Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_120.001 Die rhythmische Geschlossenheit erzeugt die gegenständliche. pst_120.005 "Und ein schrecklicher Klang entscholl dem silbernen pst_120.010 (Ilias I, 49) Bogen" pst_120.011 (Odyssee VII, 120-1) "Birnen reifen auf Birnen, auf Äpfel röten sich Äpfel, pst_120.012 Trauben auf Trauben erdunkeln, und Feigen pst_120.013 schrumpfen auf Feigen." pst_120.014 Oder aus Epen der deutschen Klassik: "Und sie empfing an der Pforte der Hund mit pst_120.016 (Voß, Luise) freundlichem Wedeln." pst_120.017 (Goethe, Reineke Fuchs) pst_120.019"Festlich und heiter glänzte der Himmel und farbig die pst_120.018 Erde." Die Beispiele zeigen zugleich, daß die Länge des Verses pst_120.020 pst_120.001 Die rhythmische Geschlossenheit erzeugt die gegenständliche. pst_120.005 «Und ein schrecklicher Klang entscholl dem silbernen pst_120.010 (Ilias I, 49) Bogen» pst_120.011 (Odyssee VII, 120–1) «Birnen reifen auf Birnen, auf Äpfel röten sich Äpfel, pst_120.012 Trauben auf Trauben erdunkeln, und Feigen pst_120.013 schrumpfen auf Feigen.» pst_120.014 Oder aus Epen der deutschen Klassik: «Und sie empfing an der Pforte der Hund mit pst_120.016 (Voß, Luise) freundlichem Wedeln.» pst_120.017 (Goethe, Reineke Fuchs) pst_120.019«Festlich und heiter glänzte der Himmel und farbig die pst_120.018 Erde.» Die Beispiele zeigen zugleich, daß die Länge des Verses pst_120.020 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0124" n="120"/><lb n="pst_120.001"/> vor, der die Geschlossenheit einzelner Verse <lb n="pst_120.002"/> manchmal gefährdet. Der ursprüngliche Sinn des Maßes <lb n="pst_120.003"/> bleibt aber erkennbar.</p> <lb n="pst_120.004"/> <p> Die rhythmische Geschlossenheit erzeugt die gegenständliche. <lb n="pst_120.005"/> Unzählige Hexameter vermögen uns, völlig <lb n="pst_120.006"/> losgelöst von ihrer Umgebung, um ihrer runden Bildlichkeit <lb n="pst_120.007"/> willen, zu erfreuen. Von den stereotypen hier <lb n="pst_120.008"/> abzusehen, Verse wie etwa die folgenden:</p> <lb n="pst_120.009"/> <p> <lg> <l>«Und ein schrecklicher Klang entscholl dem silbernen</l> <lb n="pst_120.010"/> <l> <hi rendition="#et">Bogen»</hi> </l> </lg> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">(Ilias I, 49)</hi> </hi> <lg> <lb n="pst_120.011"/> <l>«Birnen reifen auf Birnen, auf Äpfel röten sich Äpfel,</l> <lb n="pst_120.012"/> <l>Trauben auf Trauben erdunkeln, und Feigen</l> <lb n="pst_120.013"/> <l> <hi rendition="#et">schrumpfen auf Feigen.»</hi> </l> </lg> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">(Odyssee VII, 120–1)</hi> </hi> </p> <space dim="vertical"/> <lb n="pst_120.014"/> <p>Oder aus Epen der deutschen Klassik: <space dim="vertical"/> <lb n="pst_120.015"/> <lg><l>«Und sie empfing an der Pforte der Hund mit</l><lb n="pst_120.016"/><l><hi rendition="#et">freundlichem Wedeln.»</hi></l></lg> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">(Voß, Luise)</hi></hi> <lg><lb n="pst_120.017"/><l>«Festlich und heiter glänzte der Himmel und farbig die</l><lb n="pst_120.018"/><l><hi rendition="#et">Erde.»</hi></l></lg> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">(Goethe, Reineke Fuchs)</hi></hi></p> <lb n="pst_120.019"/> <p> Die Beispiele zeigen zugleich, daß die Länge des Verses <lb n="pst_120.020"/> der üblichen Länge eines übersichtlichen Hauptsatzes <lb n="pst_120.021"/> entspricht. So stellt sich grammatisch die Selbständigkeit <lb n="pst_120.022"/> der Teile als Parataxe dar, als eine Parataxe <lb n="pst_120.023"/> jedoch, bei der es nun, im Gegensatz zur lyrischen, <lb n="pst_120.024"/> durchaus angebracht ist, jeden Vers mit einem Punkt <lb n="pst_120.025"/> zu beschließen. Wir können das nicht an Homer ablesen. <lb n="pst_120.026"/> Dafür bezeugt der griechische Text auf andere <lb n="pst_120.027"/> Weise eine Selbständigkeit der Teile, die sich im Deutschen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0124]
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vor, der die Geschlossenheit einzelner Verse pst_120.002
manchmal gefährdet. Der ursprüngliche Sinn des Maßes pst_120.003
bleibt aber erkennbar.
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Die rhythmische Geschlossenheit erzeugt die gegenständliche. pst_120.005
Unzählige Hexameter vermögen uns, völlig pst_120.006
losgelöst von ihrer Umgebung, um ihrer runden Bildlichkeit pst_120.007
willen, zu erfreuen. Von den stereotypen hier pst_120.008
abzusehen, Verse wie etwa die folgenden:
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«Und ein schrecklicher Klang entscholl dem silbernen pst_120.010
Bogen»
(Ilias I, 49) pst_120.011
«Birnen reifen auf Birnen, auf Äpfel röten sich Äpfel, pst_120.012
Trauben auf Trauben erdunkeln, und Feigen pst_120.013
schrumpfen auf Feigen.»
(Odyssee VII, 120–1)
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Oder aus Epen der deutschen Klassik: pst_120.015
«Und sie empfing an der Pforte der Hund mit pst_120.016
freundlichem Wedeln.»
(Voß, Luise) pst_120.017
«Festlich und heiter glänzte der Himmel und farbig die pst_120.018
Erde.»
(Goethe, Reineke Fuchs)
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Die Beispiele zeigen zugleich, daß die Länge des Verses pst_120.020
der üblichen Länge eines übersichtlichen Hauptsatzes pst_120.021
entspricht. So stellt sich grammatisch die Selbständigkeit pst_120.022
der Teile als Parataxe dar, als eine Parataxe pst_120.023
jedoch, bei der es nun, im Gegensatz zur lyrischen, pst_120.024
durchaus angebracht ist, jeden Vers mit einem Punkt pst_120.025
zu beschließen. Wir können das nicht an Homer ablesen. pst_120.026
Dafür bezeugt der griechische Text auf andere pst_120.027
Weise eine Selbständigkeit der Teile, die sich im Deutschen
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