Denn
die Krücke würde, indem er sich auf dieselbe stützte, ausweichen,
und er würde fallen. -- Endlich warum liegt der häutige Ansatz
des obersten Filaments zum Theil auf den Ansätzen der beiden
mittelsten, Fig. 9., und warum nicht diese, oder einer von die-
sen auf jenem? A. Damit er desto leichter von der Biene

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Viola.
nun, eine Biene kriecht auf den oberſten Kronenblaͤttern in die
Blume hinein, Fig. 7., Titelbl. XI., und ſteckt den Kopf in den
ziemlich weiten Zwiſchenraum zwiſchen dem Stigma und dem un-
terſten Kronenblatt (welcher in Fig. 7., weil von dem unterſten
Kronenblatt genau die Haͤlfte weggeſchnitten worden, genau zu
ſehen iſt. Man ſeh[e] auch Fig. 8.), um ihren Saugeruͤſſel in den
Safthalter hineinzuſtecken: ſo ſtoͤßt ſie mit dem Kopf den Griffel,
und vermittelſt des Griffels den Anſatz des oberſten Filaments
in die Hoͤhe. Dadurch bekoͤmmt der Trichter ein Loch, und aus
dieſem Loch faͤllt das Staubmehl heraus. Die Biene wird damit
beſtaͤubt, und muß nothwendig einen Theil des an ihrem Koͤrper
haftenden Staubmehls auf das Stigma bringen, und gleichſam
an daſſelbe anreiben, und auf ſolche Art den Fruchtknoten befruch-
ten. Dies wird man ſehr leicht einſehen, wenn man die 23. Fi-
gur mit der 7., und die 5. mit der 8. vergleicht. Nachdem ſie
den Saftvorrath verzehrt hat, ſo kriecht ſie wieder zuruͤck. Als-
denn faͤllt der Griffel wieder in ſeine gewoͤhnliche Stellung zuruͤck,
ſo auch nach und nach der Anſatz des oberſten Filaments. Die
Oeffnung des Trichters verſchließt ſich alſo nach und nach wieder,
obgleich nicht ſo dicht und feſt, als vor dem Beſuch, vermuthlich
weil bey dem erſten Beſuch die Befruchtung jederzeit unausbleib-
lich erfolgen muß.

Dieſe von mir entdeckte und beſchriebene Befruchtungsart
dieſer Blume ſetzt den Leſer in den Stand, verſchiedene die Struk-
tur derſelben betreffende Fragen zu beantworten, welche er ſonſt
unbeantwortet wuͤrde haben laſſen muͤſſen. Die leichteren Fra-
gen, welche auch bey anderen Saftblumen vorkommen, z. B.
warum die Blume Saft abſondert, warum ſie eine gefaͤrbte Krone
hat, warum ſie auf einer weißlichen Stelle dunkelfarbige Linien hat,
warum ſie mit einem ſo angenehmen Geruch begabt iſt, warum
der Saft vor dem Regen ſo wohl verwahrt iſt, will ich nicht be-
ruͤhren, ſondern nur folgende anfuͤhren. Warum ſitzt die Blume
auf einem langen aufrecht ſtehenden Stiel, der ſich aber mit ſei-
nem oberſten Ende um- und herabbiegt, Fig. 7.? Antw. Er-
ſtens, damit kein Regentropfen zum Saft gelangen koͤnne. Denn
wenn der Stiel ganz grade waͤre, die Blume folglich aufrecht
ſtuͤnde, ſo waͤre das Ende des Horns, wo der Saft ſich befin-
det, der unterſte Theil der Blume, und Regentropfen, welche
in die Blume hineinfielen, wuͤrden in das Horn hinabfließen, ſich
mit dem Saft vermiſchen, und ihn verderben. Da ſich aber der
oberſte Theil des Stiels herabbiegt, ſo haͤngt die Blume herab,
und das Ende des Horns iſt der hoͤchſte Theil derſelben, in wel-
chen kein Regentropfen hinaufſteigen kann. Zweytens damit,
wenn die Blume vom Winde geſchuͤttelt wird, welches wegen der
Laͤnge des Stiels oftmals geſchehen muß, das Staubmehl in den
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Viola.
unterſten Theil des Trichters falle. Waͤre der Stiel ganz grade,
und haͤtte die Blume eine aufrechte Stellung, ſo wuͤrde der Staub
in den Theil des Trichters fallen, der alsdenn der unterſte waͤre,
d. i., in den oberſten, welchen die Filamente bilden. Wenn alſo
die Bienen die Blume beſuchten, ſo wuͤrde er hier liegen bleiben,
und niemals auf das Stigma gebracht werden. Dies ſiehet man
ein, wenn man die 7. Figur umkehrt. — Warum hat der Staub
die angefuͤhrte beſondere Beſchaffenheit, und unterſcheidet ſich ſo
ſehr von dem Staube anderer Saftblumen? A. Bey anderen
Saftblumen ſoll der Staub vom Inſekt abgeſtreift werden, darum
ſitzt er etwas feſt, damit ihn der Wind nicht wegfuͤhre. Bey die-
ſer aber ſoll er ſich in dem unterſten Theil des Trichters ſammlen,
um, wenn die Biene eine Oeffnung an demſelben macht, heraus-
fallen zu koͤnnen. Bliebe er alſo an den Antheren ſitzen, ſo
wuͤrde die Blume niemals befruchtet werden. — Warum iſt die
Baſis des Griffels ſo duͤnne? A. Damit die Biene den Griffel
deſto leichter in die Hoͤhe ſtoßen koͤnne. — Warum iſt aber dieſe
Baſis ein wenig gekruͤmmt, Fig. 11. 14., und warum macht das
umgebogene Ende des Griffels mit dem Griffel nicht einen rechten,
ſondern einen etwas ſpitzen Winkel? A. Beides dient zu eben-
demſelben Endzweck, als der vorige Umſtand. Die Direktion des
Stoßes, welchen die Biene dem umgebogenen Ende des Griffels
beybringt, iſt dem laͤngeren graden Theil des Griffels ungefaͤhr
parallel; dieſer Stoß aber ſoll den Griffel ſeitwaͤrts bewegen, alſo
nach einer Direktion, welche mit jener ungefaͤhr einen rechten
Winkel macht. Wer nun einige Begriffe von der Mechanik hat,
wird einſehen, daß dieſes nicht ſo leicht geſchehen wuͤrde, wenn
die duͤnne Baſis des Griffels grade waͤre, und das umgebogene Ende
deſſelben mit demſelben einen rechten Winkel machte. Das um-
gebogene Ende des Griffels macht aus eben der Urſache mit dem
Griffel, folglich auch mit der Direktion des Stoßes, welchen die
Biene demſelben beybringt, einen ſchiefen Winkel, aus welcher
die Oberflaͤche der Fluͤgel einer Windmuͤhle mit der Direktion des
Windes einen ſchiefen Winkel macht. Und um ein noch mehr
paſſendes Beyſpiel anzufuͤhren, welches ſich zugleich auf die ge-
kruͤmmte Baſis des Griffels bezieht, ſo ſtelle man ſich vor, da
der Griffel einige Aehnlichkeit mit einer Kruͤcke hat, es haͤtte ſich
Jemand eine Kruͤcke ganz genau nach dem Modell dieſes Griffels
machen laſſen. Schon bey dem erſten Verſuch, den er mit der-
ſelben anſtellen wuͤrde, wuͤrde ihn ſein Einfall gereuen. Denn
die Kruͤcke wuͤrde, indem er ſich auf dieſelbe ſtuͤtzte, ausweichen,
und er wuͤrde fallen. — Endlich warum liegt der haͤutige Anſatz
des oberſten Filaments zum Theil auf den Anſaͤtzen der beiden
mittelſten, Fig. 9., und warum nicht dieſe, oder einer von die-
ſen auf jenem? A. Damit er deſto leichter von der Biene

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[[208]/0208] Viola. Viola. nun, eine Biene kriecht auf den oberſten Kronenblaͤttern in die Blume hinein, Fig. 7., Titelbl. XI., und ſteckt den Kopf in den ziemlich weiten Zwiſchenraum zwiſchen dem Stigma und dem un- terſten Kronenblatt (welcher in Fig. 7., weil von dem unterſten Kronenblatt genau die Haͤlfte weggeſchnitten worden, genau zu ſehen iſt. Man ſehe auch Fig. 8.), um ihren Saugeruͤſſel in den Safthalter hineinzuſtecken: ſo ſtoͤßt ſie mit dem Kopf den Griffel, und vermittelſt des Griffels den Anſatz des oberſten Filaments in die Hoͤhe. Dadurch bekoͤmmt der Trichter ein Loch, und aus dieſem Loch faͤllt das Staubmehl heraus. Die Biene wird damit beſtaͤubt, und muß nothwendig einen Theil des an ihrem Koͤrper haftenden Staubmehls auf das Stigma bringen, und gleichſam an daſſelbe anreiben, und auf ſolche Art den Fruchtknoten befruch- ten. Dies wird man ſehr leicht einſehen, wenn man die 23. Fi- gur mit der 7., und die 5. mit der 8. vergleicht. 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B. warum die Blume Saft abſondert, warum ſie eine gefaͤrbte Krone hat, warum ſie auf einer weißlichen Stelle dunkelfarbige Linien hat, warum ſie mit einem ſo angenehmen Geruch begabt iſt, warum der Saft vor dem Regen ſo wohl verwahrt iſt, will ich nicht be- ruͤhren, ſondern nur folgende anfuͤhren. Warum ſitzt die Blume auf einem langen aufrecht ſtehenden Stiel, der ſich aber mit ſei- nem oberſten Ende um- und herabbiegt, Fig. 7.? Antw. Er- ſtens, damit kein Regentropfen zum Saft gelangen koͤnne. Denn wenn der Stiel ganz grade waͤre, die Blume folglich aufrecht ſtuͤnde, ſo waͤre das Ende des Horns, wo der Saft ſich befin- det, der unterſte Theil der Blume, und Regentropfen, welche in die Blume hineinfielen, wuͤrden in das Horn hinabfließen, ſich mit dem Saft vermiſchen, und ihn verderben. Da ſich aber der oberſte Theil des Stiels herabbiegt, ſo haͤngt die Blume herab, und das Ende des Horns iſt der hoͤchſte Theil derſelben, in wel- chen kein Regentropfen hinaufſteigen kann. Zweytens damit, wenn die Blume vom Winde geſchuͤttelt wird, welches wegen der Laͤnge des Stiels oftmals geſchehen muß, das Staubmehl in den unterſten Theil des Trichters falle. Waͤre der Stiel ganz grade, und haͤtte die Blume eine aufrechte Stellung, ſo wuͤrde der Staub in den Theil des Trichters fallen, der alsdenn der unterſte waͤre, d. i., in den oberſten, welchen die Filamente bilden. Wenn alſo die Bienen die Blume beſuchten, ſo wuͤrde er hier liegen bleiben, und niemals auf das Stigma gebracht werden. Dies ſiehet man ein, wenn man die 7. Figur umkehrt. — Warum hat der Staub die angefuͤhrte beſondere Beſchaffenheit, und unterſcheidet ſich ſo ſehr von dem Staube anderer Saftblumen? A. Bey anderen Saftblumen ſoll der Staub vom Inſekt abgeſtreift werden, darum ſitzt er etwas feſt, damit ihn der Wind nicht wegfuͤhre. Bey die- ſer aber ſoll er ſich in dem unterſten Theil des Trichters ſammlen, um, wenn die Biene eine Oeffnung an demſelben macht, heraus- fallen zu koͤnnen. Bliebe er alſo an den Antheren ſitzen, ſo wuͤrde die Blume niemals befruchtet werden. — Warum iſt die Baſis des Griffels ſo duͤnne? A. Damit die Biene den Griffel deſto leichter in die Hoͤhe ſtoßen koͤnne. — Warum iſt aber dieſe Baſis ein wenig gekruͤmmt, Fig. 11. 14., und warum macht das umgebogene Ende des Griffels mit dem Griffel nicht einen rechten, ſondern einen etwas ſpitzen Winkel? A. Beides dient zu eben- demſelben Endzweck, als der vorige Umſtand. Die Direktion des Stoßes, welchen die Biene dem umgebogenen Ende des Griffels beybringt, iſt dem laͤngeren graden Theil des Griffels ungefaͤhr parallel; dieſer Stoß aber ſoll den Griffel ſeitwaͤrts bewegen, alſo nach einer Direktion, welche mit jener ungefaͤhr einen rechten Winkel macht. Wer nun einige Begriffe von der Mechanik hat, wird einſehen, daß dieſes nicht ſo leicht geſchehen wuͤrde, wenn die duͤnne Baſis des Griffels grade waͤre, und das umgebogene Ende deſſelben mit demſelben einen rechten Winkel machte. Das um- gebogene Ende des Griffels macht aus eben der Urſache mit dem Griffel, folglich auch mit der Direktion des Stoßes, welchen die Biene demſelben beybringt, einen ſchiefen Winkel, aus welcher die Oberflaͤche der Fluͤgel einer Windmuͤhle mit der Direktion des Windes einen ſchiefen Winkel macht. Und um ein noch mehr paſſendes Beyſpiel anzufuͤhren, welches ſich zugleich auf die ge- kruͤmmte Baſis des Griffels bezieht, ſo ſtelle man ſich vor, da der Griffel einige Aehnlichkeit mit einer Kruͤcke hat, es haͤtte ſich Jemand eine Kruͤcke ganz genau nach dem Modell dieſes Griffels machen laſſen. Schon bey dem erſten Verſuch, den er mit der- ſelben anſtellen wuͤrde, wuͤrde ihn ſein Einfall gereuen. Denn die Kruͤcke wuͤrde, indem er ſich auf dieſelbe ſtuͤtzte, ausweichen, und er wuͤrde fallen. — Endlich warum liegt der haͤutige Anſatz des oberſten Filaments zum Theil auf den Anſaͤtzen der beiden mittelſten, Fig. 9., und warum nicht dieſe, oder einer von die- ſen auf jenem? A. Damit er deſto leichter von der Biene

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [208]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/208>, abgerufen am 21.11.2024.