Rechts, und der Unternehmungscredit empfängt damit eine neue Gestalt.
Die dritte Form ist nämlich die Unternehmung auf Aktien. Die Zeichnung und Einzahlung der Aktien ist wirthschaftlich nichts als ein Creditverein des betreffenden Betrages an die Unternehmung; das Recht der Aktien auf Dividende ist nur der Ausdruck des Wesens alles Unter- nehmungscredits; der wesentliche Unterschied von den beiden andern Gesellschaften aber besteht darin, daß die leitenden Organe von den Creditoren (Aktionären) gewählt werden, ihrem Beschlusse unter- worfen, und für die Leitung der Unternehmung ihnen verantwortlich sind. Erst in der Aktiengesellschaft beginnt daher das, was wir die eigentliche Organisation des Unternehmungscredits nennen. Aber die Aktienunternehmung bildet doch zunächst nur Credit und Capital für die bestimmte einzelne Unternehmung, für welche sie selbst ge- gründet ist. Sie ist daher im Einzelgeschäft wie jede andere Unter- nehmung. Das Princip aber, das in ihr lebendig ist, erzeugt nun vorübergehend die Form, welche fähig ist, den Unternehmungscredit als solchen zu organisiren.
Alle diese Formen des Unternehmungscredits entstehen nun nicht durch die Verwaltung und ihre Thätigkeit, eben so wenig wie der kauf- männische Credit und die Bankhäuser. Sie sind zunächst rein volks- wirthschaftliche Gestaltungen, und für sie gelten in allen Epochen daher in erster Reihe die Gesetze der Nationalökonomie und des Privatrechts. Allein mit der Entwicklung des volkswirthschaftlichen Lebens treten sie in den allgemeinen Verkehr, und nehmen in ihm selbst eine bedeutendere Stellung ein, wie die Einzelunternehmungen. So wie das geschieht, treten diejenigen Momente bei ihnen in den Vordergrund, die die for- male Bedingung ihrer Wirksamkeit sind, die rechtliche Gültigkeit ihrer Einheit gegenüber Dritten, und die rechtliche Ordnung der Betheiligung ihrer Mitglieder an der Unternehmung als Ganzem. Diese nun müssen, damit das Capital willig seinen Credit gebe, über individuelle Willkür und Streitigkeiten erhaben sein. Das aber kann nur geschehen, indem das Recht der Mitglieder gegen einander und das Recht des Ganzen gegen Dritte als objektives Recht festgestellt wird. Der Inhalt dieses Rechts ist dann wieder nicht eine Entwicklung des Rechts des Dar- lehens oder des Mandats, sondern ist die Consequenz des Wesens des Unternehmungscredits, gleichviel ob man denselben kennt oder nicht. Die volle und rechtlich abgeschlossene Entwicklung dieser Grundsätze tritt nun bei den Aktiengesellschaften ein; zunächst empfangen nun diese Ge- sellschaften ihr Recht in der Form der Statuten, die ihrem Begriff nach stets auf die Einzelgesellschaften berechnet sind. Mit ihrer Aus-
Rechts, und der Unternehmungscredit empfängt damit eine neue Geſtalt.
Die dritte Form iſt nämlich die Unternehmung auf Aktien. Die Zeichnung und Einzahlung der Aktien iſt wirthſchaftlich nichts als ein Creditverein des betreffenden Betrages an die Unternehmung; das Recht der Aktien auf Dividende iſt nur der Ausdruck des Weſens alles Unter- nehmungscredits; der weſentliche Unterſchied von den beiden andern Geſellſchaften aber beſteht darin, daß die leitenden Organe von den Creditoren (Aktionären) gewählt werden, ihrem Beſchluſſe unter- worfen, und für die Leitung der Unternehmung ihnen verantwortlich ſind. Erſt in der Aktiengeſellſchaft beginnt daher das, was wir die eigentliche Organiſation des Unternehmungscredits nennen. Aber die Aktienunternehmung bildet doch zunächſt nur Credit und Capital für die beſtimmte einzelne Unternehmung, für welche ſie ſelbſt ge- gründet iſt. Sie iſt daher im Einzelgeſchäft wie jede andere Unter- nehmung. Das Princip aber, das in ihr lebendig iſt, erzeugt nun vorübergehend die Form, welche fähig iſt, den Unternehmungscredit als ſolchen zu organiſiren.
Alle dieſe Formen des Unternehmungscredits entſtehen nun nicht durch die Verwaltung und ihre Thätigkeit, eben ſo wenig wie der kauf- männiſche Credit und die Bankhäuſer. Sie ſind zunächſt rein volks- wirthſchaftliche Geſtaltungen, und für ſie gelten in allen Epochen daher in erſter Reihe die Geſetze der Nationalökonomie und des Privatrechts. Allein mit der Entwicklung des volkswirthſchaftlichen Lebens treten ſie in den allgemeinen Verkehr, und nehmen in ihm ſelbſt eine bedeutendere Stellung ein, wie die Einzelunternehmungen. So wie das geſchieht, treten diejenigen Momente bei ihnen in den Vordergrund, die die for- male Bedingung ihrer Wirkſamkeit ſind, die rechtliche Gültigkeit ihrer Einheit gegenüber Dritten, und die rechtliche Ordnung der Betheiligung ihrer Mitglieder an der Unternehmung als Ganzem. Dieſe nun müſſen, damit das Capital willig ſeinen Credit gebe, über individuelle Willkür und Streitigkeiten erhaben ſein. Das aber kann nur geſchehen, indem das Recht der Mitglieder gegen einander und das Recht des Ganzen gegen Dritte als objektives Recht feſtgeſtellt wird. Der Inhalt dieſes Rechts iſt dann wieder nicht eine Entwicklung des Rechts des Dar- lehens oder des Mandats, ſondern iſt die Conſequenz des Weſens des Unternehmungscredits, gleichviel ob man denſelben kennt oder nicht. Die volle und rechtlich abgeſchloſſene Entwicklung dieſer Grundſätze tritt nun bei den Aktiengeſellſchaften ein; zunächſt empfangen nun dieſe Ge- ſellſchaften ihr Recht in der Form der Statuten, die ihrem Begriff nach ſtets auf die Einzelgeſellſchaften berechnet ſind. Mit ihrer Aus-
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Rechts, und der Unternehmungscredit empfängt damit eine neue
Geſtalt.
Die dritte Form iſt nämlich die Unternehmung auf Aktien. Die
Zeichnung und Einzahlung der Aktien iſt wirthſchaftlich nichts als ein
Creditverein des betreffenden Betrages an die Unternehmung; das Recht
der Aktien auf Dividende iſt nur der Ausdruck des Weſens alles Unter-
nehmungscredits; der weſentliche Unterſchied von den beiden andern
Geſellſchaften aber beſteht darin, daß die leitenden Organe von den
Creditoren (Aktionären) gewählt werden, ihrem Beſchluſſe unter-
worfen, und für die Leitung der Unternehmung ihnen verantwortlich
ſind. Erſt in der Aktiengeſellſchaft beginnt daher das, was wir die
eigentliche Organiſation des Unternehmungscredits nennen. Aber
die Aktienunternehmung bildet doch zunächſt nur Credit und Capital
für die beſtimmte einzelne Unternehmung, für welche ſie ſelbſt ge-
gründet iſt. Sie iſt daher im Einzelgeſchäft wie jede andere Unter-
nehmung. Das Princip aber, das in ihr lebendig iſt, erzeugt nun
vorübergehend die Form, welche fähig iſt, den Unternehmungscredit
als ſolchen zu organiſiren.
Alle dieſe Formen des Unternehmungscredits entſtehen nun nicht
durch die Verwaltung und ihre Thätigkeit, eben ſo wenig wie der kauf-
männiſche Credit und die Bankhäuſer. Sie ſind zunächſt rein volks-
wirthſchaftliche Geſtaltungen, und für ſie gelten in allen Epochen daher
in erſter Reihe die Geſetze der Nationalökonomie und des Privatrechts.
Allein mit der Entwicklung des volkswirthſchaftlichen Lebens treten ſie
in den allgemeinen Verkehr, und nehmen in ihm ſelbſt eine bedeutendere
Stellung ein, wie die Einzelunternehmungen. So wie das geſchieht,
treten diejenigen Momente bei ihnen in den Vordergrund, die die for-
male Bedingung ihrer Wirkſamkeit ſind, die rechtliche Gültigkeit ihrer
Einheit gegenüber Dritten, und die rechtliche Ordnung der Betheiligung
ihrer Mitglieder an der Unternehmung als Ganzem. Dieſe nun müſſen,
damit das Capital willig ſeinen Credit gebe, über individuelle Willkür
und Streitigkeiten erhaben ſein. Das aber kann nur geſchehen, indem
das Recht der Mitglieder gegen einander und das Recht des Ganzen
gegen Dritte als objektives Recht feſtgeſtellt wird. Der Inhalt dieſes
Rechts iſt dann wieder nicht eine Entwicklung des Rechts des Dar-
lehens oder des Mandats, ſondern iſt die Conſequenz des Weſens des
Unternehmungscredits, gleichviel ob man denſelben kennt oder nicht.
Die volle und rechtlich abgeſchloſſene Entwicklung dieſer Grundſätze tritt
nun bei den Aktiengeſellſchaften ein; zunächſt empfangen nun dieſe Ge-
ſellſchaften ihr Recht in der Form der Statuten, die ihrem Begriff
nach ſtets auf die Einzelgeſellſchaften berechnet ſind. Mit ihrer Aus-
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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