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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Parnassia.
grösser sind, noch etwas höher stehen, als die blühende. Sie
würden also das Insekt verhindern, den Staub der letzteren
rein abzustreifen. Eben dies würden die verblüheten Antheren
thun, wenn sie ihre Stelle behielten. Folglich müssen ihre
Filamente sich entweder wieder verkürzen, oder vom Pistill ent-
fernen. Bey dem Helleborus niger hat die Natur das Er-
stere gewählt, bey der Parnassia das Letztere.

2. Die Antheren folgen im Blühen eine auf die andere.
Jede blühet ungefähr Einen Tag, folglich alle insgesammt we-
nigstens fünf Tage. Wie lange das Stigma blühet, habe ich
nicht ausmitteln können. Wahrscheinlich blühet es eben so
lange, als die Blume noch die Kronenblätter hat. Denn so-
bald das Stigma zu blühen aufhöret, so ist die Krone unnütz,
und fällt ab. Sie bleibt aber nach dem Verblühen der An-
theren noch verschiedene Tage lang sitzen. An drey Blumen,
welche ich ins Wasser gestellt hatte, blieb sie noch sieben Tage
lang sitzen, und fiel alsdenn ab. Eben so lange blühet also
vermuthlich auch das Stigma. Daß das Blühen sowohl der
Antheren, als des Stigma eine so lange Zeit währet, ist nö-
thig. Denn das Insekt, welches zur Befruchtung der Blume
bestimmt ist, kömmt nicht, sobald die Antheren oder das Stig-
ma zu blühen anfangen, wie gerufen angeflogen, um dieses
Geschäft zu übernehmen; sondern ein bloßer Zufall führt es
auf die Blume. Die Ungewißheit nun, welche dieser Zufall
nothwendig mit sich führt, konnte durch nichts anders, als die
lange Dauer der Blühezeit der Antheren und des Stigma er-
setzt werden. Blüheten alle Antheren zugleich, folglich nur
Einen Tag lang, und blühete das Stigma eben so lange: so
würden viele Blumen von dem Insekt keinen Besuch erhalten,
folglich unbefruchtet bleiben. So zweckmäßig nun diese Ein-
richtung ist, wenn man meine Vorstellung von der Befruch-
tung annimmt, eben so unzweckmäßig und widersinnig würde
sie seyn, wenn die Blume, wie man bisher geglaubt hat, auf
eine mechanische Art befruchtet werden sollte. Denn wenn die
Antheren den Staub auf der untersten Seite hätten, und das
Stigma zugleich mit den Antheren blühete: so würde schon
Eine Anthere im Stande seyn, die Befruchtung zu vollenden,
und es würde ungereimt seyn, daß die vier übrigen sich nach
einander über das schon befruchtete Pistill hinlegen, um es
von neuem zu befruchten.

3. Daß die blühende Anthere sich über die Spitze des
Pistills hinlegt, und bloß auf der obersten Seite Staub hat,
und daß erst in der Folge, wann keine Anthere mehr daselbst
vorhanden ist, das Stigma sich zu öffnen und zu blühen an-
fängt, und die Stelle der Antheren einnimmt, und auf der
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Parnassia.
obersten Seite, als welche das eigentliche Stigma ist, den
Staub zu empfangen fähig ist, ist gleichfalls nöthig. Denn
diese Stelle ist grade diejenige, welche das Insekt, indem es
den Saft verzehrt, mit irgend einem Theil seines Körpers ein-
nimmt, mit welchem es folglich im ersten Fall den Staub von
der Anthere abstreifen, und im letzten denselben wieder auf
das Stigma absetzen muß. Befände sich der Staub auf der
untersten Seite der Anthere, so könnte er vom Insekt nicht
abgestreift werden. Und blühete das Stigma zugleich mit der
über ihm befindlichen Anthere, so könnte der auf der obersten
Seite der Anthere befindliche Staub weder von selbst auf das-
selbe fallen, noch von dem Insekt auf dasselbe gebracht werden,
weil die Anthere selbst beides verhindern würde.

