Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.[Spaltenumbruch]
Einleitung. oder mit einer gewissen Feuchtigkeit überzogen seyn, indem er esin beiden Fällen verhindert, den Staub aufzunehmen. Indes- sen giebt es doch auch nicht wenig Blumen, in welchen man eine solche Veranstaltung nicht findet, deren Saft aber gegen den Re- gen völlig gesichert ist. Ja es giebt Blumen, deren Stigmate und Staubgefäße eben deswegen dem Regen ausgesetzt sind, da- mit sie die Regentropfen auffangen, und dieselben verhindern, zu dem hinter oder unter ihnen befindlichen Saft zu dringen. Da- hin gehören z. B. verschiedene Malvenblumen. Die Ursache, warum die Natur mehr Sorge für den Saft, als für die Anthe- ren und das Stigma in Ansehung des Regens getragen hat, läßt sich leicht entdecken. Der Saft ist in den Blumen das, was in einer Uhr die Feder ist. Nimmt man den Blumen den Saft, so macht man dadurch alle ihre übrige Theile unnütz, so vernichtet man ihren letzten Endzweck, nemlich die Hervorbringung der Früchte. Ein gleiches erfolgt, wenn Regenwasser sich mit dem Saft vermischt, und denselben verdirbt. Denn die Insekten, welche treffliche Schmecker sind, verschmähen die lose Speise, und lassen die Blumen unbesucht, und folglich unbefruchtet. Wenn also gleich die Antheren und das Stigma einiger solcher Blumen durch den Regen zur Befruchtung untüchtig gemacht worden sind, so erstreckt sich dieser Nachtheil doch nur auf sie, und das Insekt, welches in denselben eine unverdorbene Nahrung gefunden hat, setzt das ihm aufgetragene Befruchtungsgeschäft mit Vergnügen fort, und befördert dieses doch wenigstens wirklich in denjenigen Blumen, welche nichts vom Regen gelitten haben. Wäre aber der Saft durch den Regen verdorben worden, so könnte das In- sekt leicht eine Abneigung gegen die ganze Art bekommen, folg- lich sich zu einer andern wenden, und jene unbefruchtet lassen. Die Natur hat einer jeden Blume eine gewisse Lebensdauer Einleitung. Fruchtknotens erforderlich ist, und wie sie, sobald der Fruchtkno-ten befruchtet ist, die Blume ihres ganzen Schmucks, in welchem sie bis dahin so herrlich prangte, beraubt, weil derselbe nunmehr ein ganz unnützer Staat seyn würde. Die Krone fällt alsdenn entweder ab, oder sie wird, wenn sie sitzen bleibt, welk, unan- sehnlich und ganz unkenntlich. War der Kelch vorher gefärbt, so wird er nun grün, weil die junge Frucht bis zu ihrer Reise nichts weniger als in die Augen fallen soll, damit sie, von keinem Thier bemerkt und beschädigt, fortwachsen und reifen könne. Kölreuter und Medikus wollen an verschiedenen Arten [Spaltenumbruch]
Einleitung. oder mit einer gewiſſen Feuchtigkeit uͤberzogen ſeyn, indem er esin beiden Faͤllen verhindert, den Staub aufzunehmen. Indeſ- ſen giebt es doch auch nicht wenig Blumen, in welchen man eine ſolche Veranſtaltung nicht findet, deren Saft aber gegen den Re- gen voͤllig geſichert iſt. Ja es giebt Blumen, deren Stigmate und Staubgefaͤße eben deswegen dem Regen ausgeſetzt ſind, da- mit ſie die Regentropfen auffangen, und dieſelben verhindern, zu dem hinter oder unter ihnen befindlichen Saft zu dringen. Da- hin gehoͤren z. B. verſchiedene Malvenblumen. Die Urſache, warum die Natur mehr Sorge fuͤr den Saft, als fuͤr die Anthe- ren und das Stigma in Anſehung des Regens getragen hat, laͤßt ſich leicht entdecken. Der Saft iſt in den Blumen das, was in einer Uhr die Feder iſt. Nimmt man den Blumen den Saft, ſo macht man dadurch alle ihre uͤbrige Theile unnuͤtz, ſo vernichtet man ihren letzten Endzweck, nemlich die Hervorbringung der Fruͤchte. Ein gleiches erfolgt, wenn Regenwaſſer ſich mit dem Saft vermiſcht, und denſelben verdirbt. Denn die Inſekten, welche treffliche Schmecker ſind, verſchmaͤhen die loſe Speiſe, und laſſen die Blumen unbeſucht, und folglich unbefruchtet. Wenn alſo gleich die Antheren und das Stigma einiger ſolcher Blumen durch den Regen zur Befruchtung untuͤchtig gemacht worden ſind, ſo erſtreckt ſich dieſer Nachtheil doch nur auf ſie, und das Inſekt, welches in denſelben eine unverdorbene Nahrung gefunden hat, ſetzt das ihm aufgetragene Befruchtungsgeſchaͤft mit Vergnuͤgen fort, und befoͤrdert dieſes doch wenigſtens wirklich in denjenigen Blumen, welche nichts vom Regen gelitten haben. Waͤre aber der Saft durch den Regen verdorben worden, ſo koͤnnte das In- ſekt leicht eine Abneigung gegen die ganze Art bekommen, folg- lich ſich zu einer andern wenden, und jene unbefruchtet laſſen. Die Natur hat einer jeden Blume eine gewiſſe Lebensdauer Einleitung. Fruchtknotens erforderlich iſt, und wie ſie, ſobald der Fruchtkno-ten befruchtet iſt, die Blume ihres ganzen Schmucks, in welchem ſie bis dahin ſo herrlich prangte, beraubt, weil derſelbe nunmehr ein ganz unnuͤtzer Staat ſeyn wuͤrde. Die Krone faͤllt alsdenn entweder ab, oder ſie wird, wenn ſie ſitzen bleibt, welk, unan- ſehnlich und ganz unkenntlich. War der Kelch vorher gefaͤrbt, ſo wird er nun gruͤn, weil die junge Frucht bis zu ihrer Reiſe nichts weniger als in die Augen fallen ſoll, damit ſie, von keinem Thier bemerkt und beſchaͤdigt, fortwachſen und reifen koͤnne. Koͤlreuter und Medikus wollen an verſchiedenen Arten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0030" n="[30]"/><cb n="35"/><lb/> <fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> oder mit einer gewiſſen Feuchtigkeit uͤberzogen ſeyn, indem er es<lb/> in beiden Faͤllen verhindert, den Staub aufzunehmen. 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Denn die Inſekten,<lb/> welche treffliche Schmecker ſind, verſchmaͤhen die loſe Speiſe, und<lb/> laſſen die Blumen unbeſucht, und folglich unbefruchtet. Wenn<lb/> alſo gleich die Antheren und das Stigma einiger ſolcher Blumen<lb/> durch den Regen zur Befruchtung untuͤchtig gemacht worden ſind,<lb/> ſo erſtreckt ſich dieſer Nachtheil doch nur auf ſie, und das Inſekt,<lb/> welches in denſelben eine unverdorbene Nahrung gefunden hat,<lb/> ſetzt das ihm aufgetragene Befruchtungsgeſchaͤft mit Vergnuͤgen<lb/> fort, und befoͤrdert dieſes doch wenigſtens wirklich in denjenigen<lb/> Blumen, welche nichts vom Regen gelitten haben. Waͤre aber<lb/> der Saft durch den Regen verdorben worden, ſo koͤnnte das In-<lb/> ſekt leicht eine Abneigung gegen die ganze Art bekommen, folg-<lb/> lich ſich zu einer andern wenden, und jene unbefruchtet laſſen.</p><lb/> <p>Die Natur hat einer jeden Blume eine gewiſſe Lebensdauer<lb/> beſtimmt, dieſer eine kuͤrzere, eine laͤngere jener. 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Einleitung.
