Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.[Spaltenumbruch]
Einleitung. Espe, der Else Zweige ab, welche mit noch nicht blühenden, abervom Blühen nicht mehr weit entfernten männlichen Kätzchen ver- sehen sind, folglich von ihrem Staube noch nichts verloren ha- ben. Stellt man dieselben in einem mit Wasser angefüllten Gefäße auf ein Fenster, durch welches die Mittagssonne scheint, so wird man nach einigen Tagen finden, daß die Kätzchen sich verlängert, und die Antheren sich geöffnet haben. Bläset man alsdenn auf diese Zweige, so wird sich eine große Staubwolke zeigen. War- tet man aber, ohne diesen Versuch zu machen, noch einige Tage, bis alle Antheren sich geöffnet haben, und bläset alsdenn: so wird man allen Staub rein wegblasen, und wenn man nach einigen Tagen diesen Versuch wiederholt, wird man keinen Staub mehr gewahr werden. Einen gleichen Erfolg wird man bemerken, wenn man die Zweige schüttelt. Von den Antheren einer Blume von der andern Art hingegen wird man den Staub keinesweges so leicht wegblasen können. Denn derselbe sitzt fester, und gleicht mehr einem Mehl, welches etwas feucht ist, und deswegen eini- germaßen zusammenhängt, als einem trocknen Staube, welchen das geringste Lüstchen wegführt. Man stelle mit einem Zweige des männlichen Wersts (Salix caprea) diesen Versuch an, und man wird finden, daß man weder durch Blasen noch durch Schüt- teln eine solche Staubwolke hervorbringen kann. Man blase die Antheren des Crocus, der Tussilago Farfara, der Cornus ma- scula, des Ornithogalum luteum an, so wird man zwar einzelne Körnchen, aber nicht den ganzen Vorrath des Staubes, in der Gestalt eines eigentlichen Staubes, wegblasen können. Ja selbst bey der Anemone Hepatica und dem Papauer dubium, welche keinen Saft, aber eine Krone haben, wird sich ein gleiches zei- gen. Hieraus und aus andern Umständen, welche ich an seinem Ort anführen werde, schließe ich, daß diese und die ihnen ähnli- chen Blumen von den Bienen befruchtet werden. Daß nun diese verschiedene Beschaffenheit des Staubes sehr zweckmäßig sey, sieht ein jeder von selbst ein. Das Gegentheil dieser Einrichtung würde die Absichten der Natur gänzlich vereiteln. Denn wenn der Staub der Blumen von der ersten Art fest säße, so würde derselbe nicht vom Winde auf die oftmals sehr weit entfernten Stigmate gefüh- ret werden können; und wenn der Staub der Blumen von der andern Art vom Winde leicht weggewehet werden könnte, so wür- den die Insekten, wenn sie die Blumen besuchten, wenig oder gar keinen Staub abstreifen, und folglich dieselben nicht befruch- ten können. Endlich müssen bey den Blumen von der ersten Art sowohl Einleitung. sehr klein sind, es nur selten geschehen kann, daß sie Staub er-halten. Bey den Blumen von der andern Art hingegen ist weder jenes noch dieses nöthig, sondern es kömmt bey denselben bloß darauf an, daß die Antheren und Stigmate grade an einer sol- chen Stelle sich befinden, daß sie von dem zur Befruchtung der- selben bestimmten Insekt, indem dasselbe hineinkriecht, nothwendig berührt werden müssen, und wenn das Stigma in diesem Fall auch noch so klein ist, so wird es doch jedesmal von dem Insekt bestäubt. Um nun wieder auf die Blumen der Gräser zu kommen, so Was Linne schon bemerkt hat, daß nemlich viele Blumen Blätter
