Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.[Spaltenumbruch]
Einleitung. möglichen Entdeckungen eben so reiches Feld vor sich, als dasjenigeist, auf welchem der Blumenforscher umherschweift. Jenes ist mir noch sehr unbekannt; da aber beide zusammengränzen, so bin ich natürlicherweise zuweilen veranlaßt worden, aus diesem in je- nes hinüber zu gehen. Die wenigen Bemerkungen, welche ich dort gesammelt habe, und welche sich nur auf Eine Art von Früch- ten beziehen, will ich der weiteren Prüfung des Lesers über- lassen. So wie die Blumen entweder auf eine mechanische Art, oder Einleitung. Die Natur hat sich hiebey verschiedener Mittel bedient. Um eben diesen Endzweck zu erreichen, hat die Natur derglei- [Spaltenumbruch]
Einleitung. moͤglichen Entdeckungen eben ſo reiches Feld vor ſich, als dasjenigeiſt, auf welchem der Blumenforſcher umherſchweift. Jenes iſt mir noch ſehr unbekannt; da aber beide zuſammengraͤnzen, ſo bin ich natuͤrlicherweiſe zuweilen veranlaßt worden, aus dieſem in je- nes hinuͤber zu gehen. Die wenigen Bemerkungen, welche ich dort geſammelt habe, und welche ſich nur auf Eine Art von Fruͤch- ten beziehen, will ich der weiteren Pruͤfung des Leſers uͤber- laſſen. So wie die Blumen entweder auf eine mechaniſche Art, oder Einleitung. Die Natur hat ſich hiebey verſchiedener Mittel bedient. Um eben dieſen Endzweck zu erreichen, hat die Natur derglei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0035" n="[35]"/><cb n="45"/><lb/> <fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> moͤglichen Entdeckungen eben ſo reiches Feld vor ſich, als dasjenige<lb/> iſt, auf welchem der Blumenforſcher umherſchweift. Jenes iſt<lb/> mir noch ſehr unbekannt; da aber beide zuſammengraͤnzen, ſo bin<lb/> ich natuͤrlicherweiſe zuweilen veranlaßt worden, aus dieſem in je-<lb/> nes hinuͤber zu gehen. Die wenigen Bemerkungen, welche ich<lb/> dort geſammelt habe, und welche ſich nur auf Eine Art von Fruͤch-<lb/> ten beziehen, will ich der weiteren Pruͤfung des Leſers uͤber-<lb/> laſſen.</p><lb/> <p>So wie die Blumen entweder auf eine mechaniſche Art, oder<lb/> durch die Inſekten befruchtet werden, ſo werden auch die in den<lb/> Fruͤchten enthaltenen Pflanzenkeime, welche man Samen nennet,<lb/> entweder auf eine mechaniſche Art, oder von Thieren in den muͤt-<lb/> terlichen Schooß der Erde gebracht. Und ſo wie diejenigen Blu-<lb/> men, welche von den Inſekten befruchtet werden, mehrentheils<lb/> etwas genießbares, nemlich den Saft, in ſich enthalten, durch<lb/> welches gelockt, die Inſekten jenes Geſchaͤfte verrichten: ſo haben<lb/> auch die Fruͤchte, deren Samen von Thieren auf den Erdboden<lb/> ausgeſaͤet werden, zu dieſem Endzweck etwas genießbares an ſich,<lb/> nemlich das Fleiſch. Verſchiedene Arten von Voͤgeln verzehren<lb/> verſchiedene Arten von Beeren, und verdauen zwar das Fleiſch<lb/> derſelben, aber nicht ihre Samenkoͤrner, ſondern geben dieſe un-<lb/> verdaut und unbeſchaͤdigt wieder von ſich. Da unterdeſſen aber<lb/> eine geraume Zeit verfloſſen iſt, und ſie ſich folglich an einem von<lb/> derjenigen Pflanze, welche ihnen die Beeren lieferte, entfernten<lb/> Ort befinden: ſo befoͤrdern ſie dadurch die Abſicht der Natur,<lb/> welche dahin geht, daß die Samenkoͤrner in weiten Entfernungen<lb/> von der Mutterpflanze ausgeſaͤet werden ſollen. In dem Koth,<lb/> worin die Samenkoͤrner ſich befinden, finden dieſelben zugleich,<lb/> wann ſie hervorkeimen, ihre erſte Nahrung. So wie endlich die<lb/> mehreſten ſaftleeren