Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_101.001 ,Wir sind überzeugt.' pst_101.005 ,Gut, so betragt euch auch danach und gebt gegenseitig pst_101.006 Der grimmige Humor versöhnt mit dieser sonderbaren pst_101.008 "So dort wachten die Troer vor Ilios. Doch die Achaier pst_101.018
Ängstete grauliche Furcht, des starrenden Schreckens pst_101.019 Genossin; pst_101.020 Und unduldsamer Schmerz durchdrang die Tapfersten pst_101.021 alle. pst_101.022 Wie zween Winde des Meers fischwimmelnde Fluten pst_101.023 erregen, pst_101.024 Nord und sausender West, die beid' aus Thrakia herwehn, pst_101.025 Kommend in schleuniger Wut; und sogleich nun dunkles pst_101.026 Gewoge pst_101.027 Hoch sich erhebt, und häufig ans Land sie schütten das pst_101.028 Meergras: pst_101.029 Also zerriß Unruhe das Herz der edlen Achaier." 1 pst_101.030
Gesammelte Werke Bd. IV, Zürich 1945, S. 366 f. pst_101.001 ‚Wir sind überzeugt.‘ pst_101.005 ‚Gut, so betragt euch auch danach und gebt gegenseitig pst_101.006 Der grimmige Humor versöhnt mit dieser sonderbaren pst_101.008 «So dort wachten die Troer vor Ilios. Doch die Achaier pst_101.018
Ängstete grauliche Furcht, des starrenden Schreckens pst_101.019 Genossin; pst_101.020 Und unduldsamer Schmerz durchdrang die Tapfersten pst_101.021 alle. pst_101.022 Wie zween Winde des Meers fischwimmelnde Fluten pst_101.023 erregen, pst_101.024 Nord und sausender West, die beid' aus Thrakia herwehn, pst_101.025 Kommend in schleuniger Wut; und sogleich nun dunkles pst_101.026 Gewoge pst_101.027 Hoch sich erhebt, und häufig ans Land sie schütten das pst_101.028 Meergras: pst_101.029 Also zerriß Unruhe das Herz der edlen Achaier.» 1 pst_101.030
Gesammelte Werke Bd. IV, Zürich 1945, S. 366 f. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0105" n="101"/><lb n="pst_101.001"/> noch ein kleines Weilchen wohl verhielten; endlich zum <lb n="pst_101.002"/> guten Schluß ließ er den Löwen die Treppe hinunterbrüllen: <lb n="pst_101.003"/> ‚Seid ihr nun überzeugt?‘</p> <lb n="pst_101.004"/> <p> ‚Wir sind überzeugt.‘</p> <lb n="pst_101.005"/> <p> ‚Gut, so betragt euch auch danach und gebt gegenseitig <lb n="pst_101.006"/> aufeinander acht‘»<note xml:id="PST_101_1" place="foot" n="1"><lb n="pst_101.030"/> Gesammelte Werke Bd. IV, Zürich 1945, S. 366 f.</note>.</p> <lb n="pst_101.007"/> <p> Der grimmige Humor versöhnt mit dieser sonderbaren <lb n="pst_101.008"/> Mischung von modernster Psychologie und altertümlicher <lb n="pst_101.009"/> Darstellung. Sonst wäre uns nicht ganz wohl <lb n="pst_101.010"/> dabei. Denn Spitteler ist tatsächlich, wie er ja selbst bekennt, <lb n="pst_101.011"/> genötigt, Seelisches in Erscheinungen <hi rendition="#g">umzusetzen.</hi> <lb n="pst_101.012"/> Homer setzt Seelisches nicht um. Er kennt es <lb n="pst_101.013"/> noch gar nicht anders denn als «Vor-kommnis» oder <lb n="pst_101.014"/> als «Eräugnis». Gefühle hausen in der Brust wie die <lb n="pst_101.015"/> Winde in der Höhle des Aiolos. Der neunte Gesang der <lb n="pst_101.016"/> «Ilias» hebt an:</p> <lb n="pst_101.017"/> <lg> <l>«So dort wachten die Troer vor Ilios. Doch die Achaier</l> <lb n="pst_101.018"/> <l>Ängstete grauliche Furcht, des starrenden Schreckens</l> <lb n="pst_101.019"/> <l> <hi rendition="#et">Genossin;</hi> </l> <lb n="pst_101.020"/> <l>Und unduldsamer Schmerz durchdrang die Tapfersten</l> <lb n="pst_101.021"/> <l> <hi rendition="#et">alle.</hi> </l> <lb n="pst_101.022"/> <l>Wie zween Winde des Meers fischwimmelnde Fluten</l> <lb n="pst_101.023"/> <l> <hi rendition="#et">erregen,</hi> </l> <lb n="pst_101.024"/> <l>Nord und sausender West, die beid' aus Thrakia herwehn,</l> <lb n="pst_101.025"/> <l>Kommend in schleuniger Wut; und sogleich nun dunkles</l> <lb n="pst_101.026"/> <l> <hi rendition="#et">Gewoge</hi> </l> <lb n="pst_101.027"/> <l>Hoch sich erhebt, und häufig ans Land sie schütten das</l> <lb n="pst_101.028"/> <l> <hi rendition="#et">Meergras:</hi> </l> <lb n="pst_101.029"/> <l>Also zerriß Unruhe das Herz der edlen Achaier.»</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0105]
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noch ein kleines Weilchen wohl verhielten; endlich zum pst_101.002
guten Schluß ließ er den Löwen die Treppe hinunterbrüllen: pst_101.003
‚Seid ihr nun überzeugt?‘
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‚Wir sind überzeugt.‘
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‚Gut, so betragt euch auch danach und gebt gegenseitig pst_101.006
aufeinander acht‘» 1.
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Der grimmige Humor versöhnt mit dieser sonderbaren pst_101.008
Mischung von modernster Psychologie und altertümlicher pst_101.009
Darstellung. Sonst wäre uns nicht ganz wohl pst_101.010
dabei. Denn Spitteler ist tatsächlich, wie er ja selbst bekennt, pst_101.011
genötigt, Seelisches in Erscheinungen umzusetzen. pst_101.012
Homer setzt Seelisches nicht um. Er kennt es pst_101.013
noch gar nicht anders denn als «Vor-kommnis» oder pst_101.014
als «Eräugnis». Gefühle hausen in der Brust wie die pst_101.015
Winde in der Höhle des Aiolos. Der neunte Gesang der pst_101.016
«Ilias» hebt an:
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«So dort wachten die Troer vor Ilios. Doch die Achaier pst_101.018
Ängstete grauliche Furcht, des starrenden Schreckens pst_101.019
Genossin; pst_101.020
Und unduldsamer Schmerz durchdrang die Tapfersten pst_101.021
alle. pst_101.022
Wie zween Winde des Meers fischwimmelnde Fluten pst_101.023
erregen, pst_101.024
Nord und sausender West, die beid' aus Thrakia herwehn, pst_101.025
Kommend in schleuniger Wut; und sogleich nun dunkles pst_101.026
Gewoge pst_101.027
Hoch sich erhebt, und häufig ans Land sie schütten das pst_101.028
Meergras: pst_101.029
Also zerriß Unruhe das Herz der edlen Achaier.»
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Gesammelte Werke Bd. IV, Zürich 1945, S. 366 f.
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