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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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der Entwicklung der Urproduktion verschafft, ist das Vereinswesen.
So tritt das Vereinswesen in das System des Realcredits hinein, und
der daraus entstehende, nicht durch Gesetze und Verwaltungsmaßregeln
gebildete, sondern auf der freien Thätigkeit des Einzelnen und den
wirthschaftlichen Gesetzen des Credits beruhende Organismus des Real-
credits nennen wir die Realcreditvereine. Jede Realcreditanstalt
ist daher ein Realcreditverein.

Das Princip der Realcreditanstalten ist daher, daß sie ein eigens
für die Anlage im Realcredit bestimmtes Capital schaffen, und dasselbe
durch ihre Thätigkeit so verwalten, daß es mit der vollen Sicherheit
des Realcredits die volle Beweglichkeit des Geschäfts-
credits verbindet
. Erst damit werden Begriff und Funktion des
Credits für die unbeweglichen Güter vollständig gültig, und im Real-
creditwesen beginnt eine neue, hochwichtige Epoche.

Natürlich hat das Eintreten dieser Epoche nicht bloß das Ein-
treten wirthschaftlicher Verhältnisse des Credits zum Inhalt. Es be-
deutet und enthält vielmehr die Zeit, wo das gewerbliche Capital der
staatsbürgerlichen Gesellschaft die specifische Form des Besitzes der stän-
dischen Gesellschaft, den Grundbesitz, sich unterwirft und wirthschaftlich
mit ihren Bedingungen und Folgen beherrscht. Das Auftreten der
Realcreditanstalten ist daher nicht bloß eine große wirthschaftliche und
rechtliche, sondern auch eine mächtige gesellschaftliche Thatsache, und
greift damit auf das tiefste, langsam aber gewaltig wirkend, in das
ganze innere Leben Europas ein.

Es ist daher leicht verständlich, daß die Realcreditanstalten sich
weder plötzlich noch gleichförmig entwickelt haben. Ihre Grundformen
sind zugleich ihre Geschichte. Ihre Darstellung aber zerfällt in ihr
wirthschaftliches und ihr öffentlich rechtliches Element, von denen bei
den zwei Grundformen, den gegenseitigen und den Aktivcreditvereinen
das erste sehr verschieden, das zweite aber sehr gleichartig ist.

Erst in neuester Zeit in der Literatur die Grundlage richtiger Behandlung
in dem Verständniß dafür, daß Grundbuchswesen und Realcreditanstalten bei
tiefster Verschiedenheit dennoch zwei Seiten des allgemeinen Begriffes des Real-
creditwesens sind. Vergl. namentlich die Auffassung bei Rau, Volkswirth-
schaftspflege II. §. 110 ff.; Roscher II. §. 133 ff. Uebrigens hat der Gang
der Dinge es mit sich gebracht, daß auch die gesammten Realcreditanstalten
ausschließlich auf die Landwirthschaft bezogen werden; bei den Bedürfnissen
der letzteren beginnend, ist die Theorie auch bei ihnen stehen geblieben, und
in der That ist auch die Hauptanwendung die Landwirthschaft. Man kann
übrigens in der ziemlich reichen Literatur, die mit den Aufsätzen über die
schlesischen Vereine in Bergius Magazin, und systematisch in Berg, Polizei-

der Entwicklung der Urproduktion verſchafft, iſt das Vereinsweſen.
So tritt das Vereinsweſen in das Syſtem des Realcredits hinein, und
der daraus entſtehende, nicht durch Geſetze und Verwaltungsmaßregeln
gebildete, ſondern auf der freien Thätigkeit des Einzelnen und den
wirthſchaftlichen Geſetzen des Credits beruhende Organismus des Real-
credits nennen wir die Realcreditvereine. Jede Realcreditanſtalt
iſt daher ein Realcreditverein.

Das Princip der Realcreditanſtalten iſt daher, daß ſie ein eigens
für die Anlage im Realcredit beſtimmtes Capital ſchaffen, und daſſelbe
durch ihre Thätigkeit ſo verwalten, daß es mit der vollen Sicherheit
des Realcredits die volle Beweglichkeit des Geſchäfts-
credits verbindet
. Erſt damit werden Begriff und Funktion des
Credits für die unbeweglichen Güter vollſtändig gültig, und im Real-
creditweſen beginnt eine neue, hochwichtige Epoche.

Natürlich hat das Eintreten dieſer Epoche nicht bloß das Ein-
treten wirthſchaftlicher Verhältniſſe des Credits zum Inhalt. Es be-
deutet und enthält vielmehr die Zeit, wo das gewerbliche Capital der
ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft die ſpecifiſche Form des Beſitzes der ſtän-
diſchen Geſellſchaft, den Grundbeſitz, ſich unterwirft und wirthſchaftlich
mit ihren Bedingungen und Folgen beherrſcht. Das Auftreten der
Realcreditanſtalten iſt daher nicht bloß eine große wirthſchaftliche und
rechtliche, ſondern auch eine mächtige geſellſchaftliche Thatſache, und
greift damit auf das tiefſte, langſam aber gewaltig wirkend, in das
ganze innere Leben Europas ein.

