Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_181.001 Hier leistet nun die Bühne dem Dichter wiederum pst_181.004 pst_181.001 Hier leistet nun die Bühne dem Dichter wiederum pst_181.004 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0185" n="181"/><lb n="pst_181.001"/> und Leser bevorsteht. Wir haben uns etwas dabei <lb n="pst_181.002"/> zu denken.</p> <lb n="pst_181.003"/> <p> Hier leistet nun die Bühne dem Dichter wiederum <lb n="pst_181.004"/> einen wertvollen Dienst. Weil es nicht darauf ankommt, <lb n="pst_181.005"/> den Bogen, das Zelt als solches darzustellen – <lb n="pst_181.006"/> so wie Homer den Bogen des Pandaros oder das Zelt <lb n="pst_181.007"/> Achills beschreibt – weil diese Dinge nur da sind, um <lb n="pst_181.008"/> einen großen Zusammenhang zu enthüllen, schätzt sich <lb n="pst_181.009"/> der Dichter glücklich, das Schildern in einer Szenenangabe <lb n="pst_181.010"/> dem Bühnenbildner anvertrauen zu dürfen, <lb n="pst_181.011"/> und wendet sich gleich zur Diskussion, zur Deutung <lb n="pst_181.012"/> dessen, was sichtbar ist. Man mache sich diesen Unterschied <lb n="pst_181.013"/> klar! Wer den Dreißigjährigen Krieg in epischer <lb n="pst_181.014"/> Weise erzählt, muß Wallensteins oder Gustav Adolfs <lb n="pst_181.015"/> Erscheinung beschreiben. Er muß die wechselnden <lb n="pst_181.016"/> Schauplätze schildern, das Schlachtfeld von Lützen, Pilsen, <lb n="pst_181.017"/> Eger. Der Bühnendichter beschränkt sich darauf, <lb n="pst_181.018"/> ein Personenverzeichnis zusammenzustellen und über <lb n="pst_181.019"/> den Aufzug «Eger» zu schreiben. Er fügt vielleicht <lb n="pst_181.020"/> noch nähere Angaben über das szenische Bild hinzu, <lb n="pst_181.021"/> nimmt sich jedoch nicht einmal die Mühe, gefällige <lb n="pst_181.022"/> Sätze zu formulieren. Damit setzt er das Epische zur <lb n="pst_181.023"/> bloßen Voraussetzung herab. Ebenso faßt es der Zuschauer <lb n="pst_181.024"/> auf. Wenn sich vor Ibsens «Hedda Gabler» der <lb n="pst_181.025"/> Vorhang hebt, so weiß er, daß er nun nicht ein schönes <lb n="pst_181.026"/> Zimmer begaffen, sondern sich überlegen soll, wozu die <lb n="pst_181.027"/> Bühne so angelegt ist. Am Anfang weiß er noch nicht <lb n="pst_181.028"/> Bescheid. Erst allmählich geht ihm auf: Ibsen entfaltet <lb n="pst_181.029"/> die Eleganz, um einen Aufwand sichtbar zu machen, <lb n="pst_181.030"/> der über Tesmans Kräfte geht. Das Bild des Generals <lb n="pst_181.031"/> hängt an der Wand, um dem Publikum anzuzeigen, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [181/0185]
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und Leser bevorsteht. Wir haben uns etwas dabei pst_181.002
zu denken.
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Hier leistet nun die Bühne dem Dichter wiederum pst_181.004
einen wertvollen Dienst. Weil es nicht darauf ankommt, pst_181.005
den Bogen, das Zelt als solches darzustellen – pst_181.006
so wie Homer den Bogen des Pandaros oder das Zelt pst_181.007
Achills beschreibt – weil diese Dinge nur da sind, um pst_181.008
einen großen Zusammenhang zu enthüllen, schätzt sich pst_181.009
der Dichter glücklich, das Schildern in einer Szenenangabe pst_181.010
dem Bühnenbildner anvertrauen zu dürfen, pst_181.011
und wendet sich gleich zur Diskussion, zur Deutung pst_181.012
dessen, was sichtbar ist. Man mache sich diesen Unterschied pst_181.013
klar! Wer den Dreißigjährigen Krieg in epischer pst_181.014
Weise erzählt, muß Wallensteins oder Gustav Adolfs pst_181.015
Erscheinung beschreiben. Er muß die wechselnden pst_181.016
Schauplätze schildern, das Schlachtfeld von Lützen, Pilsen, pst_181.017
Eger. Der Bühnendichter beschränkt sich darauf, pst_181.018
ein Personenverzeichnis zusammenzustellen und über pst_181.019
den Aufzug «Eger» zu schreiben. Er fügt vielleicht pst_181.020
noch nähere Angaben über das szenische Bild hinzu, pst_181.021
nimmt sich jedoch nicht einmal die Mühe, gefällige pst_181.022
Sätze zu formulieren. Damit setzt er das Epische zur pst_181.023
bloßen Voraussetzung herab. Ebenso faßt es der Zuschauer pst_181.024
auf. Wenn sich vor Ibsens «Hedda Gabler» der pst_181.025
Vorhang hebt, so weiß er, daß er nun nicht ein schönes pst_181.026
Zimmer begaffen, sondern sich überlegen soll, wozu die pst_181.027
Bühne so angelegt ist. Am Anfang weiß er noch nicht pst_181.028
Bescheid. Erst allmählich geht ihm auf: Ibsen entfaltet pst_181.029
die Eleganz, um einen Aufwand sichtbar zu machen, pst_181.030
der über Tesmans Kräfte geht. Das Bild des Generals pst_181.031
hängt an der Wand, um dem Publikum anzuzeigen,
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