Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.Das Gespräch wurde wieder aufgenommen. Es schlug "Bst, Sesemann, hörst du Nichts?" Sie lauschten Beide. Leise, aber ganz deutlich hörten "Du fürchtest dich doch nicht?" sagte der Doktor und "Behutsam ist besser", flüsterte Herr Sesemann, er¬ Durch die weitgeöffnete Thür floß ein bleicher Mond¬ "Wer da?" donnerte jetzt der Doktor heraus, daß es Das Geſpräch wurde wieder aufgenommen. Es ſchlug „Bſt, Seſemann, hörſt du Nichts?“ Sie lauſchten Beide. Leiſe, aber ganz deutlich hörten „Du fürchteſt dich doch nicht?“ ſagte der Doktor und „Behutſam iſt beſſer“, flüſterte Herr Seſemann, er¬ Durch die weitgeöffnete Thür floß ein bleicher Mond¬ „Wer da?“ donnerte jetzt der Doktor heraus, daß es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0197" n="187"/> <p>Das Geſpräch wurde wieder aufgenommen. Es ſchlug<lb/> ein Uhr. Ringsum war es völlig ſtill, auch auf den Straßen<lb/> war aller Lärm verklungen. Auf einmal hob der Doktor<lb/> den Finger empor.</p><lb/> <p>„Bſt, Seſemann, hörſt du Nichts?“</p><lb/> <p>Sie lauſchten Beide. Leiſe, aber ganz deutlich hörten<lb/> ſie, wie der Balken zurückgeſchoben, dann der Schlüſſel zwei<lb/> Mal im Schloß umgedreht, jetzt die Thür geöffnet wurde.<lb/> Herr Seſemann fuhr mit der Hand nach ſeinem Revolver.</p><lb/> <p>„Du fürchteſt dich doch nicht?“ ſagte der Doktor und<lb/> ſtand auf.</p><lb/> <p>„Behutſam iſt beſſer“, flüſterte Herr Seſemann, er¬<lb/> faßte mit der Linken den Armleuchter mit drei Kerzen, mit<lb/> der Rechten den Revolver und folgte dem Doktor, der,<lb/> gleichermaßen mit Leuchter und Schießgewehr bewaffnet,<lb/> voranging. Sie traten auf den Corridor hinaus.</p><lb/> <p>Durch die weitgeöffnete Thür floß ein bleicher Mond¬<lb/> ſchein herein und beleuchtete eine weiße Geſtalt, die regungs¬<lb/> los auf der Schwelle ſtand.</p><lb/> <p>„Wer da?“ donnerte jetzt der Doktor heraus, daß es<lb/> durch den ganzen Corridor hallte und beide Herren traten<lb/> nun mit Lichtern und Waffen auf die Geſtalt heran. Sie<lb/> kehrte ſich um und that einen leiſen Schrei. Mit bloßen<lb/> Füßen im weißen Nachtkleidchen ſtand Heidi da, ſchaute mit<lb/> verwirrten Blicken in die hellen Flammen und auf die<lb/> Waffen und zitterte und bebte wie ein Blättlein im Winde<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [187/0197]
Das Geſpräch wurde wieder aufgenommen. Es ſchlug
ein Uhr. Ringsum war es völlig ſtill, auch auf den Straßen
war aller Lärm verklungen. Auf einmal hob der Doktor
den Finger empor.
„Bſt, Seſemann, hörſt du Nichts?“
Sie lauſchten Beide. Leiſe, aber ganz deutlich hörten
ſie, wie der Balken zurückgeſchoben, dann der Schlüſſel zwei
Mal im Schloß umgedreht, jetzt die Thür geöffnet wurde.
Herr Seſemann fuhr mit der Hand nach ſeinem Revolver.
„Du fürchteſt dich doch nicht?“ ſagte der Doktor und
ſtand auf.
„Behutſam iſt beſſer“, flüſterte Herr Seſemann, er¬
faßte mit der Linken den Armleuchter mit drei Kerzen, mit
der Rechten den Revolver und folgte dem Doktor, der,
gleichermaßen mit Leuchter und Schießgewehr bewaffnet,
voranging. Sie traten auf den Corridor hinaus.
Durch die weitgeöffnete Thür floß ein bleicher Mond¬
ſchein herein und beleuchtete eine weiße Geſtalt, die regungs¬
los auf der Schwelle ſtand.
„Wer da?“ donnerte jetzt der Doktor heraus, daß es
durch den ganzen Corridor hallte und beide Herren traten
nun mit Lichtern und Waffen auf die Geſtalt heran. Sie
kehrte ſich um und that einen leiſen Schrei. Mit bloßen
Füßen im weißen Nachtkleidchen ſtand Heidi da, ſchaute mit
verwirrten Blicken in die hellen Flammen und auf die
Waffen und zitterte und bebte wie ein Blättlein im Winde
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