öffentlichen Zustände, theils in das Recht der Einzelnen, theils auch in Recht und Interessen Dritter sehr tief hineingreifen kann. Die Ver- haltnisse, welche auf diese Weise aus dem Wechsel des Aufenthalts für das Ganze wie für die Einzelnen entstehen, sind daher stets Gegen- stand öffentlich rechtlicher Bestimmungen gewesen, und die Gesammtheit dieser Bestimmungen bildet das Paß- und Fremdenwesen. Die Geschichte desselben ist ein nicht unwichtiger Theil der Rechtsgeschichte überhaupt, und bezeichnend für die Gesammtentwicklung des inneren Lebens des Volkes.
Das Rechtsprincip für das älteste Fremdenrecht (Geschlechterord- nung) war die Rechtlosigkeit der Fremden, die nur durch das Gast- recht, und später das Geleitsrecht des Mittelalters für Einzelne aufgehoben ward. Mit dem Entstehen des Verkehrs wird es dann noth- wendig, den Grundsatz des Mittelalters aufzuheben, und die recht- liche Freiheit der Bewegung auszusprechen, indem man zunächst dem Einzelnen überließ, sich vorkommenden Falles zu legitimiren. Die poli- zeiliche Epoche kommt dann zur Erkenntniß der Gefährdung der Staaten einerseits, und der individuellen Sicherheit andererseits bei der schranken- losen Ausübung dieses Rechts in den zerwühlten Zuständen der unter- gehenden ständischen Epoche, und stellt dagegen theils im Interesse des Staats, theils in dem der Bevölkerung und der Gemeinden zuerst den Grundsatz auf, daß überhaupt jede örtliche Bewegung von einer obrigkeitlichen Erlaubniß für den Einzelnen abhängig sein und daß der Mangel derselben strafbar sein solle. So entsteht für die Reise aus einem Staatsgebiet in das andere das Paßwesen, aus einer Gemeinde in die andere das Meldungswesen, als äußeres und inneres Fremdenrecht. Dieß System des polizeilichen Frem- denrechts, mit dem vorigen Jahrhundert beginnend und zum Theil gültig bis auf die neueste Zeit, hatte nun neben seinem unfreien Ele- mente der obrigkeitlichen Erlaubniß für die ihrem Wesen nach freie Be- wegung des Einzelnen zugleich das zweite organische und wichtige Ele- ment in sich, daß es die öffentliche Legitimation als Feststellung der Identität der Persönlichkeit, Staats- und Gemeindeangehörigkeit enthielt, welche für jeden von Wichtigkeit werden konnte. Die neueste Zeit daher, indem sie durch die gewaltigen Bewegungen in den Bevöl- kerungen das System der Erlaubnisse unmöglich machte, suchte dagegen naturgemäß das System der Legitimationen festzuhalten, und zwar zu- erst als ein obligates, was aber wieder nur bei größeren Reisen, namentlich in fremde Länder, ausführbar erschien; dann aber als fa- cultatives, indem dem Einzelnen im eigenen Interesse freigestellt ward, einen Paß als öffentliches Legitimationsdokument zu erwerben,
öffentlichen Zuſtände, theils in das Recht der Einzelnen, theils auch in Recht und Intereſſen Dritter ſehr tief hineingreifen kann. Die Ver- haltniſſe, welche auf dieſe Weiſe aus dem Wechſel des Aufenthalts für das Ganze wie für die Einzelnen entſtehen, ſind daher ſtets Gegen- ſtand öffentlich rechtlicher Beſtimmungen geweſen, und die Geſammtheit dieſer Beſtimmungen bildet das Paß- und Fremdenweſen. Die Geſchichte deſſelben iſt ein nicht unwichtiger Theil der Rechtsgeſchichte überhaupt, und bezeichnend für die Geſammtentwicklung des inneren Lebens des Volkes.
