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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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durch die Pfandbestellung erworbenen Eigenthums am bestimmten
Werth enthält wieder die Frage, wie dieses Eigenthumsrecht gegen
Dritte unbedingt, wie jedes Eigenthum an einem Gute, geschützt wer-
den könne, so daß einerseits das Recht auf den Werth als solchen,
andererseits das Recht auf den Zins (Gebrauchswerth des Darlehens)
sowohl gegenüber dem Eigenthümer als den dritten Gläubigern objektiv
feststehe. Es ist klar, daß alle diese Forderungen durch den bloßen
Willen der beiden Contrahenten zwar zwischen ihnen, nicht aber gegen-
über Dritten mit objektiver Gültigkeit erfüllt werden können, und den-
noch die Bedingung eines billigen Darlehens sind; denn werden sie
nicht erfüllt, so wird nach den wirthschaftlichen Gesetzen über die
Zinshöhe die mangelnde Sicherheit durch hohen Zins ersetzt werden
müssen. Die Verwaltung muß daher Anstalt treffen, um denselben
durch ihre Maßregeln nachzukommen. Und diejenige Einrichtung nun,
welche die obigen Forderungen erfüllt, nennen wir das Grundbuchs-
wesen
.

Von diesem specifischen Begriffe des Grundbuchswesens bildet der Versuch,
Pfandscheine einzelner Besitzer auf Inhaber auszustellen, einen unvollkom-
menen Uebergang zu den eigentlichen Realcreditanstalten, und ist nur durch
den Mangel derselben zu erklären und zu vertheidigen (vergl. darüber Mascher
a. a. O. S. 750 ff.).

Elemente der Geschichte des Grundbuchswesens.

Die Geschichte des Grundbuchswesens, sehr reich an Einzelnheiten,
ist im Großen und Ganzen sehr einfach.

Das Entstehen des Grundbuchswesens beruht darauf, daß erstlich
der Werth als ein selbständiges Element neben dem Gute als fähig
erkannt werde, auch ein selbständiges Objekt des Eigenthums und des
Verkehrs zu sein; zweitens darauf, daß es eine Verwaltung gebe,
welche die Entwicklung des Verkehrs für ihre Aufgabe hält. So lange
beides nicht da ist, gibt es zwar eine Pfandschuld, aber kein Grund-
buchswesen.

Beides nun war weder im römischen noch im alten germanischen
Recht der Fall. Beide haben die Pfandschuld überhaupt nur als ein
Vertragsverhältniß der Contrahenten aufgefaßt, und daher auch es
ganz den Betheiligten überlassen, für die Sicherheit zu sorgen. Das
Immobiliarpfandrecht ist ein reines Privatrecht.

Das Grundbuchswesen beginnt vielmehr erst da, wo vermöge des
ständischen Rechts die landtaflichen Grundstücke durch Execution für den
bürgerlichen Erwerber nicht erstanden werden können, und daher das
Darlehen nur gegeben wird, wenn es ein selbständiges Recht

durch die Pfandbeſtellung erworbenen Eigenthums am beſtimmten
Werth enthält wieder die Frage, wie dieſes Eigenthumsrecht gegen
Dritte unbedingt, wie jedes Eigenthum an einem Gute, geſchützt wer-
den könne, ſo daß einerſeits das Recht auf den Werth als ſolchen,
andererſeits das Recht auf den Zins (Gebrauchswerth des Darlehens)
ſowohl gegenüber dem Eigenthümer als den dritten Gläubigern objektiv
feſtſtehe. Es iſt klar, daß alle dieſe Forderungen durch den bloßen
Willen der beiden Contrahenten zwar zwiſchen ihnen, nicht aber gegen-
über Dritten mit objektiver Gültigkeit erfüllt werden können, und den-
noch die Bedingung eines billigen Darlehens ſind; denn werden ſie
nicht erfüllt, ſo wird nach den wirthſchaftlichen Geſetzen über die
Zinshöhe die mangelnde Sicherheit durch hohen Zins erſetzt werden
müſſen. Die Verwaltung muß daher Anſtalt treffen, um denſelben
durch ihre Maßregeln nachzukommen. Und diejenige Einrichtung nun,
welche die obigen Forderungen erfüllt, nennen wir das Grundbuchs-
weſen
.

Von dieſem ſpecifiſchen Begriffe des Grundbuchsweſens bildet der Verſuch,
Pfandſcheine einzelner Beſitzer auf Inhaber auszuſtellen, einen unvollkom-
menen Uebergang zu den eigentlichen Realcreditanſtalten, und iſt nur durch
den Mangel derſelben zu erklären und zu vertheidigen (vergl. darüber Maſcher
a. a. O. S. 750 ff.).