[Spaltenumbruch]
Einleitung. Espe, der Elſe Zweige ab, welche mit noch nicht bluͤhenden, abervom Bluͤhen nicht mehr weit entfernten maͤnnlichen Kaͤtzchen ver- ſehen ſind, folglich von ihrem Staube noch nichts verloren ha- ben. Stellt man dieſelben in einem mit Waſſer angefuͤllten Gefaͤße auf ein Fenſter, durch welches die Mittagsſonne ſcheint, ſo wird man nach einigen Tagen finden, daß die Kaͤtzchen ſich verlaͤngert, und die Antheren ſich geoͤffnet haben. Blaͤſet man alsdenn auf dieſe Zweige, ſo wird ſich eine große Staubwolke zeigen. War- tet man aber, ohne dieſen Verſuch zu machen, noch einige Tage, bis alle Antheren ſich geoͤffnet haben, und blaͤſet alsdenn: ſo wird man allen Staub rein wegblaſen, und wenn man nach einigen Tagen dieſen Verſuch wiederholt, wird man keinen Staub mehr gewahr werden. Einen gleichen Erfolg wird man bemerken, wenn man die Zweige ſchuͤttelt. Von den Antheren einer Blume von der andern Art hingegen wird man den Staub keinesweges ſo leicht wegblaſen koͤnnen. Denn derſelbe ſitzt feſter, und gleicht mehr einem Mehl, welches etwas feucht iſt, und deswegen eini- germaßen zuſammenhaͤngt, als einem trocknen Staube, welchen das geringſte Luͤſtchen wegfuͤhrt. Man ſtelle mit einem Zweige des maͤnnlichen Werſts (Salix caprea) dieſen Verſuch an, und man wird finden, daß man weder durch Blaſen noch durch Schuͤt- teln eine ſolche Staubwolke hervorbringen kann. Man blaſe die Antheren des Crocus, der Tuſſilago Farfara, der Cornus ma- ſcula, des Ornithogalum luteum an, ſo wird man zwar einzelne Koͤrnchen, aber nicht den ganzen Vorrath des Staubes, in der Geſtalt eines eigentlichen Staubes, wegblaſen koͤnnen. Ja ſelbſt bey der Anemone Hepatica und dem Papauer dubium, welche keinen Saft, aber eine Krone haben, wird ſich ein gleiches zei- gen. Hieraus und aus andern Umſtaͤnden, welche ich an ſeinem Ort anfuͤhren werde, ſchließe ich, daß dieſe und die ihnen aͤhnli- chen Blumen von den Bienen befruchtet werden. Daß nun dieſe verſchiedene Beſchaffenheit des Staubes ſehr zweckmaͤßig ſey, ſieht ein jeder von ſelbſt ein. Das Gegentheil dieſer Einrichtung wuͤrde die Abſichten der Natur gaͤnzlich vereiteln. Denn wenn der Staub der Blumen von der erſten Art feſt ſaͤße, ſo wuͤrde derſelbe nicht vom Winde auf die oftmals ſehr weit entfernten Stigmate gefuͤh- ret werden koͤnnen; und wenn der Staub der Blumen von der andern Art vom Winde leicht weggewehet werden koͤnnte, ſo wuͤr- den die Inſekten, wenn ſie die Blumen beſuchten, wenig oder gar keinen Staub abſtreifen, und folglich dieſelben nicht befruch- ten koͤnnen. Endlich muͤſſen bey den Blumen von der erſten Art ſowohl Einleitung. ſehr klein ſind, es nur ſelten geſchehen kann, daß ſie Staub er-halten. Bey den Blumen von der andern Art hingegen iſt weder jenes noch dieſes noͤthig, ſondern es koͤmmt bey denſelben bloß darauf an, daß die Antheren und Stigmate grade an einer ſol- chen Stelle ſich befinden, daß ſie von dem zur Befruchtung der- ſelben beſtimmten Inſekt, indem daſſelbe hineinkriecht, nothwendig beruͤhrt werden muͤſſen, und wenn das Stigma in dieſem Fall auch noch ſo klein iſt, ſo wird es doch jedesmal von dem Inſekt beſtaͤubt. Um nun wieder auf die Blumen der Graͤſer zu kommen, ſo Was Linné ſchon bemerkt hat, daß nemlich viele Blumen Blaͤtter
