Allein im eigentlichen Sinne des Wortes reden wir doch erst da von einer Geschichte, wo diese Verwaltung zum selbständigen und be- wußten Gegenstand des Staatswillens wird. Auch hier empfängt die- selbe erst ihren festen Inhalt durch das Recht. Und die Geschichte der inneren Verwaltung erscheint daher zunächst als die Geschichte des Verwaltungsrechts.
Allerdings aber hat eine solche Rechtsbildung einen selbständigen und selbstthätigen Staat zur Voraussetzung. Der Träger und Aus- druck dieses Staates ist das Königthum. Und dadurch ergibt sich die bedeutsame Thatsache, daß die eigentliche Geschichte der inneren Ver- waltung erst mit dem selbständigen Königthum, das ist ungefähr seit dem fünfzehnten Jahrhundert, beginnt, und daß die großen Epochen, welche sie seit dieser Zeit durchlaufen hat, sich auf allen Punkten an das Königthum und die von ihm ausgehende Regierung anschließen.
Man wird daher sagen müssen, daß bis zur Entwicklung dieses selbständigen Königthums das innere Verwaltungsrecht statt auf der Idee des Staats, vielmehr auf dem Wesen und der Gestalt der Ge- sellschaftsordnung beruht. Diese rein gesellschaftliche Gestalt derselben bildet daher den ersten großen Abschnitt in der Geschichte des Ver- waltungsrechts. Der zweite entsteht dadurch, daß das Königthum die Verwaltung in seine Hand nimmt. Der dritte endlich, in dessen Be- ginne wir stehen, beruht darauf, daß die Selbstthätigkeit des Volkes neben der der Regierung auftritt, und Selbstverwaltung und Vereins- wesen auf allen Punkten zur Geltung gelangen.
Nach diesen entscheidenden Elementen gestaltet sich nun die Geschichte der inneren Verwaltung in folgender Weise.
Die beiden Grundformen der noch ohne Königthum und Regierung sich bildenden Anfänge der inneren Verwaltung bezeichnen wir als die der Grundherrlichkeit und als die corporative Verwaltung. Sie greifen so tief und in Deutschland namentlich so weit bis in die neueste Zeit hinein, daß es nothwendig ist, wenigstens ihren Charakter festzustellen.
Wie die Grundherrlichkeit sich aus der freien Geschlechterverfassung des alten Bauerndorfes seit dem zehnten Jahrhundert entwickelt hat, das darf hier als bekannt vorausgesetzt werden. Einmal entstanden aber, bildet sie alsbald für alle Verhältnisse, und so auch für die ersten Anfänge der inneren Verwaltung ihren specifischen Charakter aus. Ihr großes Princip ist das Eigenthumsrecht an allen öffentlichen Rechten vermöge des Eigenthumsrechts an Grund und Boden. Jede Grund- herrlichkeit ist daher zwar in der Verfassung dem Ganzen, rechtlich ver- treten durch die Idee der Lehnshoheit, faktisch durch den höchsten
Allein im eigentlichen Sinne des Wortes reden wir doch erſt da von einer Geſchichte, wo dieſe Verwaltung zum ſelbſtändigen und be- wußten Gegenſtand des Staatswillens wird. Auch hier empfängt die- ſelbe erſt ihren feſten Inhalt durch das Recht. Und die Geſchichte der inneren Verwaltung erſcheint daher zunächſt als die Geſchichte des Verwaltungsrechts.
Allerdings aber hat eine ſolche Rechtsbildung einen ſelbſtändigen und ſelbſtthätigen Staat zur Vorausſetzung. Der Träger und Aus- druck dieſes Staates iſt das Königthum. Und dadurch ergibt ſich die bedeutſame Thatſache, daß die eigentliche Geſchichte der inneren Ver- waltung erſt mit dem ſelbſtändigen Königthum, das iſt ungefähr ſeit dem fünfzehnten Jahrhundert, beginnt, und daß die großen Epochen, welche ſie ſeit dieſer Zeit durchlaufen hat, ſich auf allen Punkten an das Königthum und die von ihm ausgehende Regierung anſchließen.
Man wird daher ſagen müſſen, daß bis zur Entwicklung dieſes ſelbſtändigen Königthums das innere Verwaltungsrecht ſtatt auf der Idee des Staats, vielmehr auf dem Weſen und der Geſtalt der Ge- ſellſchaftsordnung beruht. Dieſe rein geſellſchaftliche Geſtalt derſelben bildet daher den erſten großen Abſchnitt in der Geſchichte des Ver- waltungsrechts. Der zweite entſteht dadurch, daß das Königthum die Verwaltung in ſeine Hand nimmt. Der dritte endlich, in deſſen Be- ginne wir ſtehen, beruht darauf, daß die Selbſtthätigkeit des Volkes neben der der Regierung auftritt, und Selbſtverwaltung und Vereins- weſen auf allen Punkten zur Geltung gelangen.
