Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_007.001 EINLEITUNG pst_007.002Unter "Grundbegriffen der Poetik" werden hier die pst_007.003 pst_007.001 EINLEITUNG pst_007.002Unter «Grundbegriffen der Poetik» werden hier die pst_007.003 <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0011" n="7"/> <div n="1"> <lb n="pst_007.001"/> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">EINLEITUNG</hi> </hi> </head> <lb n="pst_007.002"/> <p><hi rendition="#in">U</hi>nter «Grundbegriffen der Poetik» werden hier die <lb n="pst_007.003"/> Begriffe episch, lyrisch, dramatisch und allenfalls tragisch <lb n="pst_007.004"/> und komisch verstanden – in einem Sinne jedoch, <lb n="pst_007.005"/> der sich von dem bisher üblichen unterscheidet und <lb n="pst_007.006"/> gleich zu Beginn erklärt werden muß. Der Titel Poetik <lb n="pst_007.007"/> bedeutet zwar längst nicht mehr eine praktische Lehre, <lb n="pst_007.008"/> die Ungeübte instand setzen soll, regelrechte Gedichte, <lb n="pst_007.009"/> Epen und Dramen zu schreiben. Aber die neueren <lb n="pst_007.010"/> Schriften, welche unter dem Namen Poetik gehen, <lb n="pst_007.011"/> gleichen den älteren immerhin darin, daß sie das Wesen <lb n="pst_007.012"/> des Lyrischen, Epischen und Dramatischen in bestimmten <lb n="pst_007.013"/> Mustern von Gedichten, Epen und Dramen <lb n="pst_007.014"/> vollkommen realisiert sehen. Diese Art der Betrachtung <lb n="pst_007.015"/> stellt sich dar als Erbe der Antike. In der Antike nämlich <lb n="pst_007.016"/> war jede poetische Gattung erst in einer beschränkten <lb n="pst_007.017"/> Zahl von Mustern vertreten. Lyrisch etwa hieß eine <lb n="pst_007.018"/> Dichtung, die nach Anlage, Umfang und zumal in der <lb n="pst_007.019"/> Metrik dem entsprach, was die neun klassischen Lyriker <lb n="pst_007.020"/> Alkman, Stesichoros, Alkaios, Sappho, Ibykos, Anakreon, <lb n="pst_007.021"/> Simonides, Bacchylides und Pindar geschaffen <lb n="pst_007.022"/> hatten. So konnten die Römer Horaz als Lyriker gelten <lb n="pst_007.023"/> lassen, Catull dagegen nicht, weil er andere Versmaße <lb n="pst_007.024"/> wählte. Seit der Antike haben sich aber die Muster unübersehbar <lb n="pst_007.025"/> vermehrt. Wenn die Poetik weiterhin allen <lb n="pst_007.026"/> Einzelbeispielen gerecht werden will, begegnet sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0011]
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Unter «Grundbegriffen der Poetik» werden hier die pst_007.003
Begriffe episch, lyrisch, dramatisch und allenfalls tragisch pst_007.004
und komisch verstanden – in einem Sinne jedoch, pst_007.005
der sich von dem bisher üblichen unterscheidet und pst_007.006
gleich zu Beginn erklärt werden muß. Der Titel Poetik pst_007.007
bedeutet zwar längst nicht mehr eine praktische Lehre, pst_007.008
die Ungeübte instand setzen soll, regelrechte Gedichte, pst_007.009
Epen und Dramen zu schreiben. Aber die neueren pst_007.010
Schriften, welche unter dem Namen Poetik gehen, pst_007.011
gleichen den älteren immerhin darin, daß sie das Wesen pst_007.012
des Lyrischen, Epischen und Dramatischen in bestimmten pst_007.013
Mustern von Gedichten, Epen und Dramen pst_007.014
vollkommen realisiert sehen. Diese Art der Betrachtung pst_007.015
stellt sich dar als Erbe der Antike. In der Antike nämlich pst_007.016
war jede poetische Gattung erst in einer beschränkten pst_007.017
Zahl von Mustern vertreten. Lyrisch etwa hieß eine pst_007.018
Dichtung, die nach Anlage, Umfang und zumal in der pst_007.019
Metrik dem entsprach, was die neun klassischen Lyriker pst_007.020
Alkman, Stesichoros, Alkaios, Sappho, Ibykos, Anakreon, pst_007.021
Simonides, Bacchylides und Pindar geschaffen pst_007.022
hatten. So konnten die Römer Horaz als Lyriker gelten pst_007.023
lassen, Catull dagegen nicht, weil er andere Versmaße pst_007.024
wählte. Seit der Antike haben sich aber die Muster unübersehbar pst_007.025
vermehrt. Wenn die Poetik weiterhin allen pst_007.026
Einzelbeispielen gerecht werden will, begegnet sie
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