Ich glaube nicht, daß mir jemand den Einwurf machen
wird, die Befruchtung lasse sich doch noch als möglich geden-
ken, ohne daß man grade nöthig habe, ein Insekt damit zu
behelligen, so nemlich, daß der Wind den Staub der blühen-
den Anthere der jüngeren Blume auf das Stigma der älteren
führe. Denn 1) ist bey denjenigen Blumen, oder vielmehr
Blüthen, welche vom Winde befruchtet werden sollen, eine
große Menge Staubes nöthig; da aber bey dieser Blume im-
mer nur Eine Anthere blühet, so ist auch nur wenig Staub
vorhanden. 2) Da die Blume eine Zwitterblume ist, so wür-
de, wenn sie durch den Wind befruchtet werden sollte, es weit
zweckmäßiger seyn, daß sie mit ihrem eigenen Staube, als daß
sie mit dem Staube einer andern von ihr entfernten Blume
befruchtet würde. Denn je weiter die Anthere vom Stigma
entfernt ist, desto schwerer ist es auch, daß der Wind den
Staub jener auf dieses führe. Die Natur würde sich also
durch die gemachte Einrichtung die Erreichung ihrer Absicht
erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht haben.

Da die blühende Anthere dem Stigma, wenn dasselbe
schon vorhanden wäre, so nahe als möglich ist, und dennoch
die Befruchtung nicht auf eine mechanische Art geschieht: so
folgt hieraus, daß man überhaupt das nahe Beysammenseyn
des Stigma und der Antheren keinesweges als einen Beweis
ansehen müsse, daß die Befruchtung auf eine mechanische Art
geschehe. So find in der Diadelphia decandria und in der
Didynamia gymnospermia die Antheren dem Stigma sehr
nahe, und oftmals so nahe als möglich; ich werde aber an
seinem Ort beweisen, daß in beiden Ordnungen die Befruch-
tung durch Insekten geschieht. Und so wie in diesem Fall die
Befruchtung nicht auf die Art geschieht, als man dem Anse-
hen nach vermuthen sollte, so geschieht dieselbe wahrscheinlich
eben so wenig auf eine solche Art in dem Fall, wenn das

L 3

[Spaltenumbruch]

Parnaſſia.
groͤſſer ſind, noch etwas hoͤher ſtehen, als die bluͤhende. Sie
wuͤrden alſo das Inſekt verhindern, den Staub der letzteren
rein abzuſtreifen. Eben dies wuͤrden die verbluͤheten Antheren
thun, wenn ſie ihre Stelle behielten. Folglich muͤſſen ihre
Filamente ſich entweder wieder verkuͤrzen, oder vom Piſtill ent-
fernen. Bey dem Helleborus niger hat die Natur das Er-
ſtere gewaͤhlt, bey der Parnaſſia das Letztere.

2. Die Antheren folgen im Bluͤhen eine auf die andere.
Jede bluͤhet ungefaͤhr Einen Tag, folglich alle insgeſammt we-
nigſtens fuͤnf Tage. Wie lange das Stigma bluͤhet, habe ich
nicht ausmitteln koͤnnen. Wahrſcheinlich bluͤhet es eben ſo
lange, als die Blume noch die Kronenblaͤtter hat. Denn ſo-
bald das Stigma zu bluͤhen aufhoͤret, ſo iſt die Krone unnuͤtz,
und faͤllt ab. Sie bleibt aber nach dem Verbluͤhen der An-
theren noch verſchiedene Tage lang ſitzen. An drey Blumen,
welche ich ins Waſſer geſtellt hatte, blieb ſie noch ſieben Tage
lang ſitzen, und fiel alsdenn ab. Eben ſo lange bluͤhet alſo
vermuthlich auch das Stigma. Daß das Bluͤhen ſowohl der
Antheren, als des Stigma eine ſo lange Zeit waͤhret, iſt noͤ-
thig. Denn das Inſekt, welches zur Befruchtung der Blume
beſtimmt iſt, koͤmmt nicht, ſobald die Antheren oder das Stig-
ma zu bluͤhen anfangen, wie gerufen angeflogen, um dieſes
Geſchaͤft zu uͤbernehmen; ſondern ein bloßer Zufall fuͤhrt es
auf die Blume. Die Ungewißheit nun, welche dieſer Zufall
nothwendig mit ſich fuͤhrt, konnte durch nichts anders, als die
lange Dauer der Bluͤhezeit der Antheren und des Stigma er-
ſetzt werden. Bluͤheten alle Antheren zugleich, folglich nur
Einen Tag lang, und bluͤhete das Stigma eben ſo lange: ſo
wuͤrden viele Blumen von dem Inſekt keinen Beſuch erhalten,
folglich unbefruchtet bleiben. So zweckmaͤßig nun dieſe Ein-
richtung iſt, wenn man meine Vorſtellung von der Befruch-
tung annimmt, eben ſo unzweckmaͤßig und widerſinnig wuͤrde
ſie ſeyn, wenn die Blume, wie man bisher geglaubt hat, auf
eine mechaniſche Art befruchtet werden ſollte. Denn wenn die
Antheren den Staub auf der unterſten Seite haͤtten, und das
Stigma zugleich mit den Antheren bluͤhete: ſo wuͤrde ſchon
Eine Anthere im Stande ſeyn, die Befruchtung zu vollenden,
und es wuͤrde ungereimt ſeyn, daß die vier uͤbrigen ſich nach
einander uͤber das ſchon befruchtete Piſtill hinlegen, um es
von neuem zu befruchten.

