Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_112.001 Damit wird jedoch Lessings These höchstens zurechtgerückt, pst_112.018 Im sechsten Gesang will Diomedes wissen, ob Glaukos, pst_112.024 "Wer doch bist du, Edler, der sterblichen Erdebewohner? pst_112.027 pst_112.028 Nie ersah ich ja dich in männerehrender Feldschlacht 1 pst_112.029
a. a. O. S. 603. pst_112.001 Damit wird jedoch Lessings These höchstens zurechtgerückt, pst_112.018 Im sechsten Gesang will Diomedes wissen, ob Glaukos, pst_112.024 «Wer doch bist du, Edler, der sterblichen Erdebewohner? pst_112.027 pst_112.028 Nie ersah ich ja dich in männerehrender Feldschlacht 1 pst_112.029
a. a. O. S. 603. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0116" n="112"/><lb n="pst_112.001"/> anderer Stelle sagt, «zu einem Endzweck überein<note xml:id="PST_112_1" place="foot" n="1"><lb n="pst_112.029"/> a. a. O. S. 603.</note>.» <lb n="pst_112.002"/> Wo aber Spannung vorherrscht, ist keine ruhige Vorstellung <lb n="pst_112.003"/> mehr möglich. Da wird das Gegenständliche <lb n="pst_112.004"/> bloßes Mittel zum Zweck, während der Epiker doch <lb n="pst_112.005"/> sich des Gegenstands um sein selber willen erfreut. <lb n="pst_112.006"/> Vom Unterschied der Gattungen ist in Lessings «Laokoon» <lb n="pst_112.007"/> nicht die Rede. Und jedes reale poetische Kunstwerk <lb n="pst_112.008"/> hat, wie immer wieder bemerkt sei, in verschiedenen <lb n="pst_112.009"/> Graden und Arten an allen drei Gattungsideen <lb n="pst_112.010"/> teil. Dennoch läßt sich nicht verkennen, daß Lessing <lb n="pst_112.011"/> an die Dichtung allzusehr den dramatischen Maßstab <lb n="pst_112.012"/> anlegt, schon in der Abhandlung über die Fabel, wo <lb n="pst_112.013"/> er sich alle Schilderungen, die mit der moralischen <lb n="pst_112.014"/> Schlußpointe nichts zu schaffen haben, verbittet und <lb n="pst_112.015"/> wenig Verständnis hat für die reizvollen epischen Züge <lb n="pst_112.016"/> bei Lafontaine.</p> <lb n="pst_112.017"/> <p> Damit wird jedoch Lessings These höchstens zurechtgerückt, <lb n="pst_112.018"/> nicht widerlegt. Der Widerstreit zwischen Vorstellung <lb n="pst_112.019"/> und fortschreitender Rede bleibt bestehen. Es <lb n="pst_112.020"/> fragt sich nur, ob der epische Dichter ihn nicht auf eine <lb n="pst_112.021"/> Weise schlichte, welche der Anschauung besser gerecht <lb n="pst_112.022"/> wird als die dramatische Zielstrebigkeit.</p> <lb n="pst_112.023"/> <p> Im sechsten Gesang will Diomedes wissen, ob Glaukos, <lb n="pst_112.024"/> den er noch nie gesehen, ein Sterblicher oder ein Gott <lb n="pst_112.025"/> sei, und richtet folgende Rede an ihn:</p> <lb n="pst_112.026"/> <lg> <l>«Wer doch bist du, Edler, der sterblichen Erdebewoh<hi rendition="#et">ner?</hi></l> <lb n="pst_112.027"/> <lb n="pst_112.028"/> <l>Nie ersah ich ja dich in männerehrender Feldschlacht</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0116]
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anderer Stelle sagt, «zu einem Endzweck überein 1.» pst_112.002
Wo aber Spannung vorherrscht, ist keine ruhige Vorstellung pst_112.003
mehr möglich. Da wird das Gegenständliche pst_112.004
bloßes Mittel zum Zweck, während der Epiker doch pst_112.005
sich des Gegenstands um sein selber willen erfreut. pst_112.006
Vom Unterschied der Gattungen ist in Lessings «Laokoon» pst_112.007
nicht die Rede. Und jedes reale poetische Kunstwerk pst_112.008
hat, wie immer wieder bemerkt sei, in verschiedenen pst_112.009
Graden und Arten an allen drei Gattungsideen pst_112.010
teil. Dennoch läßt sich nicht verkennen, daß Lessing pst_112.011
an die Dichtung allzusehr den dramatischen Maßstab pst_112.012
anlegt, schon in der Abhandlung über die Fabel, wo pst_112.013
er sich alle Schilderungen, die mit der moralischen pst_112.014
Schlußpointe nichts zu schaffen haben, verbittet und pst_112.015
wenig Verständnis hat für die reizvollen epischen Züge pst_112.016
bei Lafontaine.
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Damit wird jedoch Lessings These höchstens zurechtgerückt, pst_112.018
nicht widerlegt. Der Widerstreit zwischen Vorstellung pst_112.019
und fortschreitender Rede bleibt bestehen. Es pst_112.020
fragt sich nur, ob der epische Dichter ihn nicht auf eine pst_112.021
Weise schlichte, welche der Anschauung besser gerecht pst_112.022
wird als die dramatische Zielstrebigkeit.
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Im sechsten Gesang will Diomedes wissen, ob Glaukos, pst_112.024
den er noch nie gesehen, ein Sterblicher oder ein Gott pst_112.025
sei, und richtet folgende Rede an ihn:
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«Wer doch bist du, Edler, der sterblichen Erdebewohner? pst_112.027
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