gebung, vorhanden ist. Die Würde kann daher in ihrem wahren Sinn erst da stattfinden, wo die Staatsgewalt selbst sich über die gesetzgebende und vollziehende Gewalt selbständig erhebt. Das ist erst der Fall im Königthum. Erst das Königthum hat daher neben dem System der Ehren, die es verleiht, ein System der Würden, die mit selbständigem Rechte dastehen.
Wo das der Fall ist, nehmen beide gegenseitig etwas von ihrem Charakter an. Die Ehre wird eine Würde, indem die einmal verliehene wenigstens in gewissen Formen von der Willkür des Verleihenden nicht wieder genommen werden darf, die Würde wird zur Ehre, indem mit ihr eine Funktion verbunden erscheint. Das entwickelt sich langsam und in verschiedenen Ländern verschieden, dennoch aber stets mit dem- selben Grundcharakter.
Und hier ist es nun, wo Würden und Ehren mit dem Staats- organismus und namentlich auch mit der vollziehenden Gewalt zu- sammenhängen.
In der reinen Geschlechtsordnung ist sowenig die Ehre als die Würde im Staate schon bestimmt ausgebildet. Die rein individuelle Beziehung zum Könige gibt noch beides zugleich. Das Gefolge des Königs ist der Träger beider. Aber die Würde neben dem Könige zu stehen, kann nicht ohne die Ehre der Tapferkeit gedacht werden. Der Dienst des Königs an sich ist noch ehrenlos, weil er eben nur ein per- sönlicher Dienst ist. Der Staat hat noch keinen Inhalt, und darum noch keine Würde oder Ehre zu vergeben.
Erst die ständische Ordnung ist die Quelle der Würde und der Ehre, und zwar der staatlichen. Das Staatsleben erscheint hier in der doppelten Gestalt, welche den ständischen Staat eben charakterisirt. Es bilden sich einerseits auf Grundlage der Grundherrlichkeit die örtlichen Landeseinheiten als örtliche Staatenbildungen, andererseits die könig- liche Staatsgewalt, welche die Einheit des Staats und seines Lebens vertritt. Beide gehen eine Zeit lang neben einander; beide entwickeln daher auch bekanntlich ganz analoge Organisationen, in denen die großen Staatsfunktionen einzelnen Persönlichkeiten übertragen werden, die dann der höchsten Ehre genießen, ohne daß man schon den Begriff der Würde darauf anwenden könnte. Diese Funktionen mit ihrer Ehre werden nun zuerst in den ständischen Körperschaften zu selbständigen Rechten, indem sie sich mit dem Grundbesitz verbinden. Die Funktion und die Ehre ist mit der bestimmten Grundherrschaft gegeben, und wird mit ihr verlehnt und verliehen. Die Funktionen und Ehren im Dienst des Königthums dagegen sind noch immer rein persönliche; es ist der Beginn der Amts- ehre, die im Königsdienste den Staatsdienst entstehen läßt. Das eine
gebung, vorhanden iſt. Die Würde kann daher in ihrem wahren Sinn erſt da ſtattfinden, wo die Staatsgewalt ſelbſt ſich über die geſetzgebende und vollziehende Gewalt ſelbſtändig erhebt. Das iſt erſt der Fall im Königthum. Erſt das Königthum hat daher neben dem Syſtem der Ehren, die es verleiht, ein Syſtem der Würden, die mit ſelbſtändigem Rechte daſtehen.
Wo das der Fall iſt, nehmen beide gegenſeitig etwas von ihrem Charakter an. Die Ehre wird eine Würde, indem die einmal verliehene wenigſtens in gewiſſen Formen von der Willkür des Verleihenden nicht wieder genommen werden darf, die Würde wird zur Ehre, indem mit ihr eine Funktion verbunden erſcheint. Das entwickelt ſich langſam und in verſchiedenen Ländern verſchieden, dennoch aber ſtets mit dem- ſelben Grundcharakter.
Und hier iſt es nun, wo Würden und Ehren mit dem Staats- organismus und namentlich auch mit der vollziehenden Gewalt zu- ſammenhängen.
In der reinen Geſchlechtsordnung iſt ſowenig die Ehre als die Würde im Staate ſchon beſtimmt ausgebildet. Die rein individuelle Beziehung zum Könige gibt noch beides zugleich. Das Gefolge des Königs iſt der Träger beider. Aber die Würde neben dem Könige zu ſtehen, kann nicht ohne die Ehre der Tapferkeit gedacht werden. Der Dienſt des Königs an ſich iſt noch ehrenlos, weil er eben nur ein per- ſönlicher Dienſt iſt. Der Staat hat noch keinen Inhalt, und darum noch keine Würde oder Ehre zu vergeben.