3. Daß die bluͤhende Anthere ſich uͤber die Spitze des
Piſtills hinlegt, und bloß auf der oberſten Seite Staub hat,
und daß erſt in der Folge, wann keine Anthere mehr daſelbſt
vorhanden iſt, das Stigma ſich zu oͤffnen und zu bluͤhen an-
faͤngt, und die Stelle der Antheren einnimmt, und auf der
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Parnaſſia.
oberſten Seite, als welche das eigentliche Stigma iſt, den
Staub zu empfangen faͤhig iſt, iſt gleichfalls noͤthig. Denn
dieſe Stelle iſt grade diejenige, welche das Inſekt, indem es
den Saft verzehrt, mit irgend einem Theil ſeines Koͤrpers ein-
nimmt, mit welchem es folglich im erſten Fall den Staub von
der Anthere abſtreifen, und im letzten denſelben wieder auf
das Stigma abſetzen muß. Befaͤnde ſich der Staub auf der
unterſten Seite der Anthere, ſo koͤnnte er vom Inſekt nicht
abgeſtreift werden. Und bluͤhete das Stigma zugleich mit der
uͤber ihm befindlichen Anthere, ſo koͤnnte der auf der oberſten
Seite der Anthere befindliche Staub weder von ſelbſt auf daſ-
ſelbe fallen, noch von dem Inſekt auf daſſelbe gebracht werden,
weil die Anthere ſelbſt beides verhindern wuͤrde.

Ich glaube nicht, daß mir jemand den Einwurf machen
wird, die Befruchtung laſſe ſich doch noch als moͤglich geden-
ken, ohne daß man grade noͤthig habe, ein Inſekt damit zu
behelligen, ſo nemlich, daß der Wind den Staub der bluͤhen-
den Anthere der juͤngeren Blume auf das Stigma der aͤlteren
fuͤhre. Denn 1) iſt bey denjenigen Blumen, oder vielmehr
Bluͤthen, welche vom Winde befruchtet werden ſollen, eine
große Menge Staubes noͤthig; da aber bey dieſer Blume im-
mer nur Eine Anthere bluͤhet, ſo iſt auch nur wenig Staub
vorhanden. 2) Da die Blume eine Zwitterblume iſt, ſo wuͤr-
de, wenn ſie durch den Wind befruchtet werden ſollte, es weit
zweckmaͤßiger ſeyn, daß ſie mit ihrem eigenen Staube, als daß
ſie mit dem Staube einer andern von ihr entfernten Blume
befruchtet wuͤrde. Denn je weiter die Anthere vom Stigma
entfernt iſt, deſto ſchwerer iſt es auch, daß der Wind den
Staub jener auf dieſes fuͤhre. Die Natur wuͤrde ſich alſo
durch die gemachte Einrichtung die Erreichung ihrer Abſicht
erſchwert, wenn nicht gar unmoͤglich gemacht haben.

