Die Form in der das geschieht, besteht theils darin, daß sie selbst als vollziehende Organe der Verordnungsgewalt der Regierung auftreten und damit dem Amtswesen gehören, theils darin, daß das ihnen zu- stehende eigene Verordnungsrecht die Genehmigung der höchsten voll- ziehenden Gewalt fordert, theils darin, daß auch da, wo dieß nicht der Fall ist, die letztere das Recht des Verbotes gegen ihre Thätig- keit besitzt.
Die somit gesetzte Selbständigkeit der freien Verwaltung gegenüber der staatlichen wird durch die von der Gesetzgebung gegebene Anerken- nung zu einem Theile der Verfassung. Die Rechte der höchsten voll- ziehenden Gewalt aber über die Organe der freien Verwaltung erscheinen ihrerseits als organisch nothwendig, weil sie selbst wieder die Voraus- setzung der Verantwortlichkeit bilden, diese aber die unbedingte Voraus- setzung des harmonischen Staatslebens ist.
Denkt man sich nun diese Principien ausgebildet und ausgesprochen für die Gesammtheit der wirklichen Verwaltungsorgane eines Staats, und mithin speziell entwickelt für das praktische Verhalten zwischen den Organen des Amtswesens in der Selbstverwaltung und im Vereine, so entsteht das, was wir das System des Organismus in einem Staate nennen.
Die concrete Gestalt eines solchen Systems hängt nun einerseits von den concreten, meist historisch gebildeten Zuständen und Verhält- nissen der Selbstverwaltungskörper ab, theils auch von der Auffassung, welche bei der verfassungsmäßigen Ordnung der Rechte der letzteren im Einzelnen obwaltete. So gleichmäßig daher auch die Principien sind, welche für den Organismus gelten, so höchst verschieden ist die wirkliche Gestalt desselben in den verschiedenen Ländern. Diese Verschiedenheit gilt nicht etwa bloß für die einzelnen Sätze und Rechte in dieser Organi- sation, sondern sie beruht vielmehr auf der Gesammtauffassung des Ver- haltens zwischen der Regierungsgewalt und den Formen der freien Ver- waltung. Und in dieser Gesammtauffassung besteht dasjenige, was man den Charakter des Verwaltungsorganismus eines Reiches nennen kann. Dieser Charakter besteht nicht in einzelnen für den Organismus selbst gültigen Sätzen und Gesetzen, sondern vielmehr in derjenigen all- gemeinen Richtung, welche entweder die Organe der freien, oder die der staatlichen Verwaltung als die Hauptsache betrachtet, und mithin das Maß der selbständigen Thätigkeit der einen oder der andern so weit als möglich zu erweitern und in dieser Erweiterung den Kern der Entwick- lung des Staatslebens anzuerkennen trachtet. Man kann schon hier im Allgemeinen sagen, daß Englands Charakter in dieser Beziehung den Schwerpunkt in die freie Verwaltung, Frankreich dagegen ihn in die
Die Form in der das geſchieht, beſteht theils darin, daß ſie ſelbſt als vollziehende Organe der Verordnungsgewalt der Regierung auftreten und damit dem Amtsweſen gehören, theils darin, daß das ihnen zu- ſtehende eigene Verordnungsrecht die Genehmigung der höchſten voll- ziehenden Gewalt fordert, theils darin, daß auch da, wo dieß nicht der Fall iſt, die letztere das Recht des Verbotes gegen ihre Thätig- keit beſitzt.
Die ſomit geſetzte Selbſtändigkeit der freien Verwaltung gegenüber der ſtaatlichen wird durch die von der Geſetzgebung gegebene Anerken- nung zu einem Theile der Verfaſſung. Die Rechte der höchſten voll- ziehenden Gewalt aber über die Organe der freien Verwaltung erſcheinen ihrerſeits als organiſch nothwendig, weil ſie ſelbſt wieder die Voraus- ſetzung der Verantwortlichkeit bilden, dieſe aber die unbedingte Voraus- ſetzung des harmoniſchen Staatslebens iſt.
Denkt man ſich nun dieſe Principien ausgebildet und ausgeſprochen für die Geſammtheit der wirklichen Verwaltungsorgane eines Staats, und mithin ſpeziell entwickelt für das praktiſche Verhalten zwiſchen den Organen des Amtsweſens in der Selbſtverwaltung und im Vereine, ſo entſteht das, was wir das Syſtem des Organismus in einem Staate nennen.
