Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

beider zu einander haben. Seine Sanktion ist daher der Akt, in
welchem Gesetzgebung und Verwaltung mit einander in untrennbarer
Einheit verschmolzen sind. Es ist daher naturgemäß, daß auch dieser
höchste Akt des persönlichen Staatslebens ein wohlerwogener sei; es ist
sogar nothwendig, daß er unter Umständen von fachkundigen Männern
berathen werde; es ist endlich natürlich, daß eine solche Berathung
weder von den Organen der Gesetzgebung, noch von denen der Ver-
waltung, sondern von einem von beiden ganz unabhängigen Körper
dem persönlichen Beschluß des Staatsoberhaupts voraufgehe. Das ist
nothwendig, bevor ein Gesetz der gesetzgebenden Gewalt vorgelegt wird;
es ist aber auch nothwendig, bevor eine die ganze Verwaltung berührende
Verordnung erlassen wird; es ist am meisten nothwendig, wo bei un-
vollständiger Ausbildung der Gesetzgebung Verordnungen erlassen werden,
welche die Stelle der Gesetze vertreten. Und das Organ nun, welches
zur Aufgabe hat, eben jene höchst persönlichen und doch wieder das ge-
sammte Staatsleben umfassenden Funktionen des Staatsoberhaupts, die
Bildung der Gesetzesentwürfe, die Sanktionirung der beschlossenen Ge-
setze, und den Erlaß allgemeiner Verordnungen nach bestimmten Grund-
sätzen zu berathen und dem Staatsoberhaupt einen bestimmten persön-
lichen Beschluß anzuempfehlen, ist eben der Staatsrath.

Die Stellung des Staatsraths ist daher, wie sich aus dem Obigen
ergibt, eine durchaus organische, so wie die verfassungsmäßige Ordnung
des Staates und mit ihr die wahre Stellung des Monarchen feststehen.
Es kann ein verfassungsmäßiger Staat eines Staatsrathes gar nicht
entbehren, und kann ihn im Grunde auch keinesweges mit der Funktion
des Gesammtministeriums ersetzen. Denn die Minister sind doch nur
die Organe der einzelnen Verwaltungsgebiete, und treten eben wegen
ihrer individuellen Verantwortlichkeit auch nur als solche auf. Wo es
sich um die höchste Einheit der Staatsaktionen handelt, können sie zwar
mit entscheiden, aber nicht allein entscheiden. Und daraus ergibt sich
denn auch der Werth des Staatsraths, und mit ihm die Grundlage
seiner geschichtlichen Gestaltung in den verschiedenen Ländern. Da näm-
lich, wo die gesetzgebende Gewalt die Herrschaft über die vollziehende
übt, wie in England, ist der Staatsrath ohne Selbständigkeit wie die
Krone selbst, und vollständig vom Ministerrath verdrängt; nur äußere
Gründe der Zweckmäßigkeit erhalten ihn als administrative Behörde.
