Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.[Spaltenumbruch]
Passiflora. Wenn das Insekt die Blume alsdenn besucht, so muß es eben sonothwendig mit seinem Rücken, welchen es in einer jüngeren Blume mit Staub beladen hat, die Stigmate berühren, und dieselben bestäuben. Und auf solche Art wird die ältere Blume von einem Insekt vermittelst des Staubes einer jüngeren be- fruchtet. Die Natur hat also bey der Hervorbringung dieser Blume Da die Blume ein Saftmaal hat, so ist sie eine Tagesblume, Von welchem Insekt sie besucht und befruchtet wird, weiß Die Antheren sind auf solche Art an die Filamente ange- Wenn Jemand fragt, woher denn ich, der ich doch niemals Passiflora. Parnassia. Von der Passiflora suberosa sagt Linne, sie habe keine Parnassia. Parnassia palustris. Leberblume. Tab. IX. 36. 37. Tab. IX. 50. Eine etwas vergrösserte Blume, welche vier 48. Eben diese Blume, noch stärker vergrössert, in natürli- 36. Das mit einem Stigma versehene Pistill einer älteren 37. Dasselbe von oben gesehen. Tab. XI. 12. Die bey trockner Witterung geöffnete Samen- 19. von oben gesehen. L 2
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Paſſiflora. Wenn das Inſekt die Blume alsdenn beſucht, ſo muß es eben ſonothwendig mit ſeinem Ruͤcken, welchen es in einer juͤngeren Blume mit Staub beladen hat, die Stigmate beruͤhren, und dieſelben beſtaͤuben. Und auf ſolche Art wird die aͤltere Blume von einem Inſekt vermittelſt des Staubes einer juͤngeren be- fruchtet. Die Natur hat alſo bey der Hervorbringung dieſer Blume Da die Blume ein Saftmaal hat, ſo iſt ſie eine Tagesblume, Von welchem Inſekt ſie beſucht und befruchtet wird, weiß Die Antheren ſind auf ſolche Art an die Filamente ange- Wenn Jemand fragt, woher denn ich, der ich doch niemals Paſſiflora. Parnaſſia. Von der Paſſiflora ſuberoſa ſagt Linné, ſie habe keine Parnaſſia. Parnaſſia paluſtris. Leberblume. Tab. IX. 36. 37. Tab. IX. 50. Eine etwas vergroͤſſerte Blume, welche vier 48. Eben dieſe Blume, noch ſtaͤrker vergroͤſſert, in natuͤrli- 36. Das mit einem Stigma verſehene Piſtill einer aͤlteren 37. Daſſelbe von oben geſehen. Tab. XI. 12. Die bey trockner Witterung geoͤffnete Samen- 19. von oben geſehen. L 2
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Paſſiflora.
Paſſiflora. Parnaſſia.
Wenn das Inſekt die Blume alsdenn beſucht, ſo muß es eben ſo
nothwendig mit ſeinem Ruͤcken, welchen es in einer juͤngeren
Blume mit Staub beladen hat, die Stigmate beruͤhren, und
dieſelben beſtaͤuben. Und auf ſolche Art wird die aͤltere Blume
von einem Inſekt vermittelſt des Staubes einer juͤngeren be-
fruchtet.
Die Natur hat alſo bey der Hervorbringung dieſer Blume
nicht geſchlummert, ſie hat nicht zwey fremdartige Ganze zu Ei-
nem widerſinnigen Scheinganzen zuſammengeknetet, ſondern ſie
hat ein ſchoͤnes Ganzes hervorgebracht, in welchem nichts fehlt,
und nichts uͤberfluͤſſig iſt, in welchem alles in dem genaueſten Zu-
ſammenhange ſteht, alles ſich auf ihren einzigen großen Endzweck,
die Befruchtung des Fruchtknotens, bezieht, kurz, ein Ganzes,
welches ihr Ehre macht.
Da die Blume ein Saftmaal hat, ſo iſt ſie eine Tagesblume,
und fuͤr ein Tagesinſekt beſtimmt. Eben deswegen ſchließt ſie ſich
des Nachts. Sie bluͤhet zwey Tage, wie ich von einem Gaͤrtner
gehoͤrt habe, und iſt alſo am erſten Tage maͤnnlichen, und am
zweyten weiblichen Geſchlechts.