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="[28]"/><cb n="31"/><lb/> <fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> Espe, der Elſe Zweige ab, welche mit noch nicht bluͤhenden, aber<lb/> vom Bluͤhen nicht mehr weit entfernten maͤnnlichen Kaͤtzchen ver-<lb/> ſehen ſind, folglich von ihrem Staube noch nichts verloren ha-<lb/> ben. Stellt man dieſelben in einem mit Waſſer angefuͤllten Gefaͤße<lb/> auf ein Fenſter, durch welches die Mittagsſonne ſcheint, ſo wird<lb/> man nach einigen Tagen finden, daß die Kaͤtzchen ſich verlaͤngert,<lb/> und die Antheren ſich geoͤffnet haben. Blaͤſet man alsdenn auf<lb/> dieſe Zweige, ſo wird ſich eine große Staubwolke zeigen. War-<lb/> tet man aber, ohne dieſen Verſuch zu machen, noch einige Tage,<lb/> bis alle Antheren ſich geoͤffnet haben, und blaͤſet alsdenn: ſo wird<lb/> man allen Staub rein wegblaſen, und wenn man nach einigen<lb/> Tagen dieſen Verſuch wiederholt, wird man keinen Staub mehr<lb/> gewahr werden. Einen gleichen Erfolg wird man bemerken, wenn<lb/> man die Zweige ſchuͤttelt. Von den Antheren einer Blume von<lb/> der andern Art hingegen wird man den Staub keinesweges ſo<lb/> leicht wegblaſen koͤnnen. Denn derſelbe ſitzt feſter, und gleicht<lb/> mehr einem Mehl, welches etwas feucht iſt, und deswegen eini-<lb/> germaßen zuſammenhaͤngt, als einem trocknen Staube, welchen<lb/> das geringſte Luͤſtchen wegfuͤhrt. Man ſtelle mit einem Zweige<lb/> des maͤnnlichen Werſts (<hi rendition="#aq">Salix caprea</hi>) dieſen Verſuch an, und<lb/> man wird finden, daß man weder durch Blaſen noch durch Schuͤt-<lb/> teln eine ſolche Staubwolke hervorbringen kann. Man blaſe die<lb/> Antheren des <hi rendition="#aq">Crocus,</hi> der <hi rendition="#aq">Tuſſilago Farfara,</hi> der <hi rendition="#aq">Cornus ma-<lb/> ſcula,</hi> des <hi rendition="#aq">Ornithogalum luteum</hi> an, ſo wird man zwar einzelne<lb/> Koͤrnchen, aber nicht den ganzen Vorrath des Staubes, in der<lb/> Geſtalt eines eigentlichen Staubes, wegblaſen koͤnnen. Ja ſelbſt<lb/> bey der <hi rendition="#aq">Anemone Hepatica</hi> und dem <hi rendition="#aq">Papauer dubium,</hi> welche<lb/> keinen Saft, aber eine Krone haben, wird ſich ein gleiches zei-<lb/> gen. Hieraus und aus andern Umſtaͤnden, welche ich an ſeinem<lb/> Ort anfuͤhren werde, ſchließe ich, daß dieſe und die ihnen aͤhnli-<lb/> chen Blumen von den Bienen befruchtet werden. Daß nun dieſe<lb/> verſchiedene Beſchaffenheit des Staubes ſehr zweckmaͤßig ſey, ſieht<lb/> ein jeder von ſelbſt ein. Das Gegentheil dieſer Einrichtung wuͤrde<lb/> die Abſichten der Natur gaͤnzlich vereiteln. Denn wenn der Staub<lb/> der Blumen von der erſten Art feſt ſaͤße, ſo wuͤrde derſelbe nicht<lb/> vom Winde auf die oftmals ſehr weit entfernten Stigmate gefuͤh-<lb/> ret werden koͤnnen; und wenn der Staub der Blumen von der<lb/> andern Art vom Winde leicht weggewehet werden koͤnnte, ſo wuͤr-<lb/> den die Inſekten, wenn ſie die Blumen beſuchten, wenig oder<lb/> gar keinen Staub abſtreifen, und folglich dieſelben nicht befruch-<lb/> ten koͤnnen.</p><lb/> <p>Endlich muͤſſen bey den Blumen von der erſten Art ſowohl<lb/> die Antheren, als die Stigmate frey an der Luft liegen, damit<lb/> der Wind den Staub von jenen auf dieſe fuͤhren koͤnne, und die<lb/> Stigmate muͤſſen von anſehnlicher Groͤße ſeyn, weil, wenn ſie<lb/><cb n="32"/><lb/> <fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> ſehr klein ſind, es nur ſelten geſchehen kann, daß ſie Staub er-<lb/> halten. Bey den Blumen von der andern Art hingegen iſt weder<lb/> jenes noch dieſes noͤthig, ſondern es koͤmmt bey denſelben bloß<lb/> darauf an, daß die Antheren und Stigmate grade an einer ſol-<lb/> chen Stelle ſich befinden, daß ſie von dem zur Befruchtung der-<lb/> ſelben beſtimmten Inſekt, indem daſſelbe hineinkriecht, nothwendig<lb/> beruͤhrt werden muͤſſen, und wenn das Stigma in dieſem Fall<lb/> auch noch ſo klein iſt, ſo wird es doch jedesmal von dem Inſekt<lb/> beſtaͤubt.</p><lb/> <p>Um nun wieder auf die Blumen der Graͤſer zu kommen, ſo<lb/> beweiſe ich, daß ſie nicht von Inſekten, ſondern vom Winde be-<lb/> fruchtet werden, erſtens aus der Menge des Staubes, welchen<lb/> ſie bereiten, zweitens aus der Fluͤchtigkeit deſſelben. Wenn man<lb/> z. B. bey ſchoͤnem und zugleich windſtillem Wetter die bluͤhende<lb/> Rispe der <hi rendition="#aq">Dactylis glomerata</hi> klopfet oder anblaͤſet, ſo bringt<lb/> man eine Staubwolke hervor, welche in die Luft verfliegt. Drit-<lb/> tens daraus, daß die Filamente ſehr lang und duͤnne ſind, ſo daß<lb/> die Antheren in einer ziemlichen Entfernung unter den Blumen<lb/> hangen. Dieſes dient offenbar dazu, daß der Wind die Antheren<lb/> deſto beſſer ſchuͤtteln, und ihren Staub abwehen koͤnne. Vier-<lb/> tens aus der anſehnlichen Groͤße und der Geſtalt der Stigmate,<lb/> vermoͤge welcher dieſelben im Stande ſind, viele vom Winde auf<lb/> ſie hingewehete Staubtheilchen zu empfangen. Endlich fuͤnftens<lb/> daraus, daß ich keine Inſekten auf dieſen Blumen angetroffen<lb/> habe. Die Blumen der Graͤſer halten alſo das Mittel zwiſchen<lb/> den Blumen der Riedgraͤſer und aͤhnlicher Pflanzen und den<lb/> Saftblumen. Jenen ſind ſie darin aͤhnlich, daß ſie vom Winde<lb/> befruchtet werden, unaͤhnlich aber darin, daß ſie Saft haben.<lb/> Mit dieſen kommen ſie im letzten Stuͤck uͤberein, unterſcheiden<lb/> ſich aber von denſelben in Anſehung des erſten. Wozu dienet<lb/> aber ihr Saft? Dieſe Frage bin ich nicht im Stande zu beant-<lb/> worten.</p><lb/> <p>Was <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi> ſchon bemerkt hat, daß nemlich viele Blumen<lb/> deswegen eher zum Vorſchein kommen, als die Blaͤtter, damit<lb/> der Wind von den letztern nicht verhindert werde, den Staub<lb/> fortzufuͤhren, gilt bloß von Blumen von der erſten Art, als z. B.<lb/> von den Bluͤthen der Ulme, der Pappeln, des Haſelſtrauchs ꝛc.<lb/> Die Blaͤtter der Fichtenarten koͤnnen die Befruchtung durch den<lb/> Wind nicht ſonderlich verhindern, da ſie ſehr ſchmal und glatt<lb/> ſind. Bey der europaͤiſchen Linde hingegen wuͤrden die Blaͤtter<lb/> dieſes allerdings thun. Schon hieraus laͤßt ſich vermuthen, daß<lb/> ihre Blumen Saftblumen ſind, und von Inſekten befruchtet wer-<lb/> den. Zu dieſer Bemerkung <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi>’s fuͤge ich noch dieſes hinzu,<lb/> daß dergleichen Baͤume nicht nur eher bluͤhen muͤſſen, als ſie ſelbſt<lb/> Blaͤtter haben, ſondern auch eher, als die Baͤume uͤberhaupt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Blaͤtter</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[28]/0028]
Einleitung.