Blumen ſehr unanſehnlich ſind, die Saftblu-<lb/> men hingegen durch ihre gefaͤrbte Krone ſich bemerkbar machen:<lb/> eben ſo ſind die Fruͤchte, deren Samenkoͤrner auf eine mechaniſche<lb/> Art auf den Erdboden gebracht werden, unanſehnlich und unge-<lb/> faͤrbt, diejenigen hingegen, welche durch den Leib der Thiere wan-<lb/> dern ſollen, um auf den Erdboden verſtreut zu werden, ſind an-<lb/> ſehnlich und gefaͤrbt, damit die Thiere ſie von weitem bemerken,<lb/> und, durch ihr einladendes Anſehen gereizt, ſie verzehren. Meine<lb/> in der Abhandlung vorkommende Bemerkungen beziehen ſich bloß<lb/> auf die erſte Art von Fruͤchten. Ich beweiſe nemlich, daß dieſel-<lb/> ben ſo eingerichtet ſind, daß die in ihnen befindlichen Samenkoͤr-<lb/> ner ſo weit als moͤglich von der Mutterpflanze entfernt, und auf<lb/> den Erdboden verſtreuer werden, wodurch die Natur ihren großen<lb/> Endzweck erreicht, nemlich die Erhaltung der Arten, und die Ver-<lb/> mehrung der Individuen jeder Art.</p><lb/> <cb n="46"/><lb/> <fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> <p>Die Natur hat ſich hiebey verſchiedener Mittel bedient.<lb/> Manche Samenkoͤrner hat ſie mit einer Haarkrone, andere mit<lb/> einem Fluͤgel verſehen, welche weit groͤſſer, zugleich aber weit leich-<lb/> ter ſind, als der Same, und vermittelſt welcher dieſer vom Winde<lb/> oft meilenweit fortgefuͤhret wird. Andere ſind uͤberall mit Haken<lb/> uͤberzogen, und bleiben an der Wolle der voruͤbergehenden Thiere<lb/> und an den Kleidungsſtuͤcken der Menſchen haͤngen, und werden<lb/> von jenen und dieſen allenthalben verſchleppt. Manche Kapſeln<lb/> ſind elaſtiſch, und werfen, wann ſie, von der Sonnenhitze getrock-<lb/> net, <choice><sic>auſplatzen</sic><corr>aufplatzen</corr></choice>, die in ihnen befindlichen Samenkoͤrner mit großer<lb/> Kraft fort. Andere ſind ſo eingerichtet, daß, wann ſie ſich geoͤff-<lb/> net haben, der Same nicht von ſelbſt herausfallen, ſondern nur<lb/> vom Winde herausgeworfen werden kann, und folglich weit ver-<lb/> ſtreuet wird.</p><lb/> <p>Um eben dieſen Endzweck zu erreichen, hat die Natur derglei-<lb/> chen Pflanzen eine ſo große Fruchtbarkeit in Anſehung der Menge<lb/> der Samenkoͤrner, welche ſie erzeugen, ertheilt, daß ſie in dieſem<lb/> Stuͤck verſchwenderiſch zu ſeyn ſcheint, welches ſie doch keineswe-<lb/> ges iſt. Zu demjenigen, was <hi rendition="#g">Buͤſch</hi> (Encyclopaͤdie S. 95.)<lb/> hieruͤber ſagt, fuͤge ich noch folgendes hinzu: Keinesweges, wie<lb/> er richtig bemerkt, wachet eine beſondere Vorſehung uͤber jeden<lb/> Pflanzenkeim, damit er nicht umkomme; aber auch keinesweges<lb/> bringt der Schoͤpfer durch individuelle Veranſtaltungen einen jeden<lb/> auf eine ſolche Stelle des Erdbodens, welche fuͤr ihn ſchicklich iſt,<lb/> ſondern er uͤberlaͤßt die Ausſaͤung der Samenkoͤrner z. B. dem<lb/> Winde. Dieſer fuͤhret aber die wenigſten grade dahin, wo ſie auf-<lb/> gehen, und ſich in Pflanzen verwandeln koͤnnen. Zum Beiſpiele<lb/> mag <hi rendition="#aq">Chondrilla iuncea</hi> dienen. Dieſe Pflanze koͤmmt bloß auf<lb/> ſchlechtem ſandichten und dabey etwas hohen und trocknen Boden<lb/> fort. Ihre Samen ſind mit einer Haarkrone verſehen, und koͤn-<lb/> nen vom Winde weit fortgefuͤhrt werden. Wird derſelbe ſie nun<lb/> wohl insgeſamt auf einen ſolchen Boden ausſaͤen, welchen ſie ver-<lb/> langen? Wird er nicht den groͤßten Theil derſelben ins Waſſer, in<lb/> Suͤmpfe, auf Wieſen, auf gutes Erdreich, in Waͤlder, in Gaͤrten<lb/> fuͤhren, wo