Das Rechtsprincip für das älteſte Fremdenrecht (Geſchlechterord- nung) war die Rechtloſigkeit der Fremden, die nur durch das Gaſt- recht, und ſpäter das Geleitsrecht des Mittelalters für Einzelne aufgehoben ward. Mit dem Entſtehen des Verkehrs wird es dann noth- wendig, den Grundſatz des Mittelalters aufzuheben, und die recht- liche Freiheit der Bewegung auszuſprechen, indem man zunächſt dem Einzelnen überließ, ſich vorkommenden Falles zu legitimiren. Die poli- zeiliche Epoche kommt dann zur Erkenntniß der Gefährdung der Staaten einerſeits, und der individuellen Sicherheit andererſeits bei der ſchranken- loſen Ausübung dieſes Rechts in den zerwühlten Zuſtänden der unter- gehenden ſtändiſchen Epoche, und ſtellt dagegen theils im Intereſſe des Staats, theils in dem der Bevölkerung und der Gemeinden zuerſt den Grundſatz auf, daß überhaupt jede örtliche Bewegung von einer obrigkeitlichen Erlaubniß für den Einzelnen abhängig ſein und daß der Mangel derſelben ſtrafbar ſein ſolle. So entſteht für die Reiſe aus einem Staatsgebiet in das andere das Paßweſen, aus einer Gemeinde in die andere das Meldungsweſen, als äußeres und inneres Fremdenrecht. Dieß Syſtem des polizeilichen Frem- denrechts, mit dem vorigen Jahrhundert beginnend und zum Theil gültig bis auf die neueſte Zeit, hatte nun neben ſeinem unfreien Ele- mente der obrigkeitlichen Erlaubniß für die ihrem Weſen nach freie Be- wegung des Einzelnen zugleich das zweite organiſche und wichtige Ele- ment in ſich, daß es die öffentliche Legitimation als Feſtſtellung der Identität der Perſönlichkeit, Staats- und Gemeindeangehörigkeit enthielt, welche für jeden von Wichtigkeit werden konnte. Die neueſte Zeit daher, indem ſie durch die gewaltigen Bewegungen in den Bevöl- kerungen das Syſtem der Erlaubniſſe unmöglich machte, ſuchte dagegen naturgemäß das Syſtem der Legitimationen feſtzuhalten, und zwar zu- erſt als ein obligates, was aber wieder nur bei größeren Reiſen, namentlich in fremde Länder, ausführbar erſchien; dann aber als fa- cultatives, indem dem Einzelnen im eigenen Intereſſe freigeſtellt ward, einen Paß als öffentliches Legitimationsdokument zu erwerben,
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öffentlichen Zuſtände, theils in das Recht der Einzelnen, theils auch
in Recht und Intereſſen Dritter ſehr tief hineingreifen kann. Die Ver-
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das Ganze wie für die Einzelnen entſtehen, ſind daher ſtets Gegen-
ſtand öffentlich rechtlicher Beſtimmungen geweſen, und die Geſammtheit
dieſer Beſtimmungen bildet das Paß- und Fremdenweſen. Die
Geſchichte deſſelben iſt ein nicht unwichtiger Theil der Rechtsgeſchichte
überhaupt, und bezeichnend für die Geſammtentwicklung des inneren
Lebens des Volkes.
Das Rechtsprincip für das älteſte Fremdenrecht (Geſchlechterord-
nung) war die Rechtloſigkeit der Fremden, die nur durch das Gaſt-
recht, und ſpäter das Geleitsrecht des Mittelalters für Einzelne
aufgehoben ward. Mit dem Entſtehen des Verkehrs wird es dann noth-
wendig, den Grundſatz des Mittelalters aufzuheben, und die recht-
liche Freiheit der Bewegung auszuſprechen, indem man zunächſt dem
Einzelnen überließ, ſich vorkommenden Falles zu legitimiren. Die poli-
zeiliche Epoche kommt dann zur Erkenntniß der Gefährdung der Staaten
einerſeits, und der individuellen Sicherheit andererſeits bei der ſchranken-
loſen Ausübung dieſes Rechts in den zerwühlten Zuſtänden der unter-
gehenden ſtändiſchen Epoche, und ſtellt dagegen theils im Intereſſe des
Staats, theils in dem der Bevölkerung und der Gemeinden zuerſt den
Grundſatz auf, daß überhaupt jede örtliche Bewegung von einer
obrigkeitlichen Erlaubniß für den Einzelnen abhängig ſein und
daß der Mangel derſelben ſtrafbar ſein ſolle. So entſteht für die
Reiſe aus einem Staatsgebiet in das andere das Paßweſen, aus
einer Gemeinde in die andere das Meldungsweſen, als äußeres
und inneres Fremdenrecht. Dieß Syſtem des polizeilichen Frem-
denrechts, mit dem vorigen Jahrhundert beginnend und zum Theil
gültig bis auf die neueſte Zeit, hatte nun neben ſeinem unfreien Ele-
mente der obrigkeitlichen Erlaubniß für die ihrem Weſen nach freie Be-
wegung des Einzelnen zugleich das zweite organiſche und wichtige Ele-
ment in ſich, daß es die öffentliche Legitimation als Feſtſtellung
der Identität der Perſönlichkeit, Staats- und Gemeindeangehörigkeit
enthielt, welche für jeden von Wichtigkeit werden konnte. Die neueſte
Zeit daher, indem ſie durch die gewaltigen Bewegungen in den Bevöl-
kerungen das Syſtem der Erlaubniſſe unmöglich machte, ſuchte dagegen
naturgemäß das Syſtem der Legitimationen feſtzuhalten, und zwar zu-
erſt als ein obligates, was aber wieder nur bei größeren Reiſen,
namentlich in fremde Länder, ausführbar erſchien; dann aber als fa-
cultatives, indem dem Einzelnen im eigenen Intereſſe freigeſtellt
ward, einen Paß als öffentliches Legitimationsdokument zu erwerben,
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/95>, abgerufen am 21.11.2024.
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