Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.[Spaltenumbruch]
Viola. deren welk gewordene und nicht mehr dicht zusammenschließendeStaubgefäße das Mehl hatten herausfallen lassen. Ungefähr 14 Tage nach dem Ende der Blühezeit nahm ich die Gaze weg, besahe die Blumen, und fand daß nicht eine einzige einen ver- grösserten Fruchtknoten oder eine junge Samenkapsel hatte, da doch die meisten von den übrigen in meinem Garten stehenden Blumen mit schon ziemlich erwachsenen Kapseln versehen waren. Diese Erfahrung ist ein unumstößlicher Beweis der Gewißheit meiner Entdeckung. Linne hat die sehr kleinen Nägel, vermittelst deren die Fi- Viola tricolor. Stiefmütterchen. Dreyfaltigkeitsblume. 20. Die vergrösserte Blume in natürlicher Stellung, von 10. Dieselbe, von der Seite im Durchschnitt gesehen. Die Viola. 12. Das Pistill. Ueber dem Stigma ist das Stigma, 15. Das in Fig. 20. linker Hand befindliche mittelste Kro- 16. Das unterste mit dem Horn versehene Kronenblatt, 1--3. In Ansehung der Saftdrüsen, des Safthalters und In Fig. 15. sieht man, daß der haarichte Streif des mit- 4. In derjenigen Varietät, welche in Fig. 20. abgezeich- 5. Fig. 12. zeiget, daß der Griffel zwar in Ansehung sei- sieht
[Spaltenumbruch]
Viola. deren welk gewordene und nicht mehr dicht zuſammenſchließendeStaubgefaͤße das Mehl hatten herausfallen laſſen. Ungefaͤhr 14 Tage nach dem Ende der Bluͤhezeit nahm ich die Gaze weg, beſahe die Blumen, und fand daß nicht eine einzige einen ver- groͤſſerten Fruchtknoten oder eine junge Samenkapſel hatte, da doch die meiſten von den uͤbrigen in meinem Garten ſtehenden Blumen mit ſchon ziemlich erwachſenen Kapſeln verſehen waren. Dieſe Erfahrung iſt ein unumſtoͤßlicher Beweis der Gewißheit meiner Entdeckung. Linné hat die ſehr kleinen Naͤgel, vermittelſt deren die Fi- Viola tricolor. Stiefmuͤtterchen. Dreyfaltigkeitsblume. 20. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von 10. Dieſelbe, von der Seite im Durchſchnitt geſehen. Die Viola. 12. Das Piſtill. Ueber dem Stigma iſt das Stigma, 15. Das in Fig. 20. linker Hand befindliche mittelſte Kro- 16. Das unterſte mit dem Horn verſehene Kronenblatt, 1—3. In Anſehung der Saftdruͤſen, des Safthalters und In Fig. 15. ſieht man, daß der haarichte Streif des mit- 4. In derjenigen Varietaͤt, welche in Fig. 20. abgezeich- 5. Fig. 12. zeiget, daß der Griffel zwar in Anſehung ſei- ſieht
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Wichtiger aber iſt <hi rendition="#g">Pollichs</hi> Irrthum, welcher die<lb/> Naͤgel der Filamente uͤberſehen, die Filamente und die Antheren<lb/> fuͤr die Filamente, die haͤutigen Anſaͤtze der Filamente aber fuͤr<lb/> die Antheren gehalten hat. Er hat zwar die Antheren geſehen,<lb/> aber nicht dafuͤr gehalten. Denn von der <hi rendition="#aq">Viola hirta</hi> ſagt er,<lb/> die Filamente haͤtten auf ihrer inneren Seite Furchen, und<lb/> von der <hi rendition="#aq">Viola odorata,</hi> die Filamente beſtaͤnden aus zwey<lb/> Kammern. Jene Furchen aber und dieſe Kammern ſind die<lb/> Antheren. Was ihn irre gefuͤhrt hat, iſt die oben angezeigte<lb/> ungewoͤhnliche Beſchaffenheit des Staubes. 