Da, wo die vollziehende Gewalt mächtiger ist als die gesetzgebende,
wird er naturgemäß das Hauptorgan der ganzen Verwaltung, und er-
scheint vorzugsweise als der berathende und richtende Körper über das
Verordnungswesen, wie in Frankreich. Da endlich, wo Gesetzgebung und
Vollziehung beide gleichberechtigt sind, empfängt er erst seine wahre

beider zu einander haben. Seine Sanktion iſt daher der Akt, in
welchem Geſetzgebung und Verwaltung mit einander in untrennbarer
Einheit verſchmolzen ſind. Es iſt daher naturgemäß, daß auch dieſer
höchſte Akt des perſönlichen Staatslebens ein wohlerwogener ſei; es iſt
ſogar nothwendig, daß er unter Umſtänden von fachkundigen Männern
berathen werde; es iſt endlich natürlich, daß eine ſolche Berathung
weder von den Organen der Geſetzgebung, noch von denen der Ver-
waltung, ſondern von einem von beiden ganz unabhängigen Körper
dem perſönlichen Beſchluß des Staatsoberhaupts voraufgehe. Das iſt
nothwendig, bevor ein Geſetz der geſetzgebenden Gewalt vorgelegt wird;
es iſt aber auch nothwendig, bevor eine die ganze Verwaltung berührende
Verordnung erlaſſen wird; es iſt am meiſten nothwendig, wo bei un-
vollſtändiger Ausbildung der Geſetzgebung Verordnungen erlaſſen werden,
welche die Stelle der Geſetze vertreten. Und das Organ nun, welches
zur Aufgabe hat, eben jene höchſt perſönlichen und doch wieder das ge-
ſammte Staatsleben umfaſſenden Funktionen des Staatsoberhaupts, die
Bildung der Geſetzesentwürfe, die Sanktionirung der beſchloſſenen Ge-
ſetze, und den Erlaß allgemeiner Verordnungen nach beſtimmten Grund-
ſätzen zu berathen und dem Staatsoberhaupt einen beſtimmten perſön-
lichen Beſchluß anzuempfehlen, iſt eben der Staatsrath.

Die Stellung des Staatsraths iſt daher, wie ſich aus dem Obigen
ergibt, eine durchaus organiſche, ſo wie die verfaſſungsmäßige Ordnung
des Staates und mit ihr die wahre Stellung des Monarchen feſtſtehen.
Es kann ein verfaſſungsmäßiger Staat eines Staatsrathes gar nicht
entbehren, und kann ihn im Grunde auch keinesweges mit der Funktion
des Geſammtminiſteriums erſetzen. Denn die Miniſter ſind doch nur
die Organe der einzelnen Verwaltungsgebiete, und treten eben wegen
ihrer individuellen Verantwortlichkeit auch nur als ſolche auf. Wo es
ſich um die höchſte Einheit der Staatsaktionen handelt, können ſie zwar
mit entſcheiden, aber nicht allein entſcheiden. Und daraus ergibt ſich
denn auch der Werth des Staatsraths, und mit ihm die Grundlage
ſeiner geſchichtlichen Geſtaltung in den verſchiedenen Ländern. Da näm-
lich, wo die geſetzgebende Gewalt die Herrſchaft über die vollziehende
übt, wie in England, iſt der Staatsrath ohne Selbſtändigkeit wie die
Krone ſelbſt, und vollſtändig vom Miniſterrath verdrängt; nur äußere
Gründe der Zweckmäßigkeit erhalten ihn als adminiſtrative Behörde.
Da, wo die vollziehende Gewalt mächtiger iſt als die geſetzgebende,
wird er naturgemäß das Hauptorgan der ganzen Verwaltung, und er-
ſcheint vorzugsweiſe als der berathende und richtende Körper über das
Verordnungsweſen, wie in Frankreich. Da endlich, wo Geſetzgebung und
Vollziehung beide gleichberechtigt ſind, empfängt er erſt ſeine wahre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0295" n="271"/>
beider zu einander</hi> haben. Seine Sanktion i&#x017F;t daher der Akt, in<lb/>
welchem Ge&#x017F;etzgebung und Verwaltung mit einander in untrennbarer<lb/>
Einheit ver&#x017F;chmolzen &#x017F;ind. Es i&#x017F;t daher naturgemäß, daß auch die&#x017F;er<lb/>
höch&#x017F;te Akt des per&#x017F;önlichen Staatslebens ein wohlerwogener &#x017F;ei; es i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ogar nothwendig, daß er unter Um&#x017F;tänden von fachkundigen Männern<lb/>
berathen werde; es i&#x017F;t endlich natürlich, daß eine &#x017F;olche Berathung<lb/>
weder von den Organen der Ge&#x017F;etzgebung, noch von denen der Ver-<lb/>
waltung, &#x017F;ondern von einem von beiden ganz unabhängigen Körper<lb/>
dem per&#x017F;önlichen Be&#x017F;chluß des Staatsoberhaupts voraufgehe. Das i&#x017F;t<lb/>
nothwendig, bevor ein Ge&#x017F;etz der ge&#x017F;etzgebenden Gewalt vorgelegt wird;<lb/>
es i&#x017F;t aber auch nothwendig, bevor eine die ganze Verwaltung berührende<lb/>
Verordnung erla&#x017F;&#x017F;en wird; es i&#x017F;t am mei&#x017F;ten nothwendig, wo bei un-<lb/>
voll&#x017F;tändiger Ausbildung der Ge&#x017F;etzgebung Verordnungen erla&#x017F;&#x017F;en werden,<lb/>
welche die Stelle der Ge&#x017F;etze vertreten. Und das Organ nun, welches<lb/>
zur Aufgabe hat, eben jene höch&#x017F;t per&#x017F;önlichen und doch wieder das ge-<lb/>
&#x017F;ammte Staatsleben umfa&#x017F;&#x017F;enden Funktionen des Staatsoberhaupts, die<lb/>
Bildung der Ge&#x017F;etzesentwürfe, die Sanktionirung der be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Ge-<lb/>
&#x017F;etze, und den Erlaß allgemeiner Verordnungen nach be&#x017F;timmten Grund-<lb/>
&#x017F;ätzen zu berathen und dem Staatsoberhaupt einen be&#x017F;timmten per&#x017F;ön-<lb/>
lichen Be&#x017F;chluß anzuempfehlen, i&#x017F;t eben <hi rendition="#g">der Staatsrath</hi>.</p><lb/>
            <p>Die Stellung des Staatsraths i&#x017F;t daher, wie &#x017F;ich aus dem Obigen<lb/>
ergibt, eine durchaus organi&#x017F;che, &#x017F;o wie die verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßige Ordnung<lb/>
des Staates und mit ihr die wahre Stellung des Monarchen fe&#x017F;t&#x017F;tehen.<lb/>
Es kann ein verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßiger Staat eines Staatsrathes gar nicht<lb/>
entbehren, und kann ihn im Grunde auch keinesweges mit der Funktion<lb/>
des Ge&#x017F;ammtmini&#x017F;teriums er&#x017F;etzen. Denn die Mini&#x017F;ter &#x017F;ind doch nur<lb/>
die Organe der einzelnen Verwaltungsgebiete, und treten eben wegen<lb/>
ihrer individuellen Verantwortlichkeit auch nur als &#x017F;olche auf. Wo es<lb/>
&#x017F;ich um die höch&#x017F;te Einheit der Staatsaktionen handelt, können &#x017F;ie zwar<lb/>
mit ent&#x017F;cheiden, aber nicht allein ent&#x017F;cheiden. Und daraus ergibt &#x017F;ich<lb/>
denn auch der Werth des Staatsraths, und mit ihm die Grundlage<lb/>
&#x017F;einer ge&#x017F;chichtlichen Ge&#x017F;taltung in den ver&#x017F;chiedenen Ländern. Da näm-<lb/>
lich, wo die ge&#x017F;etzgebende Gewalt die Herr&#x017F;chaft über die vollziehende<lb/>
übt, wie in England, i&#x017F;t der Staatsrath ohne Selb&#x017F;tändigkeit wie die<lb/>
Krone &#x017F;elb&#x017F;t, und voll&#x017F;tändig vom Mini&#x017F;terrath verdrängt; nur äußere<lb/>
Gründe der Zweckmäßigkeit erhalten ihn als admini&#x017F;trative Behörde.<lb/>
Da, wo die vollziehende Gewalt mächtiger i&#x017F;t als die ge&#x017F;etzgebende,<lb/>
