Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_151.001 pst_151.003 Endlich kommen wir in diesem Zusammenhang noch pst_151.004 pst_151.001 pst_151.003 Endlich kommen wir in diesem Zusammenhang noch pst_151.004 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0155" n="151"/><lb n="pst_151.001"/> nicht wahllos als ästhetisches Wertprädikat herumzubieten.</p> <lb n="pst_151.002"/> <lb n="pst_151.003"/> <p> Endlich kommen wir in diesem Zusammenhang noch <lb n="pst_151.004"/> auf Spitteler, den Dichter, der es bewiesen hat, daß <lb n="pst_151.005"/> seine Kraft im Epischen lag, der im «Olympischen Frühling» <lb n="pst_151.006"/> ein umfangreiches Epos geschaffen hat, das nicht <lb n="pst_151.007"/> übersehen werden darf, wie sehr uns auch ein eigentümliches <lb n="pst_151.008"/> Unbehagen anwandeln mag. Bei allen Bedenken <lb n="pst_151.009"/> und Zweifeln, die sich zumal auf Spittelers <lb n="pst_151.010"/> Sprache beziehen, läßt sich doch nicht verkennen, daß <lb n="pst_151.011"/> hier epische Züge wahrnehmbar sind von einer Deutlichkeit <lb n="pst_151.012"/> und Reinheit, wie sonst in keiner neueren Dichtung. <lb n="pst_151.013"/> Eine leuchtende, überwältigende Bilderfülle <lb n="pst_151.014"/> schlägt uns entgegen. Alles ist sichtbar, nicht nur die <lb n="pst_151.015"/> ungezählten Dinge und Götterwesen, sondern auch jene <lb n="pst_151.016"/> Welt, die uns als innere, unsichtbare gilt; seelische Regungen, <lb n="pst_151.017"/> Leidenschaften, alles nimmt körperliche Gestalt <lb n="pst_151.018"/> an. Und bis hinunter zum Unscheinbarsten behauptet <lb n="pst_151.019"/> ein jedes sein eigenstes Dasein. Ursprungssagen, <lb n="pst_151.020"/> Vorgeschichten, ausführlichste Beantwortungen <lb n="pst_151.021"/> der alten epischen Frage «Woher?» überraschen den <lb n="pst_151.022"/> Leser und machen sich breit, unbekümmert um das <lb n="pst_151.023"/> Ziel, dem die Erzählung als Ganzes zusteuert. Die Dichtung <lb n="pst_151.024"/> besteht aus Episoden, die sich weglassen, vermehren <lb n="pst_151.025"/> ließen. Die Haupthandlung scheint auch hier nur <lb n="pst_151.026"/> ein Vorwand, um möglichst viel Einzelnes anzubringen. <lb n="pst_151.027"/> Einen Schluß hat der Dichter, nach seinem eigenen Geständnis, <lb n="pst_151.028"/> nicht gefunden. Der Schluß rückt, mit Schiller <lb n="pst_151.029"/> zu reden, in seiner Dignität sehr nahe zum Anfang, der <lb n="pst_151.030"/> wiederum nicht als Exposition, weil er irgendwo hinführt, <lb n="pst_151.031"/> sondern um sein selbst willen interessiert.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151/0155]
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nicht wahllos als ästhetisches Wertprädikat herumzubieten.
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Endlich kommen wir in diesem Zusammenhang noch pst_151.004
auf Spitteler, den Dichter, der es bewiesen hat, daß pst_151.005
seine Kraft im Epischen lag, der im «Olympischen Frühling» pst_151.006
ein umfangreiches Epos geschaffen hat, das nicht pst_151.007
übersehen werden darf, wie sehr uns auch ein eigentümliches pst_151.008
Unbehagen anwandeln mag. Bei allen Bedenken pst_151.009
und Zweifeln, die sich zumal auf Spittelers pst_151.010
Sprache beziehen, läßt sich doch nicht verkennen, daß pst_151.011
hier epische Züge wahrnehmbar sind von einer Deutlichkeit pst_151.012
und Reinheit, wie sonst in keiner neueren Dichtung. pst_151.013
Eine leuchtende, überwältigende Bilderfülle pst_151.014
schlägt uns entgegen. Alles ist sichtbar, nicht nur die pst_151.015
ungezählten Dinge und Götterwesen, sondern auch jene pst_151.016
Welt, die uns als innere, unsichtbare gilt; seelische Regungen, pst_151.017
Leidenschaften, alles nimmt körperliche Gestalt pst_151.018
an. Und bis hinunter zum Unscheinbarsten behauptet pst_151.019
ein jedes sein eigenstes Dasein. Ursprungssagen, pst_151.020
Vorgeschichten, ausführlichste Beantwortungen pst_151.021
der alten epischen Frage «Woher?» überraschen den pst_151.022
Leser und machen sich breit, unbekümmert um das pst_151.023
Ziel, dem die Erzählung als Ganzes zusteuert. Die Dichtung pst_151.024
besteht aus Episoden, die sich weglassen, vermehren pst_151.025
ließen. Die Haupthandlung scheint auch hier nur pst_151.026
ein Vorwand, um möglichst viel Einzelnes anzubringen. pst_151.027
Einen Schluß hat der Dichter, nach seinem eigenen Geständnis, pst_151.028
nicht gefunden. Der Schluß rückt, mit Schiller pst_151.029
zu reden, in seiner Dignität sehr nahe zum Anfang, der pst_151.030
wiederum nicht als Exposition, weil er irgendwo hinführt, pst_151.031
sondern um sein selbst willen interessiert.
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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