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Denn da gewoͤhnlich die Filamente die Antheren<lb/> auf ihrer Spitze tragen, ſo meinte er, daß es hier auch ſo<lb/> ſey, und bedachte nicht, daß die Natur ihre wichtige Urſachen<lb/> gehabt haben koͤnne, hier von ihrer Gewohnheit abzugehen,<lb/> und die Antheren nicht an das Ende, ſondern an die Seite<lb/> der Filamente der Laͤnge nach anzufuͤgen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Viola tricolor.</hi></hi> Stiefmuͤtterchen. Dreyfaltigkeitsblume.<lb/><hi rendition="#aq">Tab. XXI.</hi> 10. 12. 15. 16. 20.</p><lb/> <p>20. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von<lb/> vorne geſehen.</p><lb/> <p>10. Dieſelbe, von der Seite im Durchſchnitt geſehen. Die<lb/> haͤutigen gelben Anſaͤtze der Staubgefaͤße ſind hier auch punktirt.</p><lb/> <cb n="396"/><lb/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">Viola.</hi> </fw><lb/> <p>12. Das Piſtill. Ueber dem Stigma iſt das Stigma,<lb/> von unten geſehen, abgebildet.</p><lb/> <p>15. 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Viola.
Viola.
deren welk gewordene und nicht mehr dicht zuſammenſchließende
Staubgefaͤße das Mehl hatten herausfallen laſſen. Ungefaͤhr
14 Tage nach dem Ende der Bluͤhezeit nahm ich die Gaze weg,
beſahe die Blumen, und fand daß nicht eine einzige einen ver-
groͤſſerten Fruchtknoten oder eine junge Samenkapſel hatte, da
doch die meiſten von den uͤbrigen in meinem Garten ſtehenden
Blumen mit ſchon ziemlich erwachſenen Kapſeln verſehen waren.
Dieſe Erfahrung iſt ein unumſtoͤßlicher Beweis der Gewißheit
meiner Entdeckung.
Linné hat die ſehr kleinen Naͤgel, vermittelſt deren die Fi-
lamente an den Boden angewachſen ſind, und welche man in
Fig. 1. und 17. bey a ſiehet, Filamente, und was ich Filamente
und Antheren nenne, Antheren genannt. Doch dies iſt eine Klei-
nigkeit. Wichtiger aber iſt Pollichs Irrthum, welcher die
Naͤgel der Filamente uͤberſehen, die Filamente und die Antheren
fuͤr die Filamente, die haͤutigen Anſaͤtze der Filamente aber fuͤr
die Antheren gehalten hat. Er hat zwar die Antheren geſehen,
aber nicht dafuͤr gehalten. Denn von der Viola hirta ſagt er,
die Filamente haͤtten auf ihrer inneren Seite Furchen, und
von der Viola odorata, die Filamente beſtaͤnden aus zwey
Kammern. Jene Furchen aber und dieſe Kammern ſind die
Antheren. Was ihn irre gefuͤhrt hat, iſt die oben angezeigte
ungewoͤhnliche Beſchaffenheit des Staubes. Denn wenn er
die Antheren beſahe, ſo fand er keinen Staub an denſelben,
weil derſelbe ſchon in den unterſten Theil des Trichters herab-
gefallen war, oder gar, wenn die Blume von einer Biene
ſchon einen Beſuch erhalten hatte, nicht mehr vorhanden war.
Er glarbte alſo, daß dieſe Furchen oder Kammern zu den Fi-
lamenten gehoͤren, und weil die Filamente gewoͤhnlich die An-
theren auf ihrer Spitze zu tragen pflegen, ſo hielt er die haͤu-
tigen Anſaͤtze der Filamente fuͤr die Antheren, ob ſie gleich
nicht einmal das Anſehen von Antheren haben. Dieſes kam
daher, daß er glaubte, die Natur ſchneide alles nach Einem
Leiſten zu. Denn da gewoͤhnlich die Filamente die Antheren
auf ihrer Spitze tragen, ſo meinte er, daß es hier auch ſo
ſey, und bedachte nicht, daß die Natur ihre wichtige Urſachen
gehabt haben koͤnne, hier von ihrer Gewohnheit abzugehen,
und die Antheren nicht an das Ende, ſondern an die Seite
der Filamente der Laͤnge nach anzufuͤgen.