Da die bluͤhende Anthere dem Stigma, wenn daſſelbe
ſchon vorhanden waͤre, ſo nahe als moͤglich iſt, und dennoch
die Befruchtung nicht auf eine mechaniſche Art geſchieht: ſo
folgt hieraus, daß man uͤberhaupt das nahe Beyſammenſeyn
des Stigma und der Antheren keinesweges als einen Beweis
anſehen muͤſſe, daß die Befruchtung auf eine mechaniſche Art
geſchehe. So find in der Diadelphia decandria und in der
Didynamia gymnoſpermia die Antheren dem Stigma ſehr
nahe, und oftmals ſo nahe als moͤglich; ich werde aber an
ſeinem Ort beweiſen, daß in beiden Ordnungen die Befruch-
tung durch Inſekten geſchieht. Und ſo wie in dieſem Fall die
Befruchtung nicht auf die Art geſchieht, als man dem Anſe-
hen nach vermuthen ſollte, ſo geſchieht dieſelbe wahrſcheinlich
eben ſo wenig auf eine ſolche Art in dem Fall, wenn das

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[[97]/0097] Parnaſſia. Parnaſſia. groͤſſer ſind, noch etwas hoͤher ſtehen, als die bluͤhende. Sie wuͤrden alſo das Inſekt verhindern, den Staub der letzteren rein abzuſtreifen. Eben dies wuͤrden die verbluͤheten Antheren thun, wenn ſie ihre Stelle behielten. Folglich muͤſſen ihre Filamente ſich entweder wieder verkuͤrzen, oder vom Piſtill ent- fernen. Bey dem Helleborus niger hat die Natur das Er- ſtere gewaͤhlt, bey der Parnaſſia das Letztere. 2. Die Antheren folgen im Bluͤhen eine auf die andere. Jede bluͤhet ungefaͤhr Einen Tag, folglich alle insgeſammt we- nigſtens fuͤnf Tage. Wie lange das Stigma bluͤhet, habe ich nicht ausmitteln koͤnnen. Wahrſcheinlich bluͤhet es eben ſo lange, als die Blume noch die Kronenblaͤtter hat. Denn ſo- bald das Stigma zu bluͤhen aufhoͤret, ſo iſt die Krone unnuͤtz, und faͤllt ab. Sie bleibt aber nach dem Verbluͤhen der An- theren noch verſchiedene Tage lang ſitzen. An drey Blumen, welche ich ins Waſſer geſtellt hatte, blieb ſie noch ſieben Tage lang ſitzen, und fiel alsdenn ab. Eben ſo lange bluͤhet alſo vermuthlich auch das Stigma. Daß das Bluͤhen ſowohl der Antheren, als des Stigma eine ſo lange Zeit waͤhret, iſt noͤ- thig. Denn das Inſekt, welches zur Befruchtung der Blume beſtimmt iſt, koͤmmt nicht, ſobald die Antheren oder das Stig- ma zu bluͤhen anfangen, wie gerufen angeflogen, um dieſes Geſchaͤft zu uͤbernehmen; ſondern ein bloßer Zufall fuͤhrt es auf die Blume. Die Ungewißheit nun, welche dieſer Zufall nothwendig mit ſich fuͤhrt, konnte durch nichts anders, als die lange Dauer der Bluͤhezeit der Antheren und des Stigma er- ſetzt werden. Bluͤheten alle Antheren zugleich, folglich nur Einen Tag lang, und bluͤhete das Stigma eben ſo lange: ſo wuͤrden viele Blumen von dem Inſekt keinen Beſuch erhalten, folglich unbefruchtet bleiben. So zweckmaͤßig nun dieſe Ein- richtung iſt, wenn man meine Vorſtellung von der Befruch- tung annimmt, eben ſo unzweckmaͤßig und widerſinnig wuͤrde ſie ſeyn, wenn die Blume, wie man bisher geglaubt hat, auf eine mechaniſche Art befruchtet werden ſollte. Denn wenn die Antheren den Staub auf der unterſten Seite haͤtten, und das Stigma zugleich mit den Antheren bluͤhete: ſo wuͤrde ſchon Eine Anthere im Stande ſeyn, die Befruchtung zu vollenden, und es wuͤrde ungereimt ſeyn, daß die vier uͤbrigen ſich nach einander uͤber das ſchon befruchtete Piſtill hinlegen, um es von neuem zu befruchten. 