kein einziger aufgehen wird? Und ſelbſt von denjenigen,<lb/> welche der Wind auf einen ihnen angemeſſenen Boden fuͤhrt, mißra-<lb/> then doch die meiſten. Viele fallen auf die kleinen Raſen der Sand-<lb/> graͤſer und anderer Sandpflanzen, kommen alſo nicht einmal in die<lb/> Erde. Viele gehen auf, werden aber von den benachbarten Pflanzen<lb/> erſtickt. Die wenigſten fallen auf eine ſolche Stelle, wo ſie ſich wirk-<lb/> lich in Pflanzen verwandeln koͤnnen. Alſo geraͤth von hundert, ja<lb/> vielleicht von tauſend Samenkoͤrnern ein einziger, und es muß jaͤhr-<lb/> lich eine ſo große Menge von Samen erzeugt werden, damit die Art<lb/> nicht irgend einmal gaͤnzlich ausgehe.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[35]/0035]
Einleitung.
Einleitung.
moͤglichen Entdeckungen eben ſo reiches Feld vor ſich, als dasjenige
iſt, auf welchem der Blumenforſcher umherſchweift. Jenes iſt
mir noch ſehr unbekannt; da aber beide zuſammengraͤnzen, ſo bin
ich natuͤrlicherweiſe zuweilen veranlaßt worden, aus dieſem in je-
nes hinuͤber zu gehen. Die wenigen Bemerkungen, welche ich
dort geſammelt habe, und welche ſich nur auf Eine Art von Fruͤch-
ten beziehen, will ich der weiteren Pruͤfung des Leſers uͤber-
laſſen.
So wie die Blumen entweder auf eine mechaniſche Art, oder
durch die Inſekten befruchtet werden, ſo werden auch die in den
Fruͤchten enthaltenen Pflanzenkeime, welche man Samen nennet,
entweder auf eine mechaniſche Art, oder von Thieren in den muͤt-
terlichen Schooß der Erde gebracht. Und ſo wie diejenigen Blu-
men, welche von den Inſekten befruchtet werden, mehrentheils
etwas genießbares, nemlich den Saft, in ſich enthalten, durch
welches gelockt, die Inſekten jenes Geſchaͤfte verrichten: ſo haben
auch die Fruͤchte, deren Samen von Thieren auf den Erdboden
ausgeſaͤet werden, zu dieſem Endzweck etwas genießbares an ſich,
nemlich das Fleiſch. Verſchiedene Arten von Voͤgeln verzehren
verſchiedene Arten von Beeren, und verdauen zwar das Fleiſch
derſelben, aber nicht ihre Samenkoͤrner, ſondern geben dieſe un-
verdaut und unbeſchaͤdigt wieder von ſich. Da unterdeſſen aber
eine geraume Zeit verfloſſen iſt, und ſie ſich folglich an einem von
derjenigen Pflanze, welche ihnen die Beeren lieferte, entfernten
Ort befinden: ſo befoͤrdern ſie dadurch die Abſicht der Natur,
welche dahin geht, daß die Samenkoͤrner in weiten Entfernungen
von der Mutterpflanze ausgeſaͤet werden ſollen. In dem Koth,
worin die Samenkoͤrner ſich befinden, finden dieſelben zugleich,
wann ſie hervorkeimen, ihre erſte Nahrung. So wie endlich die
mehreſten ſaftleeren Blumen ſehr unanſehnlich ſind, die Saftblu-
men hingegen durch ihre gefaͤrbte Krone ſich bemerkbar machen:
eben ſo ſind die Fruͤchte, deren Samenkoͤrner auf eine mechaniſche
Art auf den Erdboden gebracht werden, unanſehnlich und unge-
faͤrbt, diejenigen hingegen, welche durch den Leib der Thiere wan-
dern ſollen, um auf den Erdboden verſtreut zu werden, ſind an-
ſehnlich und gefaͤrbt, damit die Thiere ſie von weitem bemerken,
und, durch ihr einladendes Anſehen gereizt, ſie verzehren. Meine
in der Abhandlung vorkommende Bemerkungen beziehen ſich bloß
auf die erſte Art von Fruͤchten. Ich beweiſe nemlich, daß dieſel-
ben ſo eingerichtet ſind, daß die in ihnen befindlichen Samenkoͤr-
ner ſo weit als moͤglich von der Mutterpflanze entfernt, und auf
den Erdboden verſtreuer werden, wodurch die Natur ihren großen
Endzweck erreicht, nemlich die Erhaltung der Arten, und die Ver-
mehrung der Individuen jeder Art.