Die concrete Geſtalt eines ſolchen Syſtems hängt nun einerſeits von den concreten, meiſt hiſtoriſch gebildeten Zuſtänden und Verhält- niſſen der Selbſtverwaltungskörper ab, theils auch von der Auffaſſung, welche bei der verfaſſungsmäßigen Ordnung der Rechte der letzteren im Einzelnen obwaltete. So gleichmäßig daher auch die Principien ſind, welche für den Organismus gelten, ſo höchſt verſchieden iſt die wirkliche Geſtalt deſſelben in den verſchiedenen Ländern. Dieſe Verſchiedenheit gilt nicht etwa bloß für die einzelnen Sätze und Rechte in dieſer Organi- ſation, ſondern ſie beruht vielmehr auf der Geſammtauffaſſung des Ver- haltens zwiſchen der Regierungsgewalt und den Formen der freien Ver- waltung. Und in dieſer Geſammtauffaſſung beſteht dasjenige, was man den Charakter des Verwaltungsorganismus eines Reiches nennen kann. Dieſer Charakter beſteht nicht in einzelnen für den Organismus ſelbſt gültigen Sätzen und Geſetzen, ſondern vielmehr in derjenigen all- gemeinen Richtung, welche entweder die Organe der freien, oder die der ſtaatlichen Verwaltung als die Hauptſache betrachtet, und mithin das Maß der ſelbſtändigen Thätigkeit der einen oder der andern ſo weit als möglich zu erweitern und in dieſer Erweiterung den Kern der Entwick- lung des Staatslebens anzuerkennen trachtet. Man kann ſchon hier im Allgemeinen ſagen, daß Englands Charakter in dieſer Beziehung den Schwerpunkt in die freie Verwaltung, Frankreich dagegen ihn in die
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Die Form in der das geſchieht, beſteht theils darin, daß ſie ſelbſt
als vollziehende Organe der Verordnungsgewalt der Regierung auftreten
und damit dem Amtsweſen gehören, theils darin, daß das ihnen zu-
ſtehende eigene Verordnungsrecht die Genehmigung der höchſten voll-
ziehenden Gewalt fordert, theils darin, daß auch da, wo dieß nicht
der Fall iſt, die letztere das Recht des Verbotes gegen ihre Thätig-
keit beſitzt.
Die ſomit geſetzte Selbſtändigkeit der freien Verwaltung gegenüber
der ſtaatlichen wird durch die von der Geſetzgebung gegebene Anerken-
nung zu einem Theile der Verfaſſung. Die Rechte der höchſten voll-
ziehenden Gewalt aber über die Organe der freien Verwaltung erſcheinen
ihrerſeits als organiſch nothwendig, weil ſie ſelbſt wieder die Voraus-
ſetzung der Verantwortlichkeit bilden, dieſe aber die unbedingte Voraus-
ſetzung des harmoniſchen Staatslebens iſt.
Denkt man ſich nun dieſe Principien ausgebildet und ausgeſprochen
für die Geſammtheit der wirklichen Verwaltungsorgane eines Staats,
und mithin ſpeziell entwickelt für das praktiſche Verhalten zwiſchen den
Organen des Amtsweſens in der Selbſtverwaltung und im Vereine, ſo
entſteht das, was wir das Syſtem des Organismus in einem
Staate nennen.
Die concrete Geſtalt eines ſolchen Syſtems hängt nun einerſeits
von den concreten, meiſt hiſtoriſch gebildeten Zuſtänden und Verhält-
niſſen der Selbſtverwaltungskörper ab, theils auch von der Auffaſſung,
welche bei der verfaſſungsmäßigen Ordnung der Rechte der letzteren im
Einzelnen obwaltete. So gleichmäßig daher auch die Principien ſind,
welche für den Organismus gelten, ſo höchſt verſchieden iſt die wirkliche
Geſtalt deſſelben in den verſchiedenen Ländern. Dieſe Verſchiedenheit gilt
nicht etwa bloß für die einzelnen Sätze und Rechte in dieſer Organi-
ſation, ſondern ſie beruht vielmehr auf der Geſammtauffaſſung des Ver-
haltens zwiſchen der Regierungsgewalt und den Formen der freien Ver-
waltung. Und in dieſer Geſammtauffaſſung beſteht dasjenige, was
man den Charakter des Verwaltungsorganismus eines Reiches nennen
kann. Dieſer Charakter beſteht nicht in einzelnen für den Organismus
ſelbſt gültigen Sätzen und Geſetzen, ſondern vielmehr in derjenigen all-
gemeinen Richtung, welche entweder die Organe der freien, oder die der
ſtaatlichen Verwaltung als die Hauptſache betrachtet, und mithin das
Maß der ſelbſtändigen Thätigkeit der einen oder der andern ſo weit als
möglich zu erweitern und in dieſer Erweiterung den Kern der Entwick-
lung des Staatslebens anzuerkennen trachtet. Man kann ſchon hier im
Allgemeinen ſagen, daß Englands Charakter in dieſer Beziehung den
Schwerpunkt in die freie Verwaltung, Frankreich dagegen ihn in die
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/263>, abgerufen am 21.11.2024.
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