Es iſt daher leicht verſtändlich, daß die Realcreditanſtalten ſich
weder plötzlich noch gleichförmig entwickelt haben. Ihre Grundformen
ſind zugleich ihre Geſchichte. Ihre Darſtellung aber zerfällt in ihr
wirthſchaftliches und ihr öffentlich rechtliches Element, von denen bei
den zwei Grundformen, den gegenſeitigen und den Aktivcreditvereinen
das erſte ſehr verſchieden, das zweite aber ſehr gleichartig iſt.

Erſt in neueſter Zeit in der Literatur die Grundlage richtiger Behandlung
in dem Verſtändniß dafür, daß Grundbuchsweſen und Realcreditanſtalten bei
tiefſter Verſchiedenheit dennoch zwei Seiten des allgemeinen Begriffes des Real-
creditweſens ſind. Vergl. namentlich die Auffaſſung bei Rau, Volkswirth-
ſchaftspflege II. §. 110 ff.; Roſcher II. §. 133 ff. Uebrigens hat der Gang
der Dinge es mit ſich gebracht, daß auch die geſammten Realcreditanſtalten
ausſchließlich auf die Landwirthſchaft bezogen werden; bei den Bedürfniſſen
der letzteren beginnend, iſt die Theorie auch bei ihnen ſtehen geblieben, und
in der That iſt auch die Hauptanwendung die Landwirthſchaft. Man kann
übrigens in der ziemlich reichen Literatur, die mit den Aufſätzen über die
ſchleſiſchen Vereine in Bergius Magazin, und ſyſtematiſch in Berg, Polizei-

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[278/0302] der Entwicklung der Urproduktion verſchafft, iſt das Vereinsweſen. So tritt das Vereinsweſen in das Syſtem des Realcredits hinein, und der daraus entſtehende, nicht durch Geſetze und Verwaltungsmaßregeln gebildete, ſondern auf der freien Thätigkeit des Einzelnen und den wirthſchaftlichen Geſetzen des Credits beruhende Organismus des Real- credits nennen wir die Realcreditvereine. Jede Realcreditanſtalt iſt daher ein Realcreditverein. Das Princip der Realcreditanſtalten iſt daher, daß ſie ein eigens für die Anlage im Realcredit beſtimmtes Capital ſchaffen, und daſſelbe durch ihre Thätigkeit ſo verwalten, daß es mit der vollen Sicherheit des Realcredits die volle Beweglichkeit des Geſchäfts- credits verbindet. Erſt damit werden Begriff und Funktion des Credits für die unbeweglichen Güter vollſtändig gültig, und im Real- creditweſen beginnt eine neue, hochwichtige Epoche. Natürlich hat das Eintreten dieſer Epoche nicht bloß das Ein- treten wirthſchaftlicher Verhältniſſe des Credits zum Inhalt. Es be- deutet und enthält vielmehr die Zeit, wo das gewerbliche Capital der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft die ſpecifiſche Form des Beſitzes der ſtän- diſchen Geſellſchaft, den Grundbeſitz, ſich unterwirft und wirthſchaftlich mit ihren Bedingungen und Folgen beherrſcht. Das Auftreten der Realcreditanſtalten iſt daher nicht bloß eine große wirthſchaftliche und rechtliche, ſondern auch eine mächtige geſellſchaftliche Thatſache, und greift damit auf das tiefſte, langſam aber gewaltig wirkend, in das ganze innere Leben Europas ein. Es iſt daher leicht verſtändlich, daß die Realcreditanſtalten ſich weder plötzlich noch gleichförmig entwickelt haben. Ihre Grundformen ſind zugleich ihre Geſchichte. Ihre Darſtellung aber zerfällt in ihr wirthſchaftliches und ihr öffentlich rechtliches Element, von denen bei den zwei Grundformen, den gegenſeitigen und den Aktivcreditvereinen das erſte ſehr verſchieden, das zweite aber ſehr gleichartig iſt. Erſt in neueſter Zeit in der Literatur die Grundlage richtiger Behandlung in dem Verſtändniß dafür, daß Grundbuchsweſen und Realcreditanſtalten bei tiefſter Verſchiedenheit dennoch zwei Seiten des allgemeinen Begriffes des Real- creditweſens ſind. Vergl. namentlich die Auffaſſung bei Rau, Volkswirth- ſchaftspflege II. §. 110 ff.; Roſcher II. §. 133 ff. Uebrigens hat der Gang der Dinge es mit ſich gebracht, daß auch die geſammten Realcreditanſtalten ausſchließlich auf die Landwirthſchaft bezogen werden; bei den Bedürfniſſen der letzteren beginnend, iſt die Theorie auch bei ihnen ſtehen geblieben, und in der That iſt auch die Hauptanwendung die Landwirthſchaft. Man kann übrigens in der ziemlich reichen Literatur, die mit den Aufſätzen über die ſchleſiſchen Vereine in Bergius Magazin, und ſyſtematiſch in Berg, Polizei-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/302>, abgerufen am 22.11.2024.