Einleitung.
Espe, der Elſe Zweige ab, welche mit noch nicht bluͤhenden, aber
vom Bluͤhen nicht mehr weit entfernten maͤnnlichen Kaͤtzchen ver-
ſehen ſind, folglich von ihrem Staube noch nichts verloren ha-
ben. Stellt man dieſelben in einem mit Waſſer angefuͤllten Gefaͤße
auf ein Fenſter, durch welches die Mittagsſonne ſcheint, ſo wird
man nach einigen Tagen finden, daß die Kaͤtzchen ſich verlaͤngert,
und die Antheren ſich geoͤffnet haben. Blaͤſet man alsdenn auf
dieſe Zweige, ſo wird ſich eine große Staubwolke zeigen. War-
tet man aber, ohne dieſen Verſuch zu machen, noch einige Tage,
bis alle Antheren ſich geoͤffnet haben, und blaͤſet alsdenn: ſo wird
man allen Staub rein wegblaſen, und wenn man nach einigen
Tagen dieſen Verſuch wiederholt, wird man keinen Staub mehr
gewahr werden. Einen gleichen Erfolg wird man bemerken, wenn
man die Zweige ſchuͤttelt. Von den Antheren einer Blume von
der andern Art hingegen wird man den Staub keinesweges ſo
leicht wegblaſen koͤnnen. Denn derſelbe ſitzt feſter, und gleicht
mehr einem Mehl, welches etwas feucht iſt, und deswegen eini-
germaßen zuſammenhaͤngt, als einem trocknen Staube, welchen
das geringſte Luͤſtchen wegfuͤhrt. Man ſtelle mit einem Zweige
des maͤnnlichen Werſts (Salix caprea) dieſen Verſuch an, und
man wird finden, daß man weder durch Blaſen noch durch Schuͤt-
teln eine ſolche Staubwolke hervorbringen kann. Man blaſe die
Antheren des Crocus, der Tuſſilago Farfara, der Cornus ma-
ſcula, des Ornithogalum luteum an, ſo wird man zwar einzelne
Koͤrnchen, aber nicht den ganzen Vorrath des Staubes, in der
Geſtalt eines eigentlichen Staubes, wegblaſen koͤnnen. Ja ſelbſt
bey der Anemone Hepatica und dem Papauer dubium, welche
keinen Saft, aber eine Krone haben, wird ſich ein gleiches zei-
gen. Hieraus und aus andern Umſtaͤnden, welche ich an ſeinem
Ort anfuͤhren werde, ſchließe ich, daß dieſe und die ihnen aͤhnli-
chen Blumen von den Bienen befruchtet werden. Daß nun dieſe
verſchiedene Beſchaffenheit des Staubes ſehr zweckmaͤßig ſey, ſieht
ein jeder von ſelbſt ein. Das Gegentheil dieſer Einrichtung wuͤrde
die Abſichten der Natur gaͤnzlich vereiteln. Denn wenn der Staub
der Blumen von der erſten Art feſt ſaͤße, ſo wuͤrde derſelbe nicht
vom Winde auf die oftmals ſehr weit entfernten Stigmate gefuͤh-
ret werden koͤnnen; und wenn der Staub der Blumen von der
andern Art vom Winde leicht weggewehet werden koͤnnte, ſo wuͤr-
den die Inſekten, wenn ſie die Blumen beſuchten, wenig oder
gar keinen Staub abſtreifen, und folglich dieſelben nicht befruch-
ten koͤnnen.
