Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

Bild:
<< vorherige Seite
pst_036.001
"Die Welt war mir zuwider, pst_036.002
Die Berge lagen auf mir, pst_036.003
Der Himmel war mir zu nieder, pst_036.004
Ich sehnte mich nach dir, nach dir! pst_036.005
O lieb Mädel, wie schlecht bist du!
pst_036.006
Ich trieb wohl durch die Gassen pst_036.007
Zwei lange Jahre mich; pst_036.008
An den Ecken mußt ich passen pst_036.009
Und harren nur auf dich, auf dich! pst_036.010
O lieb Mädel, wie schlecht bist du!"
pst_036.011

Das wiederholte "nach dir", "auf dich" leitet deutlich pst_036.012
von den mehr rezitativischen Versen zum Kehrreim pst_036.013
über. Eine Komposition drängt sich geradezu auf. Die pst_036.014
ersten drei Verse dürften melodisch wenig ausgeprägt pst_036.015
sein. Der vierte würde sich gegen den Schluß zu pst_036.016
schmerzlich-innigem Gesang erheben, zu einer Musik, pst_036.017
die dann im Kehrreim, völlig entbunden, ausströmen pst_036.018
könnte. Das Lyrische verdichtet sich in dieser Strophe pst_036.019
gegen das Ende. Es verdichtet sich immer, wo einzelne pst_036.020
Wörter oder Wortgruppen wiederholt sind:

pst_036.021

"Nach seinem Lenze sucht das Herz pst_036.022
In einem fort, in einem fort ..."
(C. F. Meyer)

pst_036.023

"Tiefe Flut, tief tief trunkne Flut ..."
pst_036.024
(A. v. Droste)

pst_036.025
"O Lieb, o Liebe! so golden schön ..."
(Goethe)

pst_036.026
"Muß i denn, muß i denn zum Städtele naus ..."
pst_036.027
"Aveva gli occhi neri, neri, neri ..."
pst_036.001
«Die Welt war mir zuwider, pst_036.002
Die Berge lagen auf mir, pst_036.003
Der Himmel war mir zu nieder, pst_036.004
Ich sehnte mich nach dir, nach dir! pst_036.005
O lieb Mädel, wie schlecht bist du!
pst_036.006
Ich trieb wohl durch die Gassen pst_036.007
Zwei lange Jahre mich; pst_036.008
An den Ecken mußt ich passen pst_036.009
Und harren nur auf dich, auf dich! pst_036.010
O lieb Mädel, wie schlecht bist du!»
pst_036.011

Das wiederholte «nach dir», «auf dich» leitet deutlich pst_036.012
von den mehr rezitativischen Versen zum Kehrreim pst_036.013
über. Eine Komposition drängt sich geradezu auf. Die pst_036.014
ersten drei Verse dürften melodisch wenig ausgeprägt pst_036.015
sein. Der vierte würde sich gegen den Schluß zu pst_036.016
schmerzlich-innigem Gesang erheben, zu einer Musik, pst_036.017
die dann im Kehrreim, völlig entbunden, ausströmen pst_036.018
könnte. Das Lyrische verdichtet sich in dieser Strophe pst_036.019
gegen das Ende. Es verdichtet sich immer, wo einzelne pst_036.020
Wörter oder Wortgruppen wiederholt sind:

pst_036.021

«Nach seinem Lenze sucht das Herz pst_036.022
In einem fort, in einem fort ...»
(C. F. Meyer)

pst_036.023

«Tiefe Flut, tief tief trunkne Flut ...»
pst_036.024
(A. v. Droste)

pst_036.025
«O Lieb, o Liebe! so golden schön ...»
(Goethe)

pst_036.026
«Muß i denn, muß i denn zum Städtele naus ...»
pst_036.027
«Aveva gli occhi neri, neri, neri ...»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0040" n="36"/>
          <lb n="pst_036.001"/>
          <lg>
            <l>«Die Welt war mir zuwider,</l>
            <lb n="pst_036.002"/>
            <l>Die Berge lagen auf mir,</l>
            <lb n="pst_036.003"/>
            <l>Der Himmel war mir zu nieder,</l>
            <lb n="pst_036.004"/>
            <l>Ich sehnte mich nach dir, nach dir!</l>
            <lb n="pst_036.005"/>
            <l>O lieb Mädel, wie schlecht bist du! </l>
          </lg>
          <lg>
            <lb n="pst_036.006"/>
            <l>Ich trieb wohl durch die Gassen</l>
            <lb n="pst_036.007"/>
            <l>Zwei lange Jahre mich;</l>
            <lb n="pst_036.008"/>
            <l>An den Ecken mußt ich passen</l>
            <lb n="pst_036.009"/>
            <l>Und harren nur auf dich, auf dich!</l>
            <lb n="pst_036.010"/>
            <l>O lieb Mädel, wie schlecht bist du!»</l>
          </lg>
          <lb n="pst_036.011"/>
          <p>Das wiederholte «nach dir», «auf dich» leitet deutlich <lb n="pst_036.012"/>
von den mehr rezitativischen Versen zum Kehrreim <lb n="pst_036.013"/>
über. Eine Komposition drängt sich geradezu auf. Die <lb n="pst_036.014"/>
ersten drei Verse dürften melodisch wenig ausgeprägt <lb n="pst_036.015"/>
sein. Der vierte würde sich gegen den Schluß zu <lb n="pst_036.016"/>
schmerzlich-innigem Gesang erheben, zu einer Musik, <lb n="pst_036.017"/>
die dann im Kehrreim, völlig entbunden, ausströmen <lb n="pst_036.018"/>
könnte. Das Lyrische verdichtet sich in dieser Strophe <lb n="pst_036.019"/>
gegen das Ende. Es verdichtet sich immer, wo einzelne <lb n="pst_036.020"/>
Wörter oder Wortgruppen wiederholt sind:</p>
          <p><lb n="pst_036.021"/><lg><l>«Nach seinem Lenze sucht das Herz</l><lb n="pst_036.022"/><l>In einem fort, in einem fort ...»</l></lg> (C. F. Meyer)</p>
          <lb n="pst_036.023"/>
          <p>
            <lg>
              <l>«Tiefe Flut, tief tief trunkne Flut ...»</l>
            </lg>
            <lb n="pst_036.024"/> <hi rendition="#right">(A. v. Droste)</hi> </p>
          <p><lg><lb n="pst_036.025"/><l>«O Lieb, o Liebe! so golden schön ...» </l></lg>(Goethe) </p>
          <lg>
            <lb n="pst_036.026"/>
            <l>«Muß i denn, muß i denn zum Städtele naus ...» </l>
          </lg>
          <lg>
            <lb n="pst_036.027"/>
            <l>«Aveva gli occhi neri, neri, neri ...»</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0040] pst_036.001 «Die Welt war mir zuwider, pst_036.002 Die Berge lagen auf mir, pst_036.003 Der Himmel war mir zu nieder, pst_036.004 Ich sehnte mich nach dir, nach dir! pst_036.005 O lieb Mädel, wie schlecht bist du! pst_036.006 Ich trieb wohl durch die Gassen pst_036.007 Zwei lange Jahre mich; pst_036.008 An den Ecken mußt ich passen pst_036.009 Und harren nur auf dich, auf dich! pst_036.010 O lieb Mädel, wie schlecht bist du!» pst_036.011 Das wiederholte «nach dir», «auf dich» leitet deutlich pst_036.012 von den mehr rezitativischen Versen zum Kehrreim pst_036.013 über. Eine Komposition drängt sich geradezu auf. Die pst_036.014 ersten drei Verse dürften melodisch wenig ausgeprägt pst_036.015 sein. Der vierte würde sich gegen den Schluß zu pst_036.016 schmerzlich-innigem Gesang erheben, zu einer Musik, pst_036.017 die dann im Kehrreim, völlig entbunden, ausströmen pst_036.018 könnte. Das Lyrische verdichtet sich in dieser Strophe pst_036.019 gegen das Ende. Es verdichtet sich immer, wo einzelne pst_036.020 Wörter oder Wortgruppen wiederholt sind: pst_036.021 «Nach seinem Lenze sucht das Herz pst_036.022 In einem fort, in einem fort ...» (C. F. Meyer) pst_036.023 «Tiefe Flut, tief tief trunkne Flut ...» pst_036.024 (A. v. Droste) pst_036.025 «O Lieb, o Liebe! so golden schön ...» (Goethe) pst_036.026 «Muß i denn, muß i denn zum Städtele naus ...» pst_036.027 «Aveva gli occhi neri, neri, neri ...»

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/40
Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/40>, abgerufen am 23.11.2024.