Nach dieſen entſcheidenden Elementen geſtaltet ſich nun die Geſchichte der inneren Verwaltung in folgender Weiſe.
Die beiden Grundformen der noch ohne Königthum und Regierung ſich bildenden Anfänge der inneren Verwaltung bezeichnen wir als die der Grundherrlichkeit und als die corporative Verwaltung. Sie greifen ſo tief und in Deutſchland namentlich ſo weit bis in die neueſte Zeit hinein, daß es nothwendig iſt, wenigſtens ihren Charakter feſtzuſtellen.
Wie die Grundherrlichkeit ſich aus der freien Geſchlechterverfaſſung des alten Bauerndorfes ſeit dem zehnten Jahrhundert entwickelt hat, das darf hier als bekannt vorausgeſetzt werden. Einmal entſtanden aber, bildet ſie alsbald für alle Verhältniſſe, und ſo auch für die erſten Anfänge der inneren Verwaltung ihren ſpecifiſchen Charakter aus. Ihr großes Princip iſt das Eigenthumsrecht an allen öffentlichen Rechten vermöge des Eigenthumsrechts an Grund und Boden. Jede Grund- herrlichkeit iſt daher zwar in der Verfaſſung dem Ganzen, rechtlich ver- treten durch die Idee der Lehnshoheit, faktiſch durch den höchſten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0071"n="47"/>
Allein im eigentlichen Sinne des Wortes reden wir doch erſt da<lb/>
von einer Geſchichte, wo dieſe Verwaltung zum ſelbſtändigen und be-<lb/>
wußten Gegenſtand des Staatswillens wird. Auch hier empfängt die-<lb/>ſelbe erſt ihren feſten Inhalt durch das Recht. Und die Geſchichte der<lb/>
inneren Verwaltung erſcheint daher zunächſt als die Geſchichte des<lb/>
Verwaltungsrechts.</p><lb/><p>Allerdings aber hat eine ſolche Rechtsbildung einen ſelbſtändigen<lb/>
und ſelbſtthätigen <hirendition="#g">Staat</hi> zur Vorausſetzung. Der Träger und Aus-<lb/>
druck dieſes Staates iſt das Königthum. Und dadurch ergibt ſich die<lb/>
bedeutſame Thatſache, daß die eigentliche Geſchichte der inneren Ver-<lb/>
waltung erſt mit dem ſelbſtändigen Königthum, das iſt ungefähr ſeit<lb/>
dem fünfzehnten Jahrhundert, beginnt, und daß die großen Epochen,<lb/>
welche ſie ſeit dieſer Zeit durchlaufen hat, ſich auf allen Punkten an<lb/>
das Königthum und die von ihm ausgehende Regierung anſchließen.</p><lb/><p>Man wird daher ſagen müſſen, daß bis zur Entwicklung dieſes<lb/>ſelbſtändigen Königthums das innere Verwaltungsrecht ſtatt auf der<lb/>
Idee des Staats, vielmehr auf dem Weſen und der Geſtalt der Ge-<lb/>ſellſchaftsordnung beruht. Dieſe rein geſellſchaftliche Geſtalt derſelben<lb/>
bildet daher den <hirendition="#g">erſten</hi> großen Abſchnitt in der Geſchichte des Ver-<lb/>
waltungsrechts. Der <hirendition="#g">zweite</hi> entſteht dadurch, daß das Königthum die<lb/>
Verwaltung in ſeine Hand nimmt. Der <hirendition="#g">dritte</hi> endlich, in deſſen Be-<lb/>
ginne wir ſtehen, beruht darauf, daß die Selbſtthätigkeit des Volkes<lb/>
neben der der Regierung auftritt, und Selbſtverwaltung und Vereins-<lb/>
weſen auf allen Punkten zur Geltung gelangen.</p><lb/><p>Nach dieſen entſcheidenden Elementen geſtaltet ſich nun die Geſchichte<lb/>
der inneren Verwaltung in folgender Weiſe.</p><lb/><p>Die beiden Grundformen der noch ohne Königthum und Regierung<lb/>ſich bildenden Anfänge der inneren Verwaltung bezeichnen wir als die<lb/>
der <hirendition="#g">Grundherrlichkeit</hi> und als die <hirendition="#g">corporative Verwaltung</hi>.<lb/>
Sie greifen ſo tief und in Deutſchland namentlich ſo weit bis in die<lb/>
neueſte Zeit hinein, daß es nothwendig iſt, wenigſtens ihren Charakter<lb/>
