entscheidenden Einfluß hat. Endlich sind sie ihrer Natur nach örtlich, und Recht und Verwaltung derselben haben daher stets einen vor- wiegend örtlichen, je nach den Verhältnissen des betreffenden Landes sehr verschieden entwickelten Inhalt. Doch bleiben die beiden Gedanken gemeinsam.
1) Das Recht der Wasserwege wird wie das der Landwege ur- sprünglich von dem Grundbesitze beherrscht. Die Geschichte dieses Rechts ist die langsame Befreiung jedes Wasserweges von dieser Herrschaft des Grundbesitzes, und die Verwirklichung der Idee der vollen Frei- heit des Verkehrs auf demselben. Den Ausgangspunkt gibt auch hier der Begriff des Wasseregals. Die erste Frage des öffentlichen Wasserrechts war daher die nach der rechtlichen Gränze zwischen dem Recht des Grundherrn am fließenden Wasser, und dem der Gemein- schaft, welche der Staat vertrat. Sie ward nach römischem Vorgang dahin entschieden, daß die Fähigkeit des Wassers, zum Verkehr benützt zu werden, demselben das Recht des öffentlichen Weges gebe (flumen navigabile, Schiffbarkeit). Dasselbe galt von den Häfen, sowohl den Fluß- als den Seehäfen. Allein eben diese Regalität erzeugt in ihrer ersten Epoche für die Flüsse und Meerwege das Recht der Zölle in internationalem Verkehr, für die Häfen vielfach das Stapelrecht und die Differentialabgaben der Schiffe fremder Flaggen. Erst das neun- zehnte Jahrhundert wendet das innere Rechtsprincip der Freiheit der Benützung auch auf den internationalen Verkehr an; Zölle und Diffe- rentialabgaben verschwinden mehr und mehr, und Schiffbarkeit und Verkehrsfreiheit werden zum Heile des Volkes gleichbedeutend.
2) Einen ähnlichen Entwicklungsgang nimmt die Verwaltung der Wasserwege. Dieselbe hat die Aufgabe für den öffentlichen Wasserweg einerseits die Sicherheit, andererseits die Leichtigkeit der Benützung herzustellen. Das erste geschieht durch die Strompolizei, die seit dem siebzehnten Jahrhundert für die Flußwege zu umfassen- den Gesetzen geordnet und lokal entwickelt wird, und durch die Hafen- polizei, welche sich ihrer Natur nach vorzugsweise lokal entwickelt. Das zweite erzeugt die öffentlichen Anstalten und Unternehmungen, welche theils in den Canälen eigene neue Wasserwege bauen, theils in den Baggerungen und Regulirungen die Schiffbarkeit gegen die natürlichen Versandungen schützen, theils endlich in Damm- und Hafenbauten die örtliche Benützung sichern und fördern. Bis zum neunzehnten Jahrhundert bleiben auch diese Anstalten auf die ein- zelnen Staaten beschränkt; erst in der neuesten Zeit beginnt ein großes internationales Leben, und auf all den Punkten, wo europäische Ver- kehrslinien zu Wasser vorhanden sind, entstehen Völkerverträge und
entſcheidenden Einfluß hat. Endlich ſind ſie ihrer Natur nach örtlich, und Recht und Verwaltung derſelben haben daher ſtets einen vor- wiegend örtlichen, je nach den Verhältniſſen des betreffenden Landes ſehr verſchieden entwickelten Inhalt. Doch bleiben die beiden Gedanken gemeinſam.
1) Das Recht der Waſſerwege wird wie das der Landwege ur- ſprünglich von dem Grundbeſitze beherrſcht. Die Geſchichte dieſes Rechts iſt die langſame Befreiung jedes Waſſerweges von dieſer Herrſchaft des Grundbeſitzes, und die Verwirklichung der Idee der vollen Frei- heit des Verkehrs auf demſelben. Den Ausgangspunkt gibt auch hier der Begriff des Waſſeregals. Die erſte Frage des öffentlichen Waſſerrechts war daher die nach der rechtlichen Gränze zwiſchen dem Recht des Grundherrn am fließenden Waſſer, und dem der Gemein- ſchaft, welche der Staat vertrat. Sie ward nach römiſchem Vorgang dahin entſchieden, daß die Fähigkeit des Waſſers, zum Verkehr benützt zu werden, demſelben das Recht des öffentlichen Weges gebe (flumen navigabile, Schiffbarkeit). Daſſelbe galt von den Häfen, ſowohl den Fluß- als den Seehäfen. Allein eben dieſe Regalität erzeugt in ihrer erſten Epoche für die Flüſſe und Meerwege das Recht der Zölle in internationalem Verkehr, für die Häfen vielfach das Stapelrecht und die Differentialabgaben der Schiffe fremder Flaggen. Erſt das neun- zehnte Jahrhundert wendet das innere Rechtsprincip der Freiheit der Benützung auch auf den internationalen Verkehr an; Zölle und Diffe- rentialabgaben verſchwinden mehr und mehr, und Schiffbarkeit und Verkehrsfreiheit werden zum Heile des Volkes gleichbedeutend.
