pst_094.001 was er beides in seinem Jahrhundert schon vorfand. pst_094.002 Noch deutlicher wird der Abstand gewahrt durch die pst_094.003 wiederholte Versicherung, damals, als der Krieg stattfand, pst_094.004 seien die Menschen noch stärker gewesen. Die pst_094.005 Formel "oioi nun brotoi eisin, wie jetzt die Sterblichen pst_094.006 sind" setzt immer wieder das eigene Dasein gegen pst_094.007 das große vergangene herab. Das Gleiche aber muß sich pst_094.008 auch diese Vergangenheit wieder gefallen lassen. Denn pst_094.009 unter den Helden tritt Nestor auf und erklärt mit dem pst_094.010 Dünkel des Alters:
pst_094.011
"Denn schon vormals pflog ich mit stärkeren Männernpst_094.012 Gemeinschaft,pst_094.013 Als ihr seid; und dennoch verachteten jene michpst_094.014 nimmer!pst_094.015 Solche Männer ersah ich nicht mehr und ersehe siepst_094.016 schwerlich."
(I, 260-63) pst_094.017
Die Zeitgenossen Homers sind schmächtig, verglichen pst_094.018 mit Hektor und Achill. Aber auch diese Helden sind pst_094.019 schwach, verglichen mit denen noch älterer Zeit. So pst_094.020 liegt das Schwergewicht des Daseins in den Tiefen des pst_094.021 Vergangenen, und keine Gelegenheit wird versäumt, pst_094.022 in diese Tiefen hinunterzuloten. Treten die Männer pst_094.023 zum Zweikampf an, so fragen sie nach Namen und Herkunft; pst_094.024 und der Befragte erzählt die Geschichte des pst_094.025 Stamms bis hinauf zu den ältesten Vätern, zum Gott pst_094.026 gar, der ihn begründet hat. Wenn Agamemnon das pst_094.027 Szepter ergreift, erfahren wir die Geschichte des Szepters, pst_094.028 wer es verfertigt, wer es getragen, wie es von Zeus pst_094.029 auf Hermes, von Hermes auf Pelops überging und in pst_094.030 die Hand Agamemnons kam. Das Ehebett des Odysseus
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pst_094.011
«Denn schon vormals pflog ich mit stärkeren Männernpst_094.012 Gemeinschaft,pst_094.013 Als ihr seid; und dennoch verachteten jene michpst_094.014 nimmer!pst_094.015 Solche Männer ersah ich nicht mehr und ersehe siepst_094.016 schwerlich.»
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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/98>, abgerufen am 16.07.2024.
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