Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_084.001 pst_084.005 8. pst_084.006 Es bleibt noch übrig, von den Grenzen der lyrischen pst_084.007 pst_084.027 "Miracle n'est pas oeuvre" heißt ferner: "Gedichte 1 pst_084.028
Eintrag im Gästebuch der Berner Freistudenten. pst_084.001 pst_084.005 8. pst_084.006 Es bleibt noch übrig, von den Grenzen der lyrischen pst_084.007 pst_084.027 «Miracle n'est pas œuvre» heißt ferner: «Gedichte 1 pst_084.028
Eintrag im Gästebuch der Berner Freistudenten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0088" n="84"/><lb n="pst_084.001"/> ausgeprägt sind. Und dies besagt, daß jede Dichtung <lb n="pst_084.002"/> an allen drei Gattungsideen mehr oder minder beteiligt <lb n="pst_084.003"/> ist, da sich keine, als Sprachkunstwerk, dem vollen <lb n="pst_084.004"/> Wesen der Sprache ganz zu entziehen vermag.</p> </div> <div n="2"> <lb n="pst_084.005"/> <head> <hi rendition="#c">8.</hi> </head> <lb n="pst_084.006"/> <p> Es bleibt noch übrig, von den Grenzen der lyrischen <lb n="pst_084.007"/> Poesie zu sprechen und zu sagen, was sie dem Dichter <lb n="pst_084.008"/> und Leser schuldig bleiben muß. Öfter fanden wir uns <lb n="pst_084.009"/> genötigt, vom «Wunder» der lyrischen Sprache zu <lb n="pst_084.010"/> reden. Sie ist unbegreiflich und kein Verdienst, da niemand <lb n="pst_084.011"/> sie zu erzwingen vermag. So gilt auch von ihr Duhamels <lb n="pst_084.012"/> Satz: «Miracle n'est pas œuvre»<note xml:id="PST_084_1" place="foot" n="1"><lb n="pst_084.028"/> Eintrag im Gästebuch der Berner Freistudenten.</note>. Der lyrische <lb n="pst_084.013"/> Dichter leistet nichts (1). Drum, wenn der Epiker fleißig, <lb n="pst_084.014"/> der Dramatiker gar verbissen sein muß, darf er so <lb n="pst_084.015"/> träge sein wie Mörike oder so willenlos wie Brentano. <lb n="pst_084.016"/> Episches nämlich will gesammelt, Dramatisches will erzwungen <lb n="pst_084.017"/> sein. Lyrisches aber wird eingegeben. Auf die <lb n="pst_084.018"/> Eingebung warten, ist das Einzige, was der Lyriker tun <lb n="pst_084.019"/> kann. Wer jedoch stets der Gnade harrt, der darf sich <lb n="pst_084.020"/> auch nur auf Gnade verlassen und keiner Wirkung der <lb n="pst_084.021"/> Kraft, des Willens und der Geduld gewärtig sein. Selbst <lb n="pst_084.022"/> das ängstliche Feilen von Liedern ist davon nicht ausgenommen. <lb n="pst_084.023"/> Wo nicht der Kunstverstand ein Lied herstellt <lb n="pst_084.024"/> – was freilich auch möglich ist – können auch <lb n="pst_084.025"/> neue Nuancen nur aus neuen Eingebungen hervorgehn.</p> <lb n="pst_084.026"/> <lb n="pst_084.027"/> <p> «Miracle n'est pas œuvre» heißt ferner: «Gedichte </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0088]
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ausgeprägt sind. Und dies besagt, daß jede Dichtung pst_084.002
an allen drei Gattungsideen mehr oder minder beteiligt pst_084.003
ist, da sich keine, als Sprachkunstwerk, dem vollen pst_084.004
Wesen der Sprache ganz zu entziehen vermag.
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8. pst_084.006
Es bleibt noch übrig, von den Grenzen der lyrischen pst_084.007
Poesie zu sprechen und zu sagen, was sie dem Dichter pst_084.008
und Leser schuldig bleiben muß. Öfter fanden wir uns pst_084.009
genötigt, vom «Wunder» der lyrischen Sprache zu pst_084.010
reden. Sie ist unbegreiflich und kein Verdienst, da niemand pst_084.011
sie zu erzwingen vermag. So gilt auch von ihr Duhamels pst_084.012
Satz: «Miracle n'est pas œuvre» 1. Der lyrische pst_084.013
Dichter leistet nichts (1). Drum, wenn der Epiker fleißig, pst_084.014
der Dramatiker gar verbissen sein muß, darf er so pst_084.015
träge sein wie Mörike oder so willenlos wie Brentano. pst_084.016
Episches nämlich will gesammelt, Dramatisches will erzwungen pst_084.017
sein. Lyrisches aber wird eingegeben. Auf die pst_084.018
Eingebung warten, ist das Einzige, was der Lyriker tun pst_084.019
kann. Wer jedoch stets der Gnade harrt, der darf sich pst_084.020
auch nur auf Gnade verlassen und keiner Wirkung der pst_084.021
Kraft, des Willens und der Geduld gewärtig sein. Selbst pst_084.022
das ängstliche Feilen von Liedern ist davon nicht ausgenommen. pst_084.023
Wo nicht der Kunstverstand ein Lied herstellt pst_084.024
– was freilich auch möglich ist – können auch pst_084.025
neue Nuancen nur aus neuen Eingebungen hervorgehn.
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«Miracle n'est pas œuvre» heißt ferner: «Gedichte
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