2) Einen ähnlichen Entwicklungsgang nimmt die Verwaltung der Waſſerwege. Dieſelbe hat die Aufgabe für den öffentlichen Waſſerweg einerſeits die Sicherheit, andererſeits die Leichtigkeit der Benützung herzuſtellen. Das erſte geſchieht durch die Strompolizei, die ſeit dem ſiebzehnten Jahrhundert für die Flußwege zu umfaſſen- den Geſetzen geordnet und lokal entwickelt wird, und durch die Hafen- polizei, welche ſich ihrer Natur nach vorzugsweiſe lokal entwickelt. Das zweite erzeugt die öffentlichen Anſtalten und Unternehmungen, welche theils in den Canälen eigene neue Waſſerwege bauen, theils in den Baggerungen und Regulirungen die Schiffbarkeit gegen die natürlichen Verſandungen ſchützen, theils endlich in Damm- und Hafenbauten die örtliche Benützung ſichern und fördern. Bis zum neunzehnten Jahrhundert bleiben auch dieſe Anſtalten auf die ein- zelnen Staaten beſchränkt; erſt in der neueſten Zeit beginnt ein großes internationales Leben, und auf all den Punkten, wo europäiſche Ver- kehrslinien zu Waſſer vorhanden ſind, entſtehen Völkerverträge und
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entſcheidenden Einfluß hat. Endlich ſind ſie ihrer Natur nach örtlich,
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wiegend örtlichen, je nach den Verhältniſſen des betreffenden Landes
ſehr verſchieden entwickelten Inhalt. Doch bleiben die beiden Gedanken
gemeinſam.
1) Das Recht der Waſſerwege wird wie das der Landwege ur-
ſprünglich von dem Grundbeſitze beherrſcht. Die Geſchichte dieſes Rechts
iſt die langſame Befreiung jedes Waſſerweges von dieſer Herrſchaft
des Grundbeſitzes, und die Verwirklichung der Idee der vollen Frei-
heit des Verkehrs auf demſelben. Den Ausgangspunkt gibt auch hier
der Begriff des Waſſeregals. Die erſte Frage des öffentlichen
Waſſerrechts war daher die nach der rechtlichen Gränze zwiſchen dem
Recht des Grundherrn am fließenden Waſſer, und dem der Gemein-
ſchaft, welche der Staat vertrat. Sie ward nach römiſchem Vorgang
dahin entſchieden, daß die Fähigkeit des Waſſers, zum Verkehr benützt
zu werden, demſelben das Recht des öffentlichen Weges gebe (flumen
navigabile, Schiffbarkeit). Daſſelbe galt von den Häfen, ſowohl den
Fluß- als den Seehäfen. Allein eben dieſe Regalität erzeugt in ihrer
erſten Epoche für die Flüſſe und Meerwege das Recht der Zölle in
internationalem Verkehr, für die Häfen vielfach das Stapelrecht und
die Differentialabgaben der Schiffe fremder Flaggen. Erſt das neun-
zehnte Jahrhundert wendet das innere Rechtsprincip der Freiheit der
Benützung auch auf den internationalen Verkehr an; Zölle und Diffe-
rentialabgaben verſchwinden mehr und mehr, und Schiffbarkeit und
Verkehrsfreiheit werden zum Heile des Volkes gleichbedeutend.
2) Einen ähnlichen Entwicklungsgang nimmt die Verwaltung
der Waſſerwege. Dieſelbe hat die Aufgabe für den öffentlichen
Waſſerweg einerſeits die Sicherheit, andererſeits die Leichtigkeit der
Benützung herzuſtellen. Das erſte geſchieht durch die Strompolizei,
die ſeit dem ſiebzehnten Jahrhundert für die Flußwege zu umfaſſen-
den Geſetzen geordnet und lokal entwickelt wird, und durch die Hafen-
polizei, welche ſich ihrer Natur nach vorzugsweiſe lokal entwickelt.
Das zweite erzeugt die öffentlichen Anſtalten und Unternehmungen,
welche theils in den Canälen eigene neue Waſſerwege bauen, theils
in den Baggerungen und Regulirungen die Schiffbarkeit gegen
die natürlichen Verſandungen ſchützen, theils endlich in Damm- und
Hafenbauten die örtliche Benützung ſichern und fördern. Bis zum
neunzehnten Jahrhundert bleiben auch dieſe Anſtalten auf die ein-
zelnen Staaten beſchränkt; erſt in der neueſten Zeit beginnt ein großes
internationales Leben, und auf all den Punkten, wo europäiſche Ver-
kehrslinien zu Waſſer vorhanden ſind, entſtehen Völkerverträge und
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/211>, abgerufen am 04.12.2024.
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