Endlich muͤſſen bey den Blumen von der erſten Art ſowohl
die Antheren, als die Stigmate frey an der Luft liegen, damit
der Wind den Staub von jenen auf dieſe fuͤhren koͤnne, und die
Stigmate muͤſſen von anſehnlicher Groͤße ſeyn, weil, wenn ſie
ſehr klein ſind, es nur ſelten geſchehen kann, daß ſie Staub er-
halten. Bey den Blumen von der andern Art hingegen iſt weder
jenes noch dieſes noͤthig, ſondern es koͤmmt bey denſelben bloß
darauf an, daß die Antheren und Stigmate grade an einer ſol-
chen Stelle ſich befinden, daß ſie von dem zur Befruchtung der-
ſelben beſtimmten Inſekt, indem daſſelbe hineinkriecht, nothwendig
beruͤhrt werden muͤſſen, und wenn das Stigma in dieſem Fall
auch noch ſo klein iſt, ſo wird es doch jedesmal von dem Inſekt
beſtaͤubt.
Um nun wieder auf die Blumen der Graͤſer zu kommen, ſo
beweiſe ich, daß ſie nicht von Inſekten, ſondern vom Winde be-
fruchtet werden, erſtens aus der Menge des Staubes, welchen
ſie bereiten, zweitens aus der Fluͤchtigkeit deſſelben. Wenn man
z. B. bey ſchoͤnem und zugleich windſtillem Wetter die bluͤhende
Rispe der Dactylis glomerata klopfet oder anblaͤſet, ſo bringt
man eine Staubwolke hervor, welche in die Luft verfliegt. Drit-
tens daraus, daß die Filamente ſehr lang und duͤnne ſind, ſo daß
die Antheren in einer ziemlichen Entfernung unter den Blumen
hangen. Dieſes dient offenbar dazu, daß der Wind die Antheren
deſto beſſer ſchuͤtteln, und ihren Staub abwehen koͤnne. Vier-
tens aus der anſehnlichen Groͤße und der Geſtalt der Stigmate,
vermoͤge welcher dieſelben im Stande ſind, viele vom Winde auf
ſie hingewehete Staubtheilchen zu empfangen. Endlich fuͤnftens
daraus, daß ich keine Inſekten auf dieſen Blumen angetroffen
habe. Die Blumen der Graͤſer halten alſo das Mittel zwiſchen
den Blumen der Riedgraͤſer und aͤhnlicher Pflanzen und den
Saftblumen. Jenen ſind ſie darin aͤhnlich, daß ſie vom Winde
befruchtet werden, unaͤhnlich aber darin, daß ſie Saft haben.
Mit dieſen kommen ſie im letzten Stuͤck uͤberein, unterſcheiden
ſich aber von denſelben in Anſehung des erſten. Wozu dienet
aber ihr Saft? Dieſe Frage bin ich nicht im Stande zu beant-
worten.
Was Linné ſchon bemerkt hat, daß nemlich viele Blumen
deswegen eher zum Vorſchein kommen, als die Blaͤtter, damit
der Wind von den letztern nicht verhindert werde, den Staub
fortzufuͤhren, gilt bloß von Blumen von der erſten Art, als z. B.
von den Bluͤthen der Ulme, der Pappeln, des Haſelſtrauchs ꝛc.
Die Blaͤtter der Fichtenarten koͤnnen die Befruchtung durch den
Wind nicht ſonderlich verhindern, da ſie ſehr ſchmal und glatt
ſind. Bey der europaͤiſchen Linde hingegen wuͤrden die Blaͤtter
dieſes allerdings thun. Schon hieraus laͤßt ſich vermuthen, daß
ihre Blumen Saftblumen ſind, und von Inſekten befruchtet wer-
den. Zu dieſer Bemerkung Linné’s fuͤge ich noch dieſes hinzu,
daß dergleichen Baͤume nicht nur eher bluͤhen muͤſſen, als ſie ſelbſt
Blaͤtter haben, ſondern auch eher, als die Baͤume uͤberhaupt
Blaͤtter
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |