Verwaltungsorganen des verfassungsmäßigen Staates die Ministerien) nennen, für sich betrachten.
Aus dem Wesen des Staats ergibt es sich, daß sich diese Ver- waltungsgebiete in zwei Gruppen theilen. Die erste bezieht sich auf die Verhältnisse des einzelnen Staats zu andern Staaten; die zweite auf seine innern Lebensverhältnisse.
Aus dem Verhältniß zu andern Staaten geht zunächst die Auf- gabe hervor, den friedlichen Verkehr mit denselben zu regeln. Dieser Verkehr ist entweder ein Verkehr der Staaten als einheitlicher Persön- lichkeiten, oder ein Verkehr der einzelnen Staatsangehörigen unter- einander. Die Verwaltung der ersteren nennen wir die Verwaltung (Ministerium) der auswärtigen Angelegenheiten, die der zweiten ist das Consulatwesen.
Die Selbständigkeit, Ehre und Macht des einzelnen Staates gegen- über dem andern ist der Gegenstand der Verwaltung der bewaffneten Macht (des Kriegsministeriums).
Das Recht beider Verwaltungsgebiete ist das Völkerrecht; die Wissenschaft des ersteren ist die Staatskunst (Politik), die des zweiten die Kriegswissenschaft.
In den innern Lebensverhältnissen ist der erste Gegenstand der Verwaltung das wirthschaftliche Leben des Staats, das wir nach seinem Haupttheile die Finanzen, und ihre Verwaltung die Finanzverwal- tung (Finanzministerium) nennen. Die Gesammtheit der dafür geltenden Bestimmungen bildet das Finanzrecht; die Grundsätze, nach welchen diese Verwaltung vorzugehen hat, lehrt die Finanzwissenschaft.
Der zweite Gegenstand ist die Erhaltung der Unverletzlichkeit der einzelnen Persönlichkeit im Verkehr mit der andern, oder die Verwirk- lichung des Privatrechts. Die Gesammtheit der dafür geltenden Be- stimmungen enthalten das bürgerliche und das Strafrecht. Die Gesammtheit der Regeln, nach welchen die Verwaltung beider Rechts- gebiete vollzogen wird, bildet das Recht des (bürgerlichen und Straf-) Processes; die Wissenschaft desselben ist die Rechtswissenschaft; die wirkliche Verwaltung ist die Rechtspflege (Justizministerium).
Das dritte Gebiet des inneren Lebens beruht nun darauf, daß der wirkliche Staat eben in der Gesammtheit seiner Angehörigen besteht, und daß daher der Grad der ganzen persönlichen Entwicklung jedes Einzelnen zugleich zum Grad und Inhalt der Entwicklung des Staates selber wird. Damit wird dann dieser Fortschritt jedes Einzelnen zu einer wesentlichen Aufgabe des Ganzen; die darauf bezügliche Thätig- keit des Staats nennen wir die innere Verwaltung, das für dieselbe geltende Recht das innere Verwaltungsrecht, die Grundsätze,
Verwaltungsorganen des verfaſſungsmäßigen Staates die Miniſterien) nennen, für ſich betrachten.
Aus dem Weſen des Staats ergibt es ſich, daß ſich dieſe Ver- waltungsgebiete in zwei Gruppen theilen. Die erſte bezieht ſich auf die Verhältniſſe des einzelnen Staats zu andern Staaten; die zweite auf ſeine innern Lebensverhältniſſe.
Aus dem Verhältniß zu andern Staaten geht zunächſt die Auf- gabe hervor, den friedlichen Verkehr mit denſelben zu regeln. Dieſer Verkehr iſt entweder ein Verkehr der Staaten als einheitlicher Perſön- lichkeiten, oder ein Verkehr der einzelnen Staatsangehörigen unter- einander. Die Verwaltung der erſteren nennen wir die Verwaltung (Miniſterium) der auswärtigen Angelegenheiten, die der zweiten iſt das Conſulatweſen.
Die Selbſtändigkeit, Ehre und Macht des einzelnen Staates gegen- über dem andern iſt der Gegenſtand der Verwaltung der bewaffneten Macht (des Kriegsminiſteriums).
Das Recht beider Verwaltungsgebiete iſt das Völkerrecht; die Wiſſenſchaft des erſteren iſt die Staatskunſt (Politik), die des zweiten die Kriegswiſſenſchaft.
In den innern Lebensverhältniſſen iſt der erſte Gegenſtand der Verwaltung das wirthſchaftliche Leben des Staats, das wir nach ſeinem Haupttheile die Finanzen, und ihre Verwaltung die Finanzverwal- tung (Finanzminiſterium) nennen. Die Geſammtheit der dafür geltenden Beſtimmungen bildet das Finanzrecht; die Grundſätze, nach welchen dieſe Verwaltung vorzugehen hat, lehrt die Finanzwiſſenſchaft.
Der zweite Gegenſtand iſt die Erhaltung der Unverletzlichkeit der einzelnen Perſönlichkeit im Verkehr mit der andern, oder die Verwirk- lichung des Privatrechts. Die Geſammtheit der dafür geltenden Be- ſtimmungen enthalten das bürgerliche und das Strafrecht. Die Geſammtheit der Regeln, nach welchen die Verwaltung beider Rechts- gebiete vollzogen wird, bildet das Recht des (bürgerlichen und Straf-) Proceſſes; die Wiſſenſchaft deſſelben iſt die Rechtswiſſenſchaft; die wirkliche Verwaltung iſt die Rechtspflege (Juſtizminiſterium).
Das dritte Gebiet des inneren Lebens beruht nun darauf, daß der wirkliche Staat eben in der Geſammtheit ſeiner Angehörigen beſteht, und daß daher der Grad der ganzen perſönlichen Entwicklung jedes Einzelnen zugleich zum Grad und Inhalt der Entwicklung des Staates ſelber wird. Damit wird dann dieſer Fortſchritt jedes Einzelnen zu einer weſentlichen Aufgabe des Ganzen; die darauf bezügliche Thätig- keit des Staats nennen wir die innere Verwaltung, das für dieſelbe geltende Recht das innere Verwaltungsrecht, die Grundſätze,
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Verwaltungsorganen des verfaſſungsmäßigen Staates die Miniſterien)
nennen, für ſich betrachten.
Aus dem Weſen des Staats ergibt es ſich, daß ſich dieſe Ver-
waltungsgebiete in zwei Gruppen theilen. Die erſte bezieht ſich auf
die Verhältniſſe des einzelnen Staats zu andern Staaten; die zweite
auf ſeine innern Lebensverhältniſſe.
Aus dem Verhältniß zu andern Staaten geht zunächſt die Auf-
gabe hervor, den friedlichen Verkehr mit denſelben zu regeln. Dieſer
Verkehr iſt entweder ein Verkehr der Staaten als einheitlicher Perſön-
lichkeiten, oder ein Verkehr der einzelnen Staatsangehörigen unter-
einander. Die Verwaltung der erſteren nennen wir die Verwaltung
(Miniſterium) der auswärtigen Angelegenheiten, die der zweiten
iſt das Conſulatweſen.
Die Selbſtändigkeit, Ehre und Macht des einzelnen Staates gegen-
über dem andern iſt der Gegenſtand der Verwaltung der bewaffneten
Macht (des Kriegsminiſteriums).
Das Recht beider Verwaltungsgebiete iſt das Völkerrecht; die
Wiſſenſchaft des erſteren iſt die Staatskunſt (Politik), die des zweiten
die Kriegswiſſenſchaft.
In den innern Lebensverhältniſſen iſt der erſte Gegenſtand der
Verwaltung das wirthſchaftliche Leben des Staats, das wir nach ſeinem
Haupttheile die Finanzen, und ihre Verwaltung die Finanzverwal-
tung (Finanzminiſterium) nennen. Die Geſammtheit der dafür geltenden
Beſtimmungen bildet das Finanzrecht; die Grundſätze, nach welchen
dieſe Verwaltung vorzugehen hat, lehrt die Finanzwiſſenſchaft.
Der zweite Gegenſtand iſt die Erhaltung der Unverletzlichkeit der
einzelnen Perſönlichkeit im Verkehr mit der andern, oder die Verwirk-
lichung des Privatrechts. Die Geſammtheit der dafür geltenden Be-
ſtimmungen enthalten das bürgerliche und das Strafrecht. Die
Geſammtheit der Regeln, nach welchen die Verwaltung beider Rechts-
gebiete vollzogen wird, bildet das Recht des (bürgerlichen und Straf-)
Proceſſes; die Wiſſenſchaft deſſelben iſt die Rechtswiſſenſchaft;
die wirkliche Verwaltung iſt die Rechtspflege (Juſtizminiſterium).
Das dritte Gebiet des inneren Lebens beruht nun darauf, daß
der wirkliche Staat eben in der Geſammtheit ſeiner Angehörigen beſteht,
und daß daher der Grad der ganzen perſönlichen Entwicklung jedes
Einzelnen zugleich zum Grad und Inhalt der Entwicklung des Staates
ſelber wird. Damit wird dann dieſer Fortſchritt jedes Einzelnen zu
einer weſentlichen Aufgabe des Ganzen; die darauf bezügliche Thätig-
keit des Staats nennen wir die innere Verwaltung, das für
dieſelbe geltende Recht das innere Verwaltungsrecht, die Grundſätze,
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/32>, abgerufen am 16.07.2024.
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