Einleitung.
oder mit einer gewiſſen Feuchtigkeit uͤberzogen ſeyn, indem er es
in beiden Faͤllen verhindert, den Staub aufzunehmen. Indeſ-
ſen giebt es doch auch nicht wenig Blumen, in welchen man eine
ſolche Veranſtaltung nicht findet, deren Saft aber gegen den Re-
gen voͤllig geſichert iſt. Ja es giebt Blumen, deren Stigmate
und Staubgefaͤße eben deswegen dem Regen ausgeſetzt ſind, da-
mit ſie die Regentropfen auffangen, und dieſelben verhindern, zu
dem hinter oder unter ihnen befindlichen Saft zu dringen. Da-
hin gehoͤren z. B. verſchiedene Malvenblumen. Die Urſache,
warum die Natur mehr Sorge fuͤr den Saft, als fuͤr die Anthe-
ren und das Stigma in Anſehung des Regens getragen hat, laͤßt
ſich leicht entdecken. Der Saft iſt in den Blumen das, was in
einer Uhr die Feder iſt. Nimmt man den Blumen den Saft, ſo
macht man dadurch alle ihre uͤbrige Theile unnuͤtz, ſo vernichtet
man ihren letzten Endzweck, nemlich die Hervorbringung der
Fruͤchte. Ein gleiches erfolgt, wenn Regenwaſſer ſich mit dem
Saft vermiſcht, und denſelben verdirbt. Denn die Inſekten,
welche treffliche Schmecker ſind, verſchmaͤhen die loſe Speiſe, und
laſſen die Blumen unbeſucht, und folglich unbefruchtet. Wenn
alſo gleich die Antheren und das Stigma einiger ſolcher Blumen
durch den Regen zur Befruchtung untuͤchtig gemacht worden ſind,
ſo erſtreckt ſich dieſer Nachtheil doch nur auf ſie, und das Inſekt,
welches in denſelben eine unverdorbene Nahrung gefunden hat,
ſetzt das ihm aufgetragene Befruchtungsgeſchaͤft mit Vergnuͤgen
fort, und befoͤrdert dieſes doch wenigſtens wirklich in denjenigen
Blumen, welche nichts vom Regen gelitten haben. Waͤre aber
der Saft durch den Regen verdorben worden, ſo koͤnnte das In-
ſekt leicht eine Abneigung gegen die ganze Art bekommen, folg-
lich ſich zu einer andern wenden, und jene unbefruchtet laſſen.
Die Natur hat einer jeden Blume eine gewiſſe Lebensdauer
beſtimmt, dieſer eine kuͤrzere, eine laͤngere jener. Manche bluͤhen
nur Einen Tag, als Hemerocallis fulua, andere mehrere Tage.
Diejenige, welche nach meinen bisherigen Beobachtungen am
laͤngſten bluͤhet, iſt Vaccinium Oxycoccos, denn ſie bluͤhet acht-
zehn Tage lang. Auf die Dauer der Bluͤhezeit muß man ſehr auf-
merkſam ſeyn. Daß ich mich in meiner erſten Vorſtellung von
der Art, wie Nigella aruenſis von den Bienen befruchtet wird,
geirrt hatte, haͤtte mich ſchon der Umſtand lehren ſollen, daß dieſe
Blume, nachdem dieſe vermeintliche Befruchtung vollzogen wor-
den, noch eine geraume Zeit zu bluͤhen fortfaͤhrt, und dann erſt
die Kronenblaͤtter, die Staubgefaͤße und die Saftmaſchinen ver-
liert. Ich uͤberſah aber damals dieſen Umſtand. Ich ſah noch
nicht ein, wie die Natur, immer nur ihren Hauptendzweck, nem-
lich die Hervorbringung der Frucht, vor Augen habend, eine jede
Blume grade ſo lange vegetiren laͤßt, als zur Befruchtung des
Fruchtknotens erforderlich iſt, und wie ſie, ſobald der Fruchtkno-
ten befruchtet iſt, die Blume ihres ganzen Schmucks, in welchem
ſie bis dahin ſo herrlich prangte, beraubt, weil derſelbe nunmehr
ein ganz unnuͤtzer Staat ſeyn wuͤrde. Die Krone faͤllt alsdenn
entweder ab, oder ſie wird, wenn ſie ſitzen bleibt, welk, unan-
ſehnlich und ganz unkenntlich. War der Kelch vorher gefaͤrbt, ſo
wird er nun gruͤn, weil die junge Frucht bis zu ihrer Reiſe nichts
weniger als in die Augen fallen ſoll, damit ſie, von keinem Thier
bemerkt und beſchaͤdigt, fortwachſen und reifen koͤnne.