wird er naturgemäß das Hauptorgan der ganzen Verwaltung, und er-<lb/>
&#x017F;cheint vorzugswei&#x017F;e als der berathende und richtende Körper über das<lb/>
Verordnungswe&#x017F;en, wie in Frankreich. Da endlich, wo Ge&#x017F;etzgebung und<lb/>
Vollziehung beide gleichberechtigt &#x017F;ind, empfängt er er&#x017F;t &#x017F;eine wahre<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0295] beider zu einander haben. Seine Sanktion iſt daher der Akt, in welchem Geſetzgebung und Verwaltung mit einander in untrennbarer Einheit verſchmolzen ſind. Es iſt daher naturgemäß, daß auch dieſer höchſte Akt des perſönlichen Staatslebens ein wohlerwogener ſei; es iſt ſogar nothwendig, daß er unter Umſtänden von fachkundigen Männern berathen werde; es iſt endlich natürlich, daß eine ſolche Berathung weder von den Organen der Geſetzgebung, noch von denen der Ver- waltung, ſondern von einem von beiden ganz unabhängigen Körper dem perſönlichen Beſchluß des Staatsoberhaupts voraufgehe. Das iſt nothwendig, bevor ein Geſetz der geſetzgebenden Gewalt vorgelegt wird; es iſt aber auch nothwendig, bevor eine die ganze Verwaltung berührende Verordnung erlaſſen wird; es iſt am meiſten nothwendig, wo bei un- vollſtändiger Ausbildung der Geſetzgebung Verordnungen erlaſſen werden, welche die Stelle der Geſetze vertreten. Und das Organ nun, welches zur Aufgabe hat, eben jene höchſt perſönlichen und doch wieder das ge- ſammte Staatsleben umfaſſenden Funktionen des Staatsoberhaupts, die Bildung der Geſetzesentwürfe, die Sanktionirung der beſchloſſenen Ge- ſetze, und den Erlaß allgemeiner Verordnungen nach beſtimmten Grund- ſätzen zu berathen und dem Staatsoberhaupt einen beſtimmten perſön- lichen Beſchluß anzuempfehlen, iſt eben der Staatsrath. Die Stellung des Staatsraths iſt daher, wie ſich aus dem Obigen ergibt, eine durchaus organiſche, ſo wie die verfaſſungsmäßige Ordnung des Staates und mit ihr die wahre Stellung des Monarchen feſtſtehen. Es kann ein verfaſſungsmäßiger Staat eines Staatsrathes gar nicht entbehren, und kann ihn im Grunde auch keinesweges mit der Funktion des Geſammtminiſteriums erſetzen. Denn die Miniſter ſind doch nur die Organe der einzelnen Verwaltungsgebiete, und treten eben wegen ihrer individuellen Verantwortlichkeit auch nur als ſolche auf. Wo es ſich um die höchſte Einheit der Staatsaktionen handelt, können ſie zwar mit entſcheiden, aber nicht allein entſcheiden. Und daraus ergibt ſich denn auch der Werth des Staatsraths, und mit ihm die Grundlage ſeiner geſchichtlichen Geſtaltung in den verſchiedenen Ländern. Da näm- lich, wo die geſetzgebende Gewalt die Herrſchaft über die vollziehende übt, wie in England, iſt der Staatsrath ohne Selbſtändigkeit wie die Krone ſelbſt, und vollſtändig vom Miniſterrath verdrängt; nur äußere Gründe der Zweckmäßigkeit erhalten ihn als adminiſtrative Behörde. Da, wo die vollziehende Gewalt mächtiger iſt als die geſetzgebende, wird er naturgemäß das Hauptorgan der ganzen Verwaltung, und er- ſcheint vorzugsweiſe als der berathende und richtende Körper über das Verordnungsweſen, wie in Frankreich. Da endlich, wo Geſetzgebung und Vollziehung beide gleichberechtigt ſind, empfängt er erſt ſeine wahre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/295
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/295>, abgerufen am 22.11.2024.