Elemente der Geſchichte des Grundbuchsweſens.

Die Geſchichte des Grundbuchsweſens, ſehr reich an Einzelnheiten,
iſt im Großen und Ganzen ſehr einfach.

Das Entſtehen des Grundbuchsweſens beruht darauf, daß erſtlich
der Werth als ein ſelbſtändiges Element neben dem Gute als fähig
erkannt werde, auch ein ſelbſtändiges Objekt des Eigenthums und des
Verkehrs zu ſein; zweitens darauf, daß es eine Verwaltung gebe,
welche die Entwicklung des Verkehrs für ihre Aufgabe hält. So lange
beides nicht da iſt, gibt es zwar eine Pfandſchuld, aber kein Grund-
buchsweſen.

Beides nun war weder im römiſchen noch im alten germaniſchen
Recht der Fall. Beide haben die Pfandſchuld überhaupt nur als ein
Vertragsverhältniß der Contrahenten aufgefaßt, und daher auch es
ganz den Betheiligten überlaſſen, für die Sicherheit zu ſorgen. Das
Immobiliarpfandrecht iſt ein reines Privatrecht.

Das Grundbuchsweſen beginnt vielmehr erſt da, wo vermöge des
ſtändiſchen Rechts die landtaflichen Grundſtücke durch Execution für den
bürgerlichen Erwerber nicht erſtanden werden können, und daher das
Darlehen nur gegeben wird, wenn es ein ſelbſtändiges Recht

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[262/0286] durch die Pfandbeſtellung erworbenen Eigenthums am beſtimmten Werth enthält wieder die Frage, wie dieſes Eigenthumsrecht gegen Dritte unbedingt, wie jedes Eigenthum an einem Gute, geſchützt wer- den könne, ſo daß einerſeits das Recht auf den Werth als ſolchen, andererſeits das Recht auf den Zins (Gebrauchswerth des Darlehens) ſowohl gegenüber dem Eigenthümer als den dritten Gläubigern objektiv feſtſtehe. Es iſt klar, daß alle dieſe Forderungen durch den bloßen Willen der beiden Contrahenten zwar zwiſchen ihnen, nicht aber gegen- über Dritten mit objektiver Gültigkeit erfüllt werden können, und den- noch die Bedingung eines billigen Darlehens ſind; denn werden ſie nicht erfüllt, ſo wird nach den wirthſchaftlichen Geſetzen über die Zinshöhe die mangelnde Sicherheit durch hohen Zins erſetzt werden müſſen. Die Verwaltung muß daher Anſtalt treffen, um denſelben durch ihre Maßregeln nachzukommen. Und diejenige Einrichtung nun, welche die obigen Forderungen erfüllt, nennen wir das Grundbuchs- weſen. Von dieſem ſpecifiſchen Begriffe des Grundbuchsweſens bildet der Verſuch, Pfandſcheine einzelner Beſitzer auf Inhaber auszuſtellen, einen unvollkom- menen Uebergang zu den eigentlichen Realcreditanſtalten, und iſt nur durch den Mangel derſelben zu erklären und zu vertheidigen (vergl. darüber Maſcher a. a. O. S. 750 ff.). Elemente der Geſchichte des Grundbuchsweſens. Die Geſchichte des Grundbuchsweſens, ſehr reich an Einzelnheiten, iſt im Großen und Ganzen ſehr einfach. Das Entſtehen des Grundbuchsweſens beruht darauf, daß erſtlich der Werth als ein ſelbſtändiges Element neben dem Gute als fähig erkannt werde, auch ein ſelbſtändiges Objekt des Eigenthums und des Verkehrs zu ſein; zweitens darauf, daß es eine Verwaltung gebe, welche die Entwicklung des Verkehrs für ihre Aufgabe hält. So lange beides nicht da iſt, gibt es zwar eine Pfandſchuld, aber kein Grund- buchsweſen. Beides nun war weder im römiſchen noch im alten germaniſchen Recht der Fall. Beide haben die Pfandſchuld überhaupt nur als ein Vertragsverhältniß der Contrahenten aufgefaßt, und daher auch es ganz den Betheiligten überlaſſen, für die Sicherheit zu ſorgen. Das Immobiliarpfandrecht iſt ein reines Privatrecht. Das Grundbuchsweſen beginnt vielmehr erſt da, wo vermöge des ſtändiſchen Rechts die landtaflichen Grundſtücke durch Execution für den bürgerlichen Erwerber nicht erſtanden werden können, und daher das Darlehen nur gegeben wird, wenn es ein ſelbſtändiges Recht

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/286>, abgerufen am 22.11.2024.