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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Wesen der Persönlichkeit bildende Selbstbestimmung der letzteren, in
sofern sie es mit den Thatsachen, Erscheinungen und Kräften der äußern
Welt zu thun hat, und diese in das innere Leben der Persönlichkeit
aufnimmt, ist der Wille. Die große Funktion des persönlichen Willens
in der äußern Welt besteht darin, dem Natürlichen und dem Gegen-
ständlichen einen neuen, durch die Persönlichkeit gesetzten Zweck zu
geben. Es gibt daher kein abstraktes Wollen; das Etwas, was das
Wollen will, ist eben der Zweck, den die äußern Dinge durch die Per-
sönlichkeit empfangen sollen. Der Wille gibt daher vermöge des Zweckes
den Dingen ein neues Leben, das persönliche. Und dies Moment des
Wollens ist nun gerade wie bei der Persönlichkeit in ihrer abstraktesten
Gestalt, im Staate nicht bloß ganz selbständig vorhanden, sondern es
hat in ihm ein eigenes, nur für das Wollen bestimmtes Organ. Dieses
Organ nennen wir schon hier die gesetzgebende Gewalt, und die
selbständige reine Thätigkeit des Wollens die Gesetzgebung. Der
einzelne bestimmte Wille dieser Gewalt ist das Gesetz.

In der einzelnen Persönlichkeit nun wie im Staate hat dieser für
sich gedachte selbstbestimmte Wille zu seinem Inhalt nur noch diejenige
Gestalt des äußern Daseyns, welche der Wille will; noch nicht die
wirklichen Verhältnisse, auf welche er sich bezieht. Es muß daher ein
zweiter Proceß entstehen, durch welchen die Persönlichkeit diesen Inhalt
ihres Willens in der äußern wirklichen Welt zu verwirklichen trachtet.
Diesen Proceß nennen wir die That. Die That, indem sie die Ge-
sammtheit der Momente und Gestaltungen des äußern Lebens in sich
aufnimmt und sie dem Willen unterwirft, ist eine unendlich vielgestal-
tige und wechselnde. Sie ist es, welche dem abstrakten Begriffe der
Persönlichkeit erst seinen concreten Inhalt gibt; in ihr ist das wirkliche
Leben der letztern enthalten; sie ist aber zugleich das Gebiet, in wel-
chem die selbständigen Kräfte des äußern Daseyns gegenüber dem Willen
der Persönlichkeit sich zur Geltung bringen, und die reine und unbe-
dingte Verwirklichung dieses Willens modificiren. Die That nimmt
daher diese Gewalt der Dinge in den Willen der Persönlichkeit auf;
sie ist dadurch wieder nicht bloß die einfache Erscheinung dieses Willens,
sondern sie hat, die Verschmelzung der Wirklichkeit mit dem Willen
vollziehend, ein selbständiges Leben, eine selbständige Funktion, die nie-
mals ganz von dem rein selbstbestimmten Willen der Persönlichkeit er-
füllt und erschöpft, ja nicht einmal immer von ihm beherrscht wird.
In ihr zeigt es sich erst, daß das was wir das Leben nennen, eine
doppelte Bewegung enthält, die einen ganz verschiedenen Charakter hat,
und die wohl getrennt werden muß, will man überhaupt das wirkliche
Daseyn der Persönlichkeit verstehen. Der erste Theil dieser Bewegung

Weſen der Perſönlichkeit bildende Selbſtbeſtimmung der letzteren, in
ſofern ſie es mit den Thatſachen, Erſcheinungen und Kräften der äußern
Welt zu thun hat, und dieſe in das innere Leben der Perſönlichkeit
aufnimmt, iſt der Wille. Die große Funktion des perſönlichen Willens
in der äußern Welt beſteht darin, dem Natürlichen und dem Gegen-
ſtändlichen einen neuen, durch die Perſönlichkeit geſetzten Zweck zu
geben. Es gibt daher kein abſtraktes Wollen; das Etwas, was das
Wollen will, iſt eben der Zweck, den die äußern Dinge durch die Per-
ſönlichkeit empfangen ſollen. Der Wille gibt daher vermöge des Zweckes
den Dingen ein neues Leben, das perſönliche. Und dies Moment des
Wollens iſt nun gerade wie bei der Perſönlichkeit in ihrer abſtrakteſten
Geſtalt, im Staate nicht bloß ganz ſelbſtändig vorhanden, ſondern es
hat in ihm ein eigenes, nur für das Wollen beſtimmtes Organ. Dieſes
Organ nennen wir ſchon hier die geſetzgebende Gewalt, und die
ſelbſtändige reine Thätigkeit des Wollens die Geſetzgebung. Der
einzelne beſtimmte Wille dieſer Gewalt iſt das Geſetz.