Viola tricolor. Stiefmuͤtterchen. Dreyfaltigkeitsblume.
Tab. XXI. 10. 12. 15. 16. 20.
20. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
10. Dieſelbe, von der Seite im Durchſchnitt geſehen. Die
haͤutigen gelben Anſaͤtze der Staubgefaͤße ſind hier auch punktirt.
12. Das Piſtill. Ueber dem Stigma iſt das Stigma,
von unten geſehen, abgebildet.
15. Das in Fig. 20. linker Hand befindliche mittelſte Kro-
nenblatt, von der Seite geſehen.
16. Das unterſte mit dem Horn verſehene Kronenblatt,
von vorne geſehen.
1—3. In Anſehung der Saftdruͤſen, des Safthalters und
der Saftdecke hat dieſe Art mit der vorhergehenden eine gleiche
Einrichtung. Die Haare der mittelſten Kronenblaͤtter ſieht man
in Fig. 20. und noch deutlicher in Fig. 10. und 15. Außer-
dem aber hat auch das unterſte Kronenblatt zwey Reihen von
Haaren. Dieſe fangen ſich unmittelbar hinter der Stelle an,
wo das Stigma auf dieſem Kronenblatt anliegt. Dies ſieht
man in Fig. 16., wo das Kreuz dieſe Stelle andeutet.
In Fig. 15. ſieht man, daß der haarichte Streif des mit-
telſten Kronenblatts ſich nicht bis an den unteren Rand deſ-
ſelben, wohl aber bis an den oberen erſtreckt, und daß dieſer
obere Rand ſelbſt mit Haaren beſetzt iſt. Vergleicht man hier-
mit Fig. 20., ſo ſieht man die Urſache davon ein. So wie
das unterſte Kronenblatt vor dem Eingang in das Horn oder
vor dem Stigma kahl iſt, ſo mußten es auch die beiden mit-
telſten unterwaͤrts ſeyn, damit der Eingang den Inſekten nicht
geſperrt wuͤrde. Weiter hinauf aber und am oberen Rande
mußten ſie des Regens wegen haaricht ſeyn, und zwar letzte-
res, weil die oberſten Kronenblaͤtter in einiger Entfernung hin-
ter den mittelſten ſtehen, folglich zwiſchen die oberen Raͤnder
der letzteren, wenn dieſelben nicht mit Haaren beſetzt waͤren,
leicht ein Regentropfen hindurchdringen koͤnnte.
4. In derjenigen Varietaͤt, welche in Fig. 20. abgezeich-
net iſt, und zwar ſo, daß der Unterſchied ihrer Farben ange-
deutet iſt, ſind die beiden oberſten Kronenblaͤtter purpurfarben,
die beiden mittelſten violett, und das unterſte am Rande vio-
lett, in der Mitte aber blaßgelb. Die beiden mittelſten ſind
unmittelbar vor ihrem haarichten Streif mit einigen ſchwarzen
Linien geziert, das unterſte aber iſt vor dem Eingange in das
Horn gelb (dieſe Farbe iſt in der Figur punktirt) und mit meh-
reren und laͤngeren ſchwarzen Linien geziert. Das Saftmaal
iſt alſo auf den drey unterſten Kronenblaͤttern angebracht, weil
dieſe eigentlich den Eingang in den Safthalter bilden.
5. Fig. 12. zeiget, daß der Griffel zwar in Anſehung ſei-
ner Baſis dem Griffel der erſten Art aͤhnlich, in Anſehung
des Stigma aber von demſelben ganz verſchieden iſt. Außer
der Geſtalt unterſcheidet ſich das Stigma auch dadurch, daß
es auf dem unterſten Kronenblatt anliegt, da in der vorherge-
henden Art jenes von dieſem ziemlich weit entfernt iſt. Dies
ſieht
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