Erſt die ſtändiſche Ordnung iſt die Quelle der Würde und der Ehre, und zwar der ſtaatlichen. Das Staatsleben erſcheint hier in der doppelten Geſtalt, welche den ſtändiſchen Staat eben charakteriſirt. Es bilden ſich einerſeits auf Grundlage der Grundherrlichkeit die örtlichen Landeseinheiten als örtliche Staatenbildungen, andererſeits die könig- liche Staatsgewalt, welche die Einheit des Staats und ſeines Lebens vertritt. Beide gehen eine Zeit lang neben einander; beide entwickeln daher auch bekanntlich ganz analoge Organiſationen, in denen die großen Staatsfunktionen einzelnen Perſönlichkeiten übertragen werden, die dann der höchſten Ehre genießen, ohne daß man ſchon den Begriff der Würde darauf anwenden könnte. Dieſe Funktionen mit ihrer Ehre werden nun zuerſt in den ſtändiſchen Körperſchaften zu ſelbſtändigen Rechten, indem ſie ſich mit dem Grundbeſitz verbinden. Die Funktion und die Ehre iſt mit der beſtimmten Grundherrſchaft gegeben, und wird mit ihr verlehnt und verliehen. Die Funktionen und Ehren im Dienſt des Königthums dagegen ſind noch immer rein perſönliche; es iſt der Beginn der Amts- ehre, die im Königsdienſte den Staatsdienſt entſtehen läßt. Das eine
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gebung, vorhanden iſt. Die Würde kann daher in ihrem wahren Sinn
erſt da ſtattfinden, wo die Staatsgewalt ſelbſt ſich über die geſetzgebende
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Königthum. Erſt das Königthum hat daher neben dem Syſtem der
Ehren, die es verleiht, ein Syſtem der Würden, die mit ſelbſtändigem
Rechte daſtehen.
Wo das der Fall iſt, nehmen beide gegenſeitig etwas von ihrem
Charakter an. Die Ehre wird eine Würde, indem die einmal verliehene
wenigſtens in gewiſſen Formen von der Willkür des Verleihenden nicht
wieder genommen werden darf, die Würde wird zur Ehre, indem mit
ihr eine Funktion verbunden erſcheint. Das entwickelt ſich langſam
und in verſchiedenen Ländern verſchieden, dennoch aber ſtets mit dem-
ſelben Grundcharakter.
Und hier iſt es nun, wo Würden und Ehren mit dem Staats-
organismus und namentlich auch mit der vollziehenden Gewalt zu-
ſammenhängen.
In der reinen Geſchlechtsordnung iſt ſowenig die Ehre als die
Würde im Staate ſchon beſtimmt ausgebildet. Die rein individuelle
Beziehung zum Könige gibt noch beides zugleich. Das Gefolge des
Königs iſt der Träger beider. Aber die Würde neben dem Könige zu
ſtehen, kann nicht ohne die Ehre der Tapferkeit gedacht werden. Der
Dienſt des Königs an ſich iſt noch ehrenlos, weil er eben nur ein per-
ſönlicher Dienſt iſt. Der Staat hat noch keinen Inhalt, und darum
noch keine Würde oder Ehre zu vergeben.
Erſt die ſtändiſche Ordnung iſt die Quelle der Würde und der
Ehre, und zwar der ſtaatlichen. Das Staatsleben erſcheint hier in der
doppelten Geſtalt, welche den ſtändiſchen Staat eben charakteriſirt. Es
bilden ſich einerſeits auf Grundlage der Grundherrlichkeit die örtlichen
Landeseinheiten als örtliche Staatenbildungen, andererſeits die könig-
liche Staatsgewalt, welche die Einheit des Staats und ſeines Lebens
vertritt. Beide gehen eine Zeit lang neben einander; beide entwickeln
daher auch bekanntlich ganz analoge Organiſationen, in denen die großen
Staatsfunktionen einzelnen Perſönlichkeiten übertragen werden, die dann
der höchſten Ehre genießen, ohne daß man ſchon den Begriff der Würde
darauf anwenden könnte. Dieſe Funktionen mit ihrer Ehre werden nun
zuerſt in den ſtändiſchen Körperſchaften zu ſelbſtändigen Rechten, indem
ſie ſich mit dem Grundbeſitz verbinden. Die Funktion und die Ehre iſt
mit der beſtimmten Grundherrſchaft gegeben, und wird mit ihr verlehnt
und verliehen. Die Funktionen und Ehren im Dienſt des Königthums
dagegen ſind noch immer rein perſönliche; es iſt der Beginn der Amts-
ehre, die im Königsdienſte den Staatsdienſt entſtehen läßt. Das eine
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/286>, abgerufen am 22.11.2024.
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