Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_176.001 In epischer Dichtung nämlich häuft sich ein Werk pst_176.004 1 pst_176.030 An Goethe, 2. Oktober 1797. 2 pst_176.031
Schiller an Goethe, 2. Oktober 1797. pst_176.001 In epischer Dichtung nämlich häuft sich ein Werk pst_176.004 1 pst_176.030 An Goethe, 2. Oktober 1797. 2 pst_176.031
Schiller an Goethe, 2. Oktober 1797. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0180" n="176"/><lb n="pst_176.001"/> nicht Einzelnes aufgereiht, sondern ein Ganzes in Teile <lb n="pst_176.002"/> zerlegt und die Ordnung der Teile genau bedacht wird.</p> <lb n="pst_176.003"/> <p> In epischer Dichtung nämlich häuft sich ein Werk <lb n="pst_176.004"/> aus Einzelheiten zusammen. Im problematischen Stil <lb n="pst_176.005"/> muß das Ganze klar sein, bevor der Dichter Art und <lb n="pst_176.006"/> Umfang der Teile bestimmen kann. Er stellt den Punkt <lb n="pst_176.007"/> fest, auf den es hinaus will, und überlegt sodann, wie <lb n="pst_176.008"/> alles auf diesen Punkt hin zu ordnen sei. Nur so wird <lb n="pst_176.009"/> es möglich, eine Beziehung aller Teile sicherzustellen, <lb n="pst_176.010"/> zustandezubringen, daß in der ganzen Dichtung kein <lb n="pst_176.011"/> stumpfes Geleise, oder, mit Schiller zu reden, «nichts <lb n="pst_176.012"/> Blindes»<note xml:id="PST_176_1" place="foot" n="1"><lb n="pst_176.030"/> An Goethe, 2. Oktober 1797.</note> ist. In Fabeln, kurzen Verserzählungen, Epigrammen, <lb n="pst_176.013"/> mit denen wir bisher aus praktischen Gründen <lb n="pst_176.014"/> das Wesen der problematischen Dichtung erläutert <lb n="pst_176.015"/> haben, bereitet dies wenig Schwierigkeiten. Hier läßt <lb n="pst_176.016"/> sich das Ganze noch leicht übersehen. Wenn dagegen in <lb n="pst_176.017"/> längeren Novellen oder gar in Romanen, wie denen Dostojewskis, <lb n="pst_176.018"/> nicht bloß geschildert, sondern ein intrikates <lb n="pst_176.019"/> Problem durch alle Verästelungen verfolgt wird, so findet <lb n="pst_176.020"/> der Dichter sich zur höchsten Umsicht und Konzentration <lb n="pst_176.021"/> gezwungen. Er wird bestrebt sein, das Äußerliche <lb n="pst_176.022"/> nur mit wenigen Strichen anzudeuten, das Wesentliche <lb n="pst_176.023"/> dagegen in bedeutenden Ereignissen, in «prägnanten <lb n="pst_176.024"/> Momenten»<note xml:id="PST_176_2" place="foot" n="2"><lb n="pst_176.031"/> Schiller an Goethe, 2. Oktober 1797.</note> hervorzuheben. Er wird von Zeit <lb n="pst_176.025"/> zu Zeit Betrachtungen einschalten, die das Geschehene <lb n="pst_176.026"/> zusammenfassen und das Gedächtnis entlasten. Er wird <lb n="pst_176.027"/> mit allen Mitteln bemüht sein, sich selbst und damit <lb n="pst_176.028"/> auch dem Leser die Überlegung zu erleichtern. Das <lb n="pst_176.029"/> «Schläfchen Homers» ist ihm versagt. Ebenso darf das </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0180]
pst_176.001
nicht Einzelnes aufgereiht, sondern ein Ganzes in Teile pst_176.002
zerlegt und die Ordnung der Teile genau bedacht wird.
pst_176.003
In epischer Dichtung nämlich häuft sich ein Werk pst_176.004
aus Einzelheiten zusammen. Im problematischen Stil pst_176.005
muß das Ganze klar sein, bevor der Dichter Art und pst_176.006
Umfang der Teile bestimmen kann. Er stellt den Punkt pst_176.007
fest, auf den es hinaus will, und überlegt sodann, wie pst_176.008
alles auf diesen Punkt hin zu ordnen sei. Nur so wird pst_176.009
es möglich, eine Beziehung aller Teile sicherzustellen, pst_176.010
zustandezubringen, daß in der ganzen Dichtung kein pst_176.011
stumpfes Geleise, oder, mit Schiller zu reden, «nichts pst_176.012
Blindes» 1 ist. In Fabeln, kurzen Verserzählungen, Epigrammen, pst_176.013
mit denen wir bisher aus praktischen Gründen pst_176.014
das Wesen der problematischen Dichtung erläutert pst_176.015
haben, bereitet dies wenig Schwierigkeiten. Hier läßt pst_176.016
sich das Ganze noch leicht übersehen. Wenn dagegen in pst_176.017
längeren Novellen oder gar in Romanen, wie denen Dostojewskis, pst_176.018
nicht bloß geschildert, sondern ein intrikates pst_176.019
Problem durch alle Verästelungen verfolgt wird, so findet pst_176.020
der Dichter sich zur höchsten Umsicht und Konzentration pst_176.021
gezwungen. Er wird bestrebt sein, das Äußerliche pst_176.022
nur mit wenigen Strichen anzudeuten, das Wesentliche pst_176.023
dagegen in bedeutenden Ereignissen, in «prägnanten pst_176.024
Momenten» 2 hervorzuheben. Er wird von Zeit pst_176.025
zu Zeit Betrachtungen einschalten, die das Geschehene pst_176.026
zusammenfassen und das Gedächtnis entlasten. Er wird pst_176.027
mit allen Mitteln bemüht sein, sich selbst und damit pst_176.028
auch dem Leser die Überlegung zu erleichtern. Das pst_176.029
«Schläfchen Homers» ist ihm versagt. Ebenso darf das
1 pst_176.030
An Goethe, 2. Oktober 1797.
2 pst_176.031
Schiller an Goethe, 2. Oktober 1797.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |