indem der Uebergang des Eigenthumsrechts nicht mehr von dem Be- weise eines bestimmten Erwerbsvertrages, sondern wie beim Gelde von der bloßen Tradition abhängig gemacht, und der Besitz daher mit dem Eigenthum identificirt wird. Damit entstehen nun zwei Grundformen des Werthpapiers: das eigentliche Werthpapier, bei welchem der Erwerb des Rechts auf den Werth durch einen bestimm- ten Akt bewiesen werden muß, der im Interesse des Verkehrs sehr vereinfacht werden kann, aber stets und unbedingt vorhanden sein muß (Wechsel und Giros in blanco, Papiere auf Inhaber) und das Inhaberpapier, bei welchem wie beim Gelde der Besitz das Recht des Eigenthums gibt, bis von Dritten ein Besitzerwerb vi, clam, pre- cario bewiesen wird. Die natürliche und für den Verkehr durchaus nothwendige Consequenz ist, daß auch der unrechte Besitzer dem Dritten volles Eigenthum überträgt, da das letztere eben durch den Besitz selbst gegeben ist. Ohne diese strenge Unterscheidung ist es unmöglich, zum Princip und System des Rechts beider Arten zu gelangen.
Denn wie es jedem Nationalökonomen klar ist, daß im wirth- schaftlichen Leben die Funktion beider Arten wesentlich verschieden ist, so ist auch das Recht derselben ein durchaus anderes.
Das Recht der eigentlichen Werthpapiere gehört ohne Zweifel in das Obligationenrecht, und ist eine ganz bestimmte Form des Ver- tragsrechts, das zwar im Interesse des Verkehrs Modifikationen an- nimmt wie beim Wechsel, aber im Princip unbedingt Privatrecht bleibt. Das Recht der Inhaberpapiere ist dagegen schon in seinem Princip ein öffentliches Recht, da nur die Verwaltung den Besitz mit dem Eigenthum im Gesammtinteresse modificiren kann, und das Privatrecht derselben beschränkt sich daher auf das Erwerbsrecht des Besitzes, ohne sich um den Unterschied von Besitz und Eigenthum zu kümmern. Daraus folgt das Rechtssystem beider Arten, dessen Unterschied zugleich den tiefgehenden des bürgerlichen und des öffentlichen Rechtswesens zeigt. Seine Hauptmomente sind folgende.
1) Die Ausstellung von eigentlichen Werthpapieren steht jeder- mann frei, da sie nur dem Einzelverkehr angehören. Die Ausstellung von Inhaberpapieren dagegen, durch welche der Werth auf den sie lauten, Inhalt des Gesammtverkehrs wird, kann nur unter Zustim- mung der Verwaltung geschehen, da der obige Rechtssatz dem Ein- zelnen die Möglichkeit nimmt, sich auf privatrechtlichem Wege gegen den Verlust des Werthes dieser Papiere zu schützen. Daher der Grundsatz der Concession und der Oberaufsicht bei Versicherungsanstalten und Sparkassen, deren Policen und Bücher jedem Ueberbringer ausge- zahlt werden. Eine Ausnahme davon bilden diejenigen Inhaberpapiere,
indem der Uebergang des Eigenthumsrechts nicht mehr von dem Be- weiſe eines beſtimmten Erwerbsvertrages, ſondern wie beim Gelde von der bloßen Tradition abhängig gemacht, und der Beſitz daher mit dem Eigenthum identificirt wird. Damit entſtehen nun zwei Grundformen des Werthpapiers: das eigentliche Werthpapier, bei welchem der Erwerb des Rechts auf den Werth durch einen beſtimm- ten Akt bewieſen werden muß, der im Intereſſe des Verkehrs ſehr vereinfacht werden kann, aber ſtets und unbedingt vorhanden ſein muß (Wechſel und Giros in blanco, Papiere auf Inhaber) und das Inhaberpapier, bei welchem wie beim Gelde der Beſitz das Recht des Eigenthums gibt, bis von Dritten ein Beſitzerwerb vi, clam, pre- cario bewieſen wird. Die natürliche und für den Verkehr durchaus nothwendige Conſequenz iſt, daß auch der unrechte Beſitzer dem Dritten volles Eigenthum überträgt, da das letztere eben durch den Beſitz ſelbſt gegeben iſt. Ohne dieſe ſtrenge Unterſcheidung iſt es unmöglich, zum Princip und Syſtem des Rechts beider Arten zu gelangen.
Denn wie es jedem Nationalökonomen klar iſt, daß im wirth- ſchaftlichen Leben die Funktion beider Arten weſentlich verſchieden iſt, ſo iſt auch das Recht derſelben ein durchaus anderes.
Das Recht der eigentlichen Werthpapiere gehört ohne Zweifel in das Obligationenrecht, und iſt eine ganz beſtimmte Form des Ver- tragsrechts, das zwar im Intereſſe des Verkehrs Modifikationen an- nimmt wie beim Wechſel, aber im Princip unbedingt Privatrecht bleibt. Das Recht der Inhaberpapiere iſt dagegen ſchon in ſeinem Princip ein öffentliches Recht, da nur die Verwaltung den Beſitz mit dem Eigenthum im Geſammtintereſſe modificiren kann, und das Privatrecht derſelben beſchränkt ſich daher auf das Erwerbsrecht des Beſitzes, ohne ſich um den Unterſchied von Beſitz und Eigenthum zu kümmern. Daraus folgt das Rechtsſyſtem beider Arten, deſſen Unterſchied zugleich den tiefgehenden des bürgerlichen und des öffentlichen Rechtsweſens zeigt. Seine Hauptmomente ſind folgende.
1) Die Ausſtellung von eigentlichen Werthpapieren ſteht jeder- mann frei, da ſie nur dem Einzelverkehr angehören. Die Ausſtellung von Inhaberpapieren dagegen, durch welche der Werth auf den ſie lauten, Inhalt des Geſammtverkehrs wird, kann nur unter Zuſtim- mung der Verwaltung geſchehen, da der obige Rechtsſatz dem Ein- zelnen die Möglichkeit nimmt, ſich auf privatrechtlichem Wege gegen den Verluſt des Werthes dieſer Papiere zu ſchützen. Daher der Grundſatz der Conceſſion und der Oberaufſicht bei Verſicherungsanſtalten und Sparkaſſen, deren Policen und Bücher jedem Ueberbringer ausge- zahlt werden. Eine Ausnahme davon bilden diejenigen Inhaberpapiere,
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dem Eigenthum identificirt wird. Damit entſtehen nun zwei
Grundformen des Werthpapiers: das eigentliche Werthpapier, bei
welchem der Erwerb des Rechts auf den Werth durch einen beſtimm-
ten Akt bewieſen werden muß, der im Intereſſe des Verkehrs ſehr
vereinfacht werden kann, aber ſtets und unbedingt vorhanden ſein
muß (Wechſel und Giros in blanco, Papiere auf Inhaber) und das
Inhaberpapier, bei welchem wie beim Gelde der Beſitz das Recht
des Eigenthums gibt, bis von Dritten ein Beſitzerwerb vi, clam, pre-
cario bewieſen wird. Die natürliche und für den Verkehr durchaus
nothwendige Conſequenz iſt, daß auch der unrechte Beſitzer dem Dritten
volles Eigenthum überträgt, da das letztere eben durch den Beſitz ſelbſt
gegeben iſt. Ohne dieſe ſtrenge Unterſcheidung iſt es unmöglich, zum
Princip und Syſtem des Rechts beider Arten zu gelangen.
Denn wie es jedem Nationalökonomen klar iſt, daß im wirth-
ſchaftlichen Leben die Funktion beider Arten weſentlich verſchieden iſt,
ſo iſt auch das Recht derſelben ein durchaus anderes.
Das Recht der eigentlichen Werthpapiere gehört ohne Zweifel
in das Obligationenrecht, und iſt eine ganz beſtimmte Form des Ver-
tragsrechts, das zwar im Intereſſe des Verkehrs Modifikationen an-
nimmt wie beim Wechſel, aber im Princip unbedingt Privatrecht bleibt.
Das Recht der Inhaberpapiere iſt dagegen ſchon in ſeinem Princip
ein öffentliches Recht, da nur die Verwaltung den Beſitz mit dem
Eigenthum im Geſammtintereſſe modificiren kann, und das Privatrecht
derſelben beſchränkt ſich daher auf das Erwerbsrecht des Beſitzes,
ohne ſich um den Unterſchied von Beſitz und Eigenthum zu kümmern.
Daraus folgt das Rechtsſyſtem beider Arten, deſſen Unterſchied zugleich
den tiefgehenden des bürgerlichen und des öffentlichen Rechtsweſens
zeigt. Seine Hauptmomente ſind folgende.
1) Die Ausſtellung von eigentlichen Werthpapieren ſteht jeder-
mann frei, da ſie nur dem Einzelverkehr angehören. Die Ausſtellung
von Inhaberpapieren dagegen, durch welche der Werth auf den ſie
lauten, Inhalt des Geſammtverkehrs wird, kann nur unter Zuſtim-
mung der Verwaltung geſchehen, da der obige Rechtsſatz dem Ein-
zelnen die Möglichkeit nimmt, ſich auf privatrechtlichem Wege gegen
den Verluſt des Werthes dieſer Papiere zu ſchützen. Daher der
Grundſatz der Conceſſion und der Oberaufſicht bei Verſicherungsanſtalten
und Sparkaſſen, deren Policen und Bücher jedem Ueberbringer ausge-
zahlt werden. Eine Ausnahme davon bilden diejenigen Inhaberpapiere,
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/267>, abgerufen am 22.11.2024.
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