erhalten könne. Mit dieser geht er, als eigentlicher Ausdruck derselben, rasch zu Grunde, und der Ministerrath, als das Organ der Herrschaft der Gesetz- gebung über die Verwaltung, tritt an seine Stelle. Das Dekret vom 19. Aug. 1790, und die Gesetze vom 11. September, 4. Oktober und 1. December 1790 nahmen ihm stückweise seine Rechte, und das Gesetz vom 25. Mai 1791 hob ihn einfach auf und verschmolz ihn mit dem Conseil des Ministres. Das war ganz consequent; das Gesetz vom 21. Fruct. III. gab dem Ministerconseil sogar die Competenzconflikte; die selbständige, persönliche Staatsgewalt war vollständig untergegangen.
Der 18. Brumaire brach die Herrschaft der Legislative, nunmehr umgekehrt, um die Exekutive zur Herrschaft zu bringen. Das Regiment Napoleons be- ginnt; mit ihm wird sofort der Conseil d'Etat wieder in's Leben gerufen. Und jetzt beginnt für denselben eine neue Epoche. Sie beginnt sogleich mit dem Recht des Conseil d'Etat: "De rediger les projets des lois et les regle- ments d'administration politique, et de resoudre les difficultes qui s'elevent en matiere administrative." (Constitution an VIII. Art. 52.) Er ist damit das Organ des Staatsoberhaupts und der Regierung zugleich; er steht prin- cipiell an der Spitze derselben; er umfaßt das ganze Gebiet der Verwaltung, während die Ministerien nur die einzelnen Theile derselben enthalten. Er ist aber zugleich das über das ganze Verwaltungsrecht entscheidende Organ; nach dem Arrete constituant vom 5. Niv. VIII. werden ihm alle Fälle der Inter- pretation der Verwaltungsgesetze, alle Verwaltungsrechtspflege und alle Conflikte übertragen; das Senatus-consulte vom 18. Fruct. X. theilt ihn in Sektionen: eine Ordonnanz vom 9. April 1803 fügte das Institut der Auditeurs hinzu; eine andere vom 11. Juni 1806 überwies ihm die affaires de haute police administrative (das oberste Verordnungsrecht), kurz, er ist das Organ der höchsten Verwaltung und zugleich eine ecole pratique du gouvernement et de l'administration. Seine Bedeutung verdunkelt ganz die Reste der gesetz- gebenden Körper; er ist der eigentliche Rath des Herrschers. Diese höchste Stufe verliert er freilich mit der Restauration. Das Wesen derselben war doch am Ende der Wiedererwerb der gesetzgebenden Rechte für die Volksvertretung; aber eben deßhalb überdauert der Conseil d'Etat den neuen Zustand. Man hatte das klare Bewußtsein, daß man ihn selbst nicht entbehren könne; man nahm ihm nur den Theil der Rechte, der zu weit in die Gesetzgebung eingriff; aber im Grunde fand er jetzt an dem Königthum seinen Halt und seine wahre Stellung. Von jetzt an ist er das Organ der Berathung für alle Aktionen des Königthums, und zugleich das Haupt der Verwaltung. Die Julirevolution änderte an dieser Position nichts; sie war dem französischen Volke vollkommen verständlich. Nur die gerichtliche Thätigkeit mußte man mit den Forderungen der neuen Zeit etwas mehr in Harmonie bringen, obwohl es Niemandem einfiel, die Competenz desselben auch in wirklichen Rechtssachen zu bestreiten. In diesem Sinne gaben die Ordonnanz vom 2. Februar 1831 die Oeffentlichkeit der Sitzungen, die Ordonnanz vom 12. März 1831 errichtete die Plaidoirie, das mündliche Verfahren mit der Staatsanwaltschaft. Die folgenden Ordonnanzen vom 18. Sept. 1839 und 19. Juni 1840 entwickelten die Institution weiter;
erhalten könne. Mit dieſer geht er, als eigentlicher Ausdruck derſelben, raſch zