Frankreich zuerst die verschiedenen Funktionen geschieden als Min. de l'agri- culture, du commerce et des travaux publ. -- In Preußen das Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten; in Oesterreich das Ministerium für Handel und Volkswirthschaft und das Ministerium für Ackerbau. -- Ueber Handelskammern s. Stein, Selbstverwaltung S. 117. (Freie Interessen- vereine in England als associations, in Frankreich als Conseils, in Deutsch- land organisirte Vertretungen mit eigener Wahl.) Ueber die Gesellschaften und Vereine s. Stein, Vereinswesen.
B.Handelsverträge. Das erste Gebiet der Handelspflege ist nun die Aufgabe, den Handelsunternehmungen im Verkehr mit andern Staaten diejenigen Bedingungen ihrer freien Bewegung zu verschaffen, die sie als einzelne nicht erreichen können. Das nun ge- schieht durch Handelsverträge und Zollwesen.
Die Handelsverträge haben die Aufgabe, die eigenen Handels- unternehmungen im Verkehr mit andern Staaten in Beziehung auf Niederlassung, Betrieb und Verkehr der Unternehmungen mit den Angehörigen der letzteren gleichzustellen. Der Inhalt der ein- zelnen Handelsverträge richtet sich natürlich je nach den besondern Ver- hältnissen und Bedürfnissen des betreffenden Landes; die Geschichte der Handelsverträge aber ist die Erhebung des Grundsatzes der Gemeinschaft und Gleichheit des wirthschaftlichen Lebens Europas zum formalen internationalen Recht. Sie entstehen daher als Theile und Zusätze zu den Friedensverträgen; erst mit der Mitte des achtzehnten Jahr- hunderts, wo der Staatenbildungsproceß im Wesentlichen zu Ende ist, lösen sie sich ab von denselben, und beginnen von da an ein selbstän- diges Gebiet des internationalen Rechtssystems zu bilden; im neun- zehnten Jahrhundert aber empfangen sie einen andern Charakter. Mit der steigenden volkswirthschaftlichen Bildung wird nämlich die Erkenntniß allgemein, daß die freie Bewegung der fremden Unternehmungen den Fortschritt der einheimischen bedingt. Aus dieser Erkenntniß geht die Gegenseitigkeit im internationalen Recht der Unternehmungen her- vor, deren Ausdruck die Formel ist, nach der die einzelnen Völker sich gegenseitig mit "dem Recht der meist begünstigten Nationen" zulassen. Dieß allgemeine Princip der Handelsverträge erhält nun seine Ent- wicklung, indem die Hauptverhältnisse des Verkehrs selbständige Handelsverträge erzeugen, und sich so allmählig ein System derselben ausbildet. Die Hauptgebiete desselben sind die Niederlassungs- verträge, an welche sich die Verträge über gegenseitige Zulassung von Aktiengesellschaften anschließen; die Verträge über die Com- munikationsmittel, namentlich über Schifffahrt und in der neue- sten Zeit über Eisenbahnen; die Verträge über die Verkehrsanstalten
Frankreich zuerſt die verſchiedenen Funktionen geſchieden als Min. de l’agri- culture, du commerce et des travaux publ. — In Preußen das Miniſterium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten; in Oeſterreich das Miniſterium für Handel und Volkswirthſchaft und das Miniſterium für Ackerbau. — Ueber Handelskammern ſ. Stein, Selbſtverwaltung S. 117. (Freie Intereſſen- vereine in England als associations, in Frankreich als Conseils, in Deutſch- land organiſirte Vertretungen mit eigener Wahl.) Ueber die Geſellſchaften und Vereine ſ. Stein, Vereinsweſen.
B.Handelsverträge. Das erſte Gebiet der Handelspflege iſt nun die Aufgabe, den Handelsunternehmungen im Verkehr mit andern Staaten diejenigen Bedingungen ihrer freien Bewegung zu verſchaffen, die ſie als einzelne nicht erreichen können. Das nun ge- ſchieht durch Handelsverträge und Zollweſen.