In der einzelnen Perſönlichkeit nun wie im Staate hat dieſer für
ſich gedachte ſelbſtbeſtimmte Wille zu ſeinem Inhalt nur noch diejenige
Geſtalt des äußern Daſeyns, welche der Wille will; noch nicht die
wirklichen Verhältniſſe, auf welche er ſich bezieht. Es muß daher ein
zweiter Proceß entſtehen, durch welchen die Perſönlichkeit dieſen Inhalt
ihres Willens in der äußern wirklichen Welt zu verwirklichen trachtet.
Dieſen Proceß nennen wir die That. Die That, indem ſie die Ge-
ſammtheit der Momente und Geſtaltungen des äußern Lebens in ſich
aufnimmt und ſie dem Willen unterwirft, iſt eine unendlich vielgeſtal-
tige und wechſelnde. Sie iſt es, welche dem abſtrakten Begriffe der
Perſönlichkeit erſt ſeinen concreten Inhalt gibt; in ihr iſt das wirkliche
Leben der letztern enthalten; ſie iſt aber zugleich das Gebiet, in wel-
chem die ſelbſtändigen Kräfte des äußern Daſeyns gegenüber dem Willen
der Perſönlichkeit ſich zur Geltung bringen, und die reine und unbe-
dingte Verwirklichung dieſes Willens modificiren. Die That nimmt
daher dieſe Gewalt der Dinge in den Willen der Perſönlichkeit auf;
ſie iſt dadurch wieder nicht bloß die einfache Erſcheinung dieſes Willens,
ſondern ſie hat, die Verſchmelzung der Wirklichkeit mit dem Willen
vollziehend, ein ſelbſtändiges Leben, eine ſelbſtändige Funktion, die nie-
mals ganz von dem rein ſelbſtbeſtimmten Willen der Perſönlichkeit er-
füllt und erſchöpft, ja nicht einmal immer von ihm beherrſcht wird.
In ihr zeigt es ſich erſt, daß das was wir das Leben nennen, eine
doppelte Bewegung enthält, die einen ganz verſchiedenen Charakter hat,
und die wohl getrennt werden muß, will man überhaupt das wirkliche
Daſeyn der Perſönlichkeit verſtehen. Der erſte Theil dieſer Bewegung

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[5/0029] Weſen der Perſönlichkeit bildende Selbſtbeſtimmung der letzteren, in ſofern ſie es mit den Thatſachen, Erſcheinungen und Kräften der äußern Welt zu thun hat, und dieſe in das innere Leben der Perſönlichkeit aufnimmt, iſt der Wille. Die große Funktion des perſönlichen Willens in der äußern Welt beſteht darin, dem Natürlichen und dem Gegen- ſtändlichen einen neuen, durch die Perſönlichkeit geſetzten Zweck zu geben. Es gibt daher kein abſtraktes Wollen; das Etwas, was das Wollen will, iſt eben der Zweck, den die äußern Dinge durch die Per- ſönlichkeit empfangen ſollen. Der Wille gibt daher vermöge des Zweckes den Dingen ein neues Leben, das perſönliche. Und dies Moment des Wollens iſt nun gerade wie bei der Perſönlichkeit in ihrer abſtrakteſten Geſtalt, im Staate nicht bloß ganz ſelbſtändig vorhanden, ſondern es hat in ihm ein eigenes, nur für das Wollen beſtimmtes Organ. Dieſes Organ nennen wir ſchon hier die geſetzgebende Gewalt, und die ſelbſtändige reine Thätigkeit des Wollens die Geſetzgebung. Der einzelne beſtimmte Wille dieſer Gewalt iſt das Geſetz. In der einzelnen Perſönlichkeit nun wie im Staate hat dieſer für ſich gedachte ſelbſtbeſtimmte Wille zu ſeinem Inhalt nur noch diejenige Geſtalt des äußern Daſeyns, welche der Wille will; noch nicht die wirklichen Verhältniſſe, auf welche er ſich bezieht. Es muß daher ein zweiter Proceß entſtehen, durch welchen die Perſönlichkeit dieſen Inhalt ihres Willens in der äußern wirklichen Welt zu verwirklichen trachtet. Dieſen Proceß nennen wir die That. Die That, indem ſie die Ge- ſammtheit der Momente und Geſtaltungen des äußern Lebens in ſich aufnimmt und ſie dem Willen unterwirft, iſt eine unendlich vielgeſtal- tige und wechſelnde. Sie iſt es, welche dem abſtrakten Begriffe der Perſönlichkeit erſt ſeinen concreten Inhalt gibt; in ihr iſt das wirkliche Leben der letztern enthalten; ſie iſt aber zugleich das Gebiet, in wel- chem die ſelbſtändigen Kräfte des äußern Daſeyns gegenüber dem Willen der Perſönlichkeit ſich zur Geltung bringen, und die reine und unbe- dingte Verwirklichung dieſes Willens modificiren. Die That nimmt daher dieſe Gewalt der Dinge in den Willen der Perſönlichkeit auf; ſie iſt dadurch wieder nicht bloß die einfache Erſcheinung dieſes Willens, ſondern ſie hat, die Verſchmelzung der Wirklichkeit mit dem Willen vollziehend, ein ſelbſtändiges Leben, eine ſelbſtändige Funktion, die nie- mals ganz von dem rein ſelbſtbeſtimmten Willen der Perſönlichkeit er- füllt und erſchöpft, ja nicht einmal immer von ihm beherrſcht wird. In ihr zeigt es ſich erſt, daß das was wir das Leben nennen, eine doppelte Bewegung enthält, die einen ganz verſchiedenen Charakter hat, und die wohl getrennt werden muß, will man überhaupt das wirkliche Daſeyn der Perſönlichkeit verſtehen. Der erſte Theil dieſer Bewegung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/29>, abgerufen am 21.11.2024.