3. Daß die bluͤhende Anthere ſich uͤber die Spitze des Piſtills hinlegt, und bloß auf der oberſten Seite Staub hat, und daß erſt in der Folge, wann keine Anthere mehr daſelbſt vorhanden iſt, das Stigma ſich zu oͤffnen und zu bluͤhen an- faͤngt, und die Stelle der Antheren einnimmt, und auf der oberſten Seite, als welche das eigentliche Stigma iſt, den Staub zu empfangen faͤhig iſt, iſt gleichfalls noͤthig. Denn dieſe Stelle iſt grade diejenige, welche das Inſekt, indem es den Saft verzehrt, mit irgend einem Theil ſeines Koͤrpers ein- nimmt, mit welchem es folglich im erſten Fall den Staub von der Anthere abſtreifen, und im letzten denſelben wieder auf das Stigma abſetzen muß. Befaͤnde ſich der Staub auf der unterſten Seite der Anthere, ſo koͤnnte er vom Inſekt nicht abgeſtreift werden. Und bluͤhete das Stigma zugleich mit der uͤber ihm befindlichen Anthere, ſo koͤnnte der auf der oberſten Seite der Anthere befindliche Staub weder von ſelbſt auf daſ- ſelbe fallen, noch von dem Inſekt auf daſſelbe gebracht werden, weil die Anthere ſelbſt beides verhindern wuͤrde. Ich glaube nicht, daß mir jemand den Einwurf machen wird, die Befruchtung laſſe ſich doch noch als moͤglich geden- ken, ohne daß man grade noͤthig habe, ein Inſekt damit zu behelligen, ſo nemlich, daß der Wind den Staub der bluͤhen- den Anthere der juͤngeren Blume auf das Stigma der aͤlteren fuͤhre. Denn 1) iſt bey denjenigen Blumen, oder vielmehr Bluͤthen, welche vom Winde befruchtet werden ſollen, eine große Menge Staubes noͤthig; da aber bey dieſer Blume im- mer nur Eine Anthere bluͤhet, ſo iſt auch nur wenig Staub vorhanden. 2) Da die Blume eine Zwitterblume iſt, ſo wuͤr- de, wenn ſie durch den Wind befruchtet werden ſollte, es weit zweckmaͤßiger ſeyn, daß ſie mit ihrem eigenen Staube, als daß ſie mit dem Staube einer andern von ihr entfernten Blume befruchtet wuͤrde. Denn je weiter die Anthere vom Stigma entfernt iſt, deſto ſchwerer iſt es auch, daß der Wind den Staub jener auf dieſes fuͤhre. Die Natur wuͤrde ſich alſo durch die gemachte Einrichtung die Erreichung ihrer Abſicht erſchwert, wenn nicht gar unmoͤglich gemacht haben. Da die bluͤhende Anthere dem Stigma, wenn daſſelbe ſchon vorhanden waͤre, ſo nahe als moͤglich iſt, und dennoch die Befruchtung nicht auf eine mechaniſche Art geſchieht: ſo folgt hieraus, daß man uͤberhaupt das nahe Beyſammenſeyn des Stigma und der Antheren keinesweges als einen Beweis anſehen muͤſſe, daß die Befruchtung auf eine mechaniſche Art geſchehe. So find in der Diadelphia decandria und in der Didynamia gymnoſpermia die Antheren dem Stigma ſehr nahe, und oftmals ſo nahe als moͤglich; ich werde aber an ſeinem Ort beweiſen, daß in beiden Ordnungen die Befruch- tung durch Inſekten geſchieht. Und ſo wie in dieſem Fall die Befruchtung nicht auf die Art geſchieht, als man dem Anſe- hen nach vermuthen ſollte, ſo geſchieht dieſelbe wahrſcheinlich eben ſo wenig auf eine ſolche Art in dem Fall, wenn das L 3

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [97]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/97>, abgerufen am 21.11.2024.