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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

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sogar den Pferden Sprache. Und wenn dies vereinzelt pst_132.002
dasteht, fügt es sich doch natürlich in seine Welt. Jedes pst_132.003
Ding drängt nach eigenem Leben. Die Lanze zittert pst_132.004
vor Lust, die Weiche des Gegners zu treffen. Die Pfeile pst_132.005
des Odysseus geben schwirrend den Ton der Rache an.

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Wo das Besondere so hervortritt, bleibt das Allgemeine pst_132.007
noch blaß. Hegel hat dies so ausgedrückt, daß die pst_132.008
epische Dichtung in jene Mittelzeit falle, "in welcher pst_132.009
ein Volk zwar aus der Dumpfheit erwacht ... aber alles, pst_132.010
was später festes religiöses Dogma oder bürgerliches pst_132.011
und moralisches Gesetz wird, noch ganz lebendige, von pst_132.012
dem einzelnen Individuum als solchen unabtrennbare pst_132.013
Gesinnung bleibt"1.

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Ein Vergleich mit neueren Zuständen rückt diese pst_132.015
Sätze ins hellste Licht. Der moderne Mensch ist Bürger, pst_132.016
Glied einer Kirche, einer Nation. Er arbeitet in einem pst_132.017
bestimmten Beruf und reiht sich damit ins Erwerbsleben pst_132.018
ein. Er gehört Interessengemeinschaften an. Sein pst_132.019
Dasein geht, weit mehr als er sich bewußt ist, in Funktionen pst_132.020
auf, in Funktionen der Politik, der Wirtschaft, pst_132.021
der Moral, der Gesellschaft, allgemeiner Bereiche, auf pst_132.022
die er sich notgedrungen ausrichten muß. Ein homerischer pst_132.023
Held kennt nichts dergleichen. Er lebt und handelt pst_132.024
aus eigener Kraft. Sein kleines Land, nach unsern pst_132.025
Begriffen ein Großgrundbesitz, kann ihn ernähren. pst_132.026
Sein Tun und Lassen regelt keine Vorschrift, denn Vorschriften pst_132.027
gibt es nicht. Er nimmt das Motiv aus seiner pst_132.028
"Gesinnung", die seine besondere Natur und Überlieferung pst_132.029
ausgebildet hat. So bildet er eine Welt für

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Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe Bd. XIV, Stuttgart 1928, S. pst_132.031
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sogar den Pferden Sprache. Und wenn dies vereinzelt pst_132.002
dasteht, fügt es sich doch natürlich in seine Welt. Jedes pst_132.003
Ding drängt nach eigenem Leben. Die Lanze zittert pst_132.004
vor Lust, die Weiche des Gegners zu treffen. Die Pfeile pst_132.005
des Odysseus geben schwirrend den Ton der Rache an.

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  Wo das Besondere so hervortritt, bleibt das Allgemeine pst_132.007
noch blaß. Hegel hat dies so ausgedrückt, daß die pst_132.008
epische Dichtung in jene Mittelzeit falle, «in welcher pst_132.009
ein Volk zwar aus der Dumpfheit erwacht ... aber alles, pst_132.010
was später festes religiöses Dogma oder bürgerliches pst_132.011
und moralisches Gesetz wird, noch ganz lebendige, von pst_132.012
dem einzelnen Individuum als solchen unabtrennbare pst_132.013
Gesinnung bleibt»1.

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  Ein Vergleich mit neueren Zuständen rückt diese pst_132.015
Sätze ins hellste Licht. Der moderne Mensch ist Bürger, pst_132.016
Glied einer Kirche, einer Nation. Er arbeitet in einem pst_132.017
bestimmten Beruf und reiht sich damit ins Erwerbsleben pst_132.018
ein. Er gehört Interessengemeinschaften an. Sein pst_132.019
Dasein geht, weit mehr als er sich bewußt ist, in Funktionen pst_132.020
auf, in Funktionen der Politik, der Wirtschaft, pst_132.021
der Moral, der Gesellschaft, allgemeiner Bereiche, auf pst_132.022
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Sein Tun und Lassen regelt keine Vorschrift, denn Vorschriften pst_132.027
gibt es nicht. Er nimmt das Motiv aus seiner pst_132.028
«Gesinnung», die seine besondere Natur und Überlieferung pst_132.029
ausgebildet hat. So bildet er eine Welt für

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Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/136>, abgerufen am 21.11.2024.