Koͤlreuter und Medikus wollen an verſchiedenen Arten
der Scrophularia beobachtet haben, daß die Staubgefaͤße, welche
anfangs in einer zirkelfoͤrmigen Kruͤmmung im Grunde der Krone
liegen, und ſich in der Folge eins nach dem andern grade ſtrecken,
ihre alsdenn reife Antheren auf das Stigma legen, daß folglich
die Blumen auf diejenige mechaniſche Art befruchtet werden, von
welcher ich oben geſagt habe, daß man das Daſeyn derſelben aus
unrichtigen Beobachtungen hat folgern wollen. Waͤren nun dieſe
Maͤnner auf die Dauer der Bluͤhezeit dieſer Blumen aufmerkſam
geweſen, ſo wuͤrden ſie nicht nur gefunden haben, daß ſie ſich
bey dieſer Beobachtung geirrt haͤtten, ſondern ſie wuͤrden auch die
Dichogamie leicht haben entdecken koͤnnen. Sie wuͤrden nemlich
bemerkt haben, daß dieſe Blumen ungefaͤhr zwey Tage lang bluͤ-
hen, ehe eine Anthere zum Vorſchein koͤmmt. Haͤtten ſie nun
alſo geurtheilt: Die Natur kann unmoͤglich dieſe Zeit hindurch die
Blumen vergebens bluͤhen laſſen: ſo wuͤrden ſie leicht bemerkt ha-
ben, daß das Stigma in den beiden erſten Tagen bluͤhet, daß
folglich dieſe Zwitterblumen waͤhrend dieſer Zeit weibliche Blumen
ſind. Sie wuͤrden ferner gefunden haben, daß die erſte Anthere
nicht eher zum Vorſchein koͤmmt, als nachdem der oberſte Theil
des Griffels nebſt dem Stigma verwelkt iſt, und ſich niederwaͤrts
gekruͤmmt hat, daß folglich dieſe Zwitterblumen, ſo lange die An-
theren bluͤhen, welches auch ungefaͤhr zwey Tage dauert, maͤnn-
liche Blumen ſind, und die Befruchtung keinesweges waͤhrend
dieſer Zeit von den nach und nach zum Vorſchein kommenden An-
theren geſchehen kann, ſondern ſchon vorher, da die Antheren
noch im Grunde der Blume ſteckten, geſchehen ſeyn muß. Aus
dem allen haͤtte ſich nun der Schluß von ſelbſt ergeben, daß dieſe
Blumen nicht im Stande ſind, ſich mit ihrem eigenen Staube zu
befruchten, folglich ihre Befruchtung ſchlechterdings nicht anders
als ſo geſchehen koͤnne, daß Inſekten den Staub der aͤlteren Blu-
men auf das Stigma der juͤngeren ſchleppen. Haͤtten ſie nun,
um die Richtigkeit dieſes Schluſſes durch die Erfahrung beſtaͤtigt
zu ſehen, die Blumen bey ſchoͤnem Wetter oͤfters beobachtet, ſo
wuͤrden ſie gefunden haben, daß Wespen und andere Inſekten
dieſelben beſuchen, und daß dieſe nicht des Safts theilhaftig werden
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