Die Natur hat ſich hiebey verſchiedener Mittel bedient.
Manche Samenkoͤrner hat ſie mit einer Haarkrone, andere mit
einem Fluͤgel verſehen, welche weit groͤſſer, zugleich aber weit leich-
ter ſind, als der Same, und vermittelſt welcher dieſer vom Winde
oft meilenweit fortgefuͤhret wird. Andere ſind uͤberall mit Haken
uͤberzogen, und bleiben an der Wolle der voruͤbergehenden Thiere
und an den Kleidungsſtuͤcken der Menſchen haͤngen, und werden
von jenen und dieſen allenthalben verſchleppt. Manche Kapſeln
ſind elaſtiſch, und werfen, wann ſie, von der Sonnenhitze getrock-
net, aufplatzen, die in ihnen befindlichen Samenkoͤrner mit großer
Kraft fort. Andere ſind ſo eingerichtet, daß, wann ſie ſich geoͤff-
net haben, der Same nicht von ſelbſt herausfallen, ſondern nur
vom Winde herausgeworfen werden kann, und folglich weit ver-
ſtreuet wird.
Um eben dieſen Endzweck zu erreichen, hat die Natur derglei-
chen Pflanzen eine ſo große Fruchtbarkeit in Anſehung der Menge
der Samenkoͤrner, welche ſie erzeugen, ertheilt, daß ſie in dieſem
Stuͤck verſchwenderiſch zu ſeyn ſcheint, welches ſie doch keineswe-
ges iſt. Zu demjenigen, was Buͤſch (Encyclopaͤdie S. 95.)
hieruͤber ſagt, fuͤge ich noch folgendes hinzu: Keinesweges, wie
er richtig bemerkt, wachet eine beſondere Vorſehung uͤber jeden
Pflanzenkeim, damit er nicht umkomme; aber auch keinesweges
bringt der Schoͤpfer durch individuelle Veranſtaltungen einen jeden
auf eine ſolche Stelle des Erdbodens, welche fuͤr ihn ſchicklich iſt,
ſondern er uͤberlaͤßt die Ausſaͤung der Samenkoͤrner z. B. dem
Winde. Dieſer fuͤhret aber die wenigſten grade dahin, wo ſie auf-
gehen, und ſich in Pflanzen verwandeln koͤnnen. Zum Beiſpiele
mag Chondrilla iuncea dienen. Dieſe Pflanze koͤmmt bloß auf
ſchlechtem ſandichten und dabey etwas hohen und trocknen Boden
fort. Ihre Samen ſind mit einer Haarkrone verſehen, und koͤn-
nen vom Winde weit fortgefuͤhrt werden. Wird derſelbe ſie nun
wohl insgeſamt auf einen ſolchen Boden ausſaͤen, welchen ſie ver-
langen? Wird er nicht den groͤßten Theil derſelben ins Waſſer, in
Suͤmpfe, auf Wieſen, auf gutes Erdreich, in Waͤlder, in Gaͤrten
fuͤhren, wo kein einziger aufgehen wird? Und ſelbſt von denjenigen,
welche der Wind auf einen ihnen angemeſſenen Boden fuͤhrt, mißra-
then doch die meiſten. Viele fallen auf die kleinen Raſen der Sand-
graͤſer und anderer Sandpflanzen, kommen alſo nicht einmal in die
Erde. Viele gehen auf, werden aber von den benachbarten Pflanzen
erſtickt. Die wenigſten fallen auf eine ſolche Stelle, wo ſie ſich wirk-
lich in Pflanzen verwandeln koͤnnen. Alſo geraͤth von hundert, ja
vielleicht von tauſend Samenkoͤrnern ein einziger, und es muß jaͤhr-
lich eine ſo große Menge von Samen erzeugt werden, damit die Art
nicht irgend einmal gaͤnzlich ausgehe.
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