Die Handelsverträge haben die Aufgabe, die eigenen Handels- unternehmungen im Verkehr mit andern Staaten in Beziehung auf Niederlaſſung, Betrieb und Verkehr der Unternehmungen mit den Angehörigen der letzteren gleichzuſtellen. Der Inhalt der ein- zelnen Handelsverträge richtet ſich natürlich je nach den beſondern Ver- hältniſſen und Bedürfniſſen des betreffenden Landes; die Geſchichte der Handelsverträge aber iſt die Erhebung des Grundſatzes der Gemeinſchaft und Gleichheit des wirthſchaftlichen Lebens Europas zum formalen internationalen Recht. Sie entſtehen daher als Theile und Zuſätze zu den Friedensverträgen; erſt mit der Mitte des achtzehnten Jahr- hunderts, wo der Staatenbildungsproceß im Weſentlichen zu Ende iſt, löſen ſie ſich ab von denſelben, und beginnen von da an ein ſelbſtän- diges Gebiet des internationalen Rechtsſyſtems zu bilden; im neun- zehnten Jahrhundert aber empfangen ſie einen andern Charakter. Mit der ſteigenden volkswirthſchaftlichen Bildung wird nämlich die Erkenntniß allgemein, daß die freie Bewegung der fremden Unternehmungen den Fortſchritt der einheimiſchen bedingt. Aus dieſer Erkenntniß geht die Gegenſeitigkeit im internationalen Recht der Unternehmungen her- vor, deren Ausdruck die Formel iſt, nach der die einzelnen Völker ſich gegenſeitig mit „dem Recht der meiſt begünſtigten Nationen“ zulaſſen. Dieß allgemeine Princip der Handelsverträge erhält nun ſeine Ent- wicklung, indem die Hauptverhältniſſe des Verkehrs ſelbſtändige Handelsverträge erzeugen, und ſich ſo allmählig ein Syſtem derſelben ausbildet. Die Hauptgebiete deſſelben ſind die Niederlaſſungs- verträge, an welche ſich die Verträge über gegenſeitige Zulaſſung von Aktiengeſellſchaften anſchließen; die Verträge über die Com- munikationsmittel, namentlich über Schifffahrt und in der neue- ſten Zeit über Eiſenbahnen; die Verträge über die Verkehrsanſtalten
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Frankreich zuerſt die verſchiedenen Funktionen geſchieden als Min. de l’agri-
culture, du commerce et des travaux publ. — In Preußen das Miniſterium
für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten; in Oeſterreich das Miniſterium
für Handel und Volkswirthſchaft und das Miniſterium für Ackerbau. — Ueber
Handelskammern ſ. Stein, Selbſtverwaltung S. 117. (Freie Intereſſen-
vereine in England als associations, in Frankreich als Conseils, in Deutſch-
land organiſirte Vertretungen mit eigener Wahl.) Ueber die Geſellſchaften und
Vereine ſ. Stein, Vereinsweſen.
B. Handelsverträge. Das erſte Gebiet der Handelspflege iſt
nun die Aufgabe, den Handelsunternehmungen im Verkehr mit
andern Staaten diejenigen Bedingungen ihrer freien Bewegung zu
verſchaffen, die ſie als einzelne nicht erreichen können. Das nun ge-
ſchieht durch Handelsverträge und Zollweſen.
Die Handelsverträge haben die Aufgabe, die eigenen Handels-
unternehmungen im Verkehr mit andern Staaten in Beziehung auf
Niederlaſſung, Betrieb und Verkehr der Unternehmungen mit
den Angehörigen der letzteren gleichzuſtellen. Der Inhalt der ein-
zelnen Handelsverträge richtet ſich natürlich je nach den beſondern Ver-
hältniſſen und Bedürfniſſen des betreffenden Landes; die Geſchichte der
Handelsverträge aber iſt die Erhebung des Grundſatzes der Gemeinſchaft
und Gleichheit des wirthſchaftlichen Lebens Europas zum formalen
internationalen Recht. Sie entſtehen daher als Theile und Zuſätze
zu den Friedensverträgen; erſt mit der Mitte des achtzehnten Jahr-
hunderts, wo der Staatenbildungsproceß im Weſentlichen zu Ende iſt,
löſen ſie ſich ab von denſelben, und beginnen von da an ein ſelbſtän-
diges Gebiet des internationalen Rechtsſyſtems zu bilden; im neun-
zehnten Jahrhundert aber empfangen ſie einen andern Charakter. Mit
der ſteigenden volkswirthſchaftlichen Bildung wird nämlich die Erkenntniß
allgemein, daß die freie Bewegung der fremden Unternehmungen den
Fortſchritt der einheimiſchen bedingt. Aus dieſer Erkenntniß geht die
Gegenſeitigkeit im internationalen Recht der Unternehmungen her-
vor, deren Ausdruck die Formel iſt, nach der die einzelnen Völker ſich
gegenſeitig mit „dem Recht der meiſt begünſtigten Nationen“ zulaſſen.
Dieß allgemeine Princip der Handelsverträge erhält nun ſeine Ent-
wicklung, indem die Hauptverhältniſſe des Verkehrs ſelbſtändige
Handelsverträge erzeugen, und ſich ſo allmählig ein Syſtem derſelben
ausbildet. Die Hauptgebiete deſſelben ſind die Niederlaſſungs-
verträge, an welche ſich die Verträge über gegenſeitige Zulaſſung von
Aktiengeſellſchaften anſchließen; die Verträge über die Com-
munikationsmittel, namentlich über Schifffahrt und in der neue-
ſten Zeit über Eiſenbahnen; die Verträge über die Verkehrsanſtalten
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/394>, abgerufen am 22.11.2024.
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