feſtzuſtellen.</p><lb/><p>Wie die Grundherrlichkeit ſich aus der freien Geſchlechterverfaſſung<lb/>
des alten Bauerndorfes ſeit dem zehnten Jahrhundert entwickelt hat,<lb/>
das darf hier als bekannt vorausgeſetzt werden. Einmal entſtanden<lb/>
aber, bildet ſie alsbald für <hirendition="#g">alle</hi> Verhältniſſe, und ſo auch für die<lb/>
erſten Anfänge der inneren Verwaltung ihren ſpecifiſchen Charakter aus.<lb/>
Ihr großes Princip iſt das Eigenthumsrecht an allen öffentlichen Rechten<lb/><hirendition="#g">vermöge</hi> des Eigenthumsrechts an Grund und Boden. Jede Grund-<lb/>
herrlichkeit iſt daher zwar in der Verfaſſung dem Ganzen, rechtlich ver-<lb/>
treten durch die Idee der Lehnshoheit, faktiſch durch den höchſten<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[47/0071]
Allein im eigentlichen Sinne des Wortes reden wir doch erſt da
von einer Geſchichte, wo dieſe Verwaltung zum ſelbſtändigen und be-
wußten Gegenſtand des Staatswillens wird. Auch hier empfängt die-
ſelbe erſt ihren feſten Inhalt durch das Recht. Und die Geſchichte der
inneren Verwaltung erſcheint daher zunächſt als die Geſchichte des
Verwaltungsrechts.
Allerdings aber hat eine ſolche Rechtsbildung einen ſelbſtändigen
und ſelbſtthätigen Staat zur Vorausſetzung. Der Träger und Aus-
druck dieſes Staates iſt das Königthum. Und dadurch ergibt ſich die
bedeutſame Thatſache, daß die eigentliche Geſchichte der inneren Ver-
waltung erſt mit dem ſelbſtändigen Königthum, das iſt ungefähr ſeit
dem fünfzehnten Jahrhundert, beginnt, und daß die großen Epochen,
welche ſie ſeit dieſer Zeit durchlaufen hat, ſich auf allen Punkten an
das Königthum und die von ihm ausgehende Regierung anſchließen.
Man wird daher ſagen müſſen, daß bis zur Entwicklung dieſes
ſelbſtändigen Königthums das innere Verwaltungsrecht ſtatt auf der
Idee des Staats, vielmehr auf dem Weſen und der Geſtalt der Ge-
ſellſchaftsordnung beruht. Dieſe rein geſellſchaftliche Geſtalt derſelben
bildet daher den erſten großen Abſchnitt in der Geſchichte des Ver-
waltungsrechts. Der zweite entſteht dadurch, daß das Königthum die
Verwaltung in ſeine Hand nimmt. Der dritte endlich, in deſſen Be-
ginne wir ſtehen, beruht darauf, daß die Selbſtthätigkeit des Volkes
neben der der Regierung auftritt, und Selbſtverwaltung und Vereins-
weſen auf allen Punkten zur Geltung gelangen.
Nach dieſen entſcheidenden Elementen geſtaltet ſich nun die Geſchichte
der inneren Verwaltung in folgender Weiſe.
Die beiden Grundformen der noch ohne Königthum und Regierung
ſich bildenden Anfänge der inneren Verwaltung bezeichnen wir als die
der Grundherrlichkeit und als die corporative Verwaltung.
Sie greifen ſo tief und in Deutſchland namentlich ſo weit bis in die
neueſte Zeit hinein, daß es nothwendig iſt, wenigſtens ihren Charakter
feſtzuſtellen.
Wie die Grundherrlichkeit ſich aus der freien Geſchlechterverfaſſung
des alten Bauerndorfes ſeit dem zehnten Jahrhundert entwickelt hat,
das darf hier als bekannt vorausgeſetzt werden. Einmal entſtanden
aber, bildet ſie alsbald für alle Verhältniſſe, und ſo auch für die
erſten Anfänge der inneren Verwaltung ihren ſpecifiſchen Charakter aus.
Ihr großes Princip iſt das Eigenthumsrecht an allen öffentlichen Rechten
vermöge des Eigenthumsrechts an Grund und Boden. Jede Grund-
herrlichkeit iſt daher zwar in der Verfaſſung dem Ganzen, rechtlich ver-
treten durch die Idee der Lehnshoheit, faktiſch durch den höchſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/71>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.