Von welchem Inſekt ſie beſucht und befruchtet wird, weiß
ich nicht, weil es mir bisher an Gelegenheit gefehlt hat, hieruͤber
Beobachtungen anzuſtellen. Einige ſagen, daß die Pflanze in
unſerm Klima Fruͤchte hervorbringt; andre laͤugnen es. Ich ſelbſt
habe noch nie eine Frucht auf derſelben angetroffen. Wenn ſie
wirklich bey uns unfruchtbar iſt, ſo kann dies nicht anders als ſo
erklaͤrt werden, daß diejenigen, welche ſie zuerſt aus Braſilien,
ihrem Vaterlande, nach Europa gebracht haben, das Inſekt,
welches dort die Blume befruchtet, und bey uns nicht angetrof-
fen wird, mit heruͤber zu bringen, und hier einheimiſch zu ma-
chen, vergeſſen haben. Von der Paſſiflora quadrangularis ſagt
Jacquin, daß die in Wien aus Samen erzielten Pflanzen zwar
alle Jahr Blumen, aber niemals Fruͤchte hervorbringen. Auf
der Paſſiflora foetida aber, welche ein Sommergewaͤchs iſt, habe
ich im botaniſchen Garten zu Berlin Fruͤchte angetroffen.
Die Antheren ſind auf ſolche Art an die Filamente ange-
wachſen, daß ſie ſich herumdrehen laſſen. In Fig. 2. hat Eine
von denſelben eine andere Stellung, als die uͤbrigen, weil ich ſie
etwas herumgedrehet hatte. Dieſer Umſtand traͤgt vermuthlich
zur Befoͤrderung der Befruchtung etwas bey.
Wenn Jemand fragt, woher denn ich, der ich doch niemals
ein Inſekt auf der Blume angetroffen habe, es ſo genau weiß,
daß dieſelbe, und wie ſie von einem Inſekt befruchtet wird: ſo
antworte ich: Aus demjenigen, was ich bey der Nigella aruenſis
entdeckt habe. Wer alſo noch zweifelt, den verweiſe ich auf das-
jenige, was unten von dieſer Blume wird geſagt werden.
Von der Paſſiflora ſuberoſa ſagt Linné, ſie habe keine
Krone. Dies kann ich ſchwerlich glauben. Denn warum ſollte
ſie allein eines ſo weſentlichen Theils, durch welchen ſie ſich den
zu ihrer Befruchtung beſtimmten Inſekten von weitem bemerkbar
macht, beraubt ſeyn? Vielmehr, ſo wie bey den uͤbrigen Arten
der Kelch in Anſehung ſeiner inneren Seite ein Theil der Krone
iſt, ſo iſt er bey dieſer in Anſehung eben derſelben die ganze Krone,
da er auswendig gruͤn, inwendig aber weiß iſt.
Parnaſſia.
Parnaſſia paluſtris. Leberblume. Tab. IX. 36. 37.
48. 50. Tab. XI. 12. 13. 17. 19.
Tab. IX. 50. Eine etwas vergroͤſſerte Blume, welche vier
Tage alt iſt, von oben geſehen. Die Staubgefaͤße 5, 1 und 2
haben ſich, nachdem ſie ihrer Beſtimmung ein Genuͤge gethan,
vom Piſtill entfernt, und ſtehen horizontal, da ſie vorher aufrecht
ſtanden. Ihre Antheren ſind vertrocknet und ohne Staub. Das
Staubgefaͤß 3 befindet ſich in dem Zuſtande, da es ſeiner Beſtim-
mung ein Genuͤge thun kann. Das Filament hat ſich verlaͤngert,
und die Anthere hat ſich uͤber das Piſtill hingelegt, und ihre
oberſte Seite iſt mit Staub bedeckt. Dem Staubgefaͤß 4 endlich
ſteht dieſer Zuſtand noch bevor. Sein Filament iſt noch kurz,
und ſeine Anthere hat ſich noch nicht geoͤffnet. Die zwiſchen dem
1. und 5. Staubgefaͤß befindliche Saftmaſchine iſt weggeſchnitten
worden, damit man das ganze derſelben gegenuͤber ſtehende Kro-
nenblatt ſehen koͤnne.
48. Eben dieſe Blume, noch ſtaͤrker vergroͤſſert, in natuͤrli-
cher Stellung, von der Seite geſehen. Der Kelch, die Krone
und drey Saftmaſchinen ſind weggeſchnitten. Man ſiehet alle
Staubgefaͤße, außer 1, welches hinter dem Piſtill ſteht. Man
ſiehet ferner deutlicher, als in der vorhergehenden Figur, daß die
uͤber dem Piſtill liegende Anthere des Staubgefaͤßes 3 bloß auf
ihrer oberſten Seite ſich geoͤffnet hat, und mit Staub bedeckt iſt,
daß das Filament des 4. Staubgefaͤßes noch ſehr kurz, und ſeine
Anthere noch ſehr groß iſt, und ſich noch nicht geoͤffnet hat, end-
lich daß oben am Piſtill noch nicht die geringſte Spur von einem
Stigma vorhanden iſt.
36. Das mit einem Stigma verſehene Piſtill einer aͤlteren
Blume, deren Staubgefaͤße ſich ſaͤmmtlich vom Piſtill entfernt
haben, von der Seite geſehen.
37. Daſſelbe von oben geſehen.
Tab. XI. 12. Die bey trockner Witterung geoͤffnete Samen-
kapſel, von der Seite, und
19. von oben geſehen.
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