bei ihrer Herrschaft, und wenn man nur so ein Kind finden könnte, wie die Dame beschrieb, die in dem Haus die Wirthschaft führte, denn ihre Herrschaft habe viel Mit¬ gefühl und möchte dem kranken Töchterlein eine gute Ge¬ spielin gönnen. Die Wirthschaftsdame hatte nun gesagt, sie wolle so ein recht unverdorbenes, so ein eigenartiges, das nicht sei wie alle, die man so alle Tage sehe. Da habe sie selbst denn auf der Stelle an das Heidi gedacht und sei gleich hingelaufen und habe der Dame Alles so be¬ schrieben vom Heidi und so von seinem Charakter, und die Dame habe sogleich zugesagt. Nun könne gar kein Mensch wissen, was dem Heidi Alles an Glück und Wohlfahrt be¬ vorstehe, denn wenn es dann einmal dort sei und die Leute es gern mögen und es etwa mit dem eignen Töchterchen Etwas geben sollte, man könne ja nie wissen, es sei doch so schwächlich, und wenn eben die Leute doch nicht ohne ein Kind bleiben wollten, so könnte ja das unerhörteste Glück --
"Bist du bald fertig?" unterbrach hier der Oehi, der bis dahin kein Wort dazwischengeredet hatte.
"Pah", gab die Dete zurück und warf den Kopf auf, "Ihr thut gerade, wie wenn ich Euch das ordinärste Zeug gesagt hätte und ist doch durch's ganze Prättigau auf und ab nicht Einer, der nicht Gott im Himmel dankte, wenn ich ihm die Nachricht brächte, die ich Euch gebracht habe."
"Bring' sie, wem du willst, ich will Nichts davon", sagte der Oehi trocken.
bei ihrer Herrſchaft, und wenn man nur ſo ein Kind finden könnte, wie die Dame beſchrieb, die in dem Haus die Wirthſchaft führte, denn ihre Herrſchaft habe viel Mit¬ gefühl und möchte dem kranken Töchterlein eine gute Ge¬ ſpielin gönnen. Die Wirthſchaftsdame hatte nun geſagt, ſie wolle ſo ein recht unverdorbenes, ſo ein eigenartiges, das nicht ſei wie alle, die man ſo alle Tage ſehe. Da habe ſie ſelbſt denn auf der Stelle an das Heidi gedacht und ſei gleich hingelaufen und habe der Dame Alles ſo be¬ ſchrieben vom Heidi und ſo von ſeinem Charakter, und die Dame habe ſogleich zugeſagt. Nun könne gar kein Menſch wiſſen, was dem Heidi Alles an Glück und Wohlfahrt be¬ vorſtehe, denn wenn es dann einmal dort ſei und die Leute es gern mögen und es etwa mit dem eignen Töchterchen Etwas geben ſollte, man könne ja nie wiſſen, es ſei doch ſo ſchwächlich, und wenn eben die Leute doch nicht ohne ein Kind bleiben wollten, ſo könnte ja das unerhörteſte Glück —
„Biſt du bald fertig?“ unterbrach hier der Oehi, der bis dahin kein Wort dazwiſchengeredet hatte.
„Pah“, gab die Dete zurück und warf den Kopf auf, „Ihr thut gerade, wie wenn ich Euch das ordinärſte Zeug geſagt hätte und iſt doch durch's ganze Prättigau auf und ab nicht Einer, der nicht Gott im Himmel dankte, wenn ich ihm die Nachricht brächte, die ich Euch gebracht habe.“
„Bring' ſie, wem du willſt, ich will Nichts davon“, ſagte der Oehi trocken.
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bei ihrer Herrſchaft, und wenn man nur ſo ein Kind
finden könnte, wie die Dame beſchrieb, die in dem Haus
die Wirthſchaft führte, denn ihre Herrſchaft habe viel Mit¬
gefühl und möchte dem kranken Töchterlein eine gute Ge¬
ſpielin gönnen. Die Wirthſchaftsdame hatte nun geſagt, ſie
wolle ſo ein recht unverdorbenes, ſo ein eigenartiges, das
nicht ſei wie alle, die man ſo alle Tage ſehe. Da habe
ſie ſelbſt denn auf der Stelle an das Heidi gedacht und
ſei gleich hingelaufen und habe der Dame Alles ſo be¬
ſchrieben vom Heidi und ſo von ſeinem Charakter, und die
Dame habe ſogleich zugeſagt. Nun könne gar kein Menſch
wiſſen, was dem Heidi Alles an Glück und Wohlfahrt be¬
vorſtehe, denn wenn es dann einmal dort ſei und die Leute
es gern mögen und es etwa mit dem eignen Töchterchen
Etwas geben ſollte, man könne ja nie wiſſen, es ſei doch
ſo ſchwächlich, und wenn eben die Leute doch nicht ohne ein
Kind bleiben wollten, ſo könnte ja das unerhörteſte Glück —
„Biſt du bald fertig?“ unterbrach hier der Oehi, der
bis dahin kein Wort dazwiſchengeredet hatte.
„Pah“, gab die Dete zurück und warf den Kopf auf,
„Ihr thut gerade, wie wenn ich Euch das ordinärſte Zeug
geſagt hätte und iſt doch durch's ganze Prättigau auf und
ab nicht Einer, der nicht Gott im Himmel dankte, wenn
ich ihm die Nachricht brächte, die ich Euch gebracht habe.“
„Bring' ſie, wem du willſt, ich will Nichts davon“, ſagte
der Oehi trocken.
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/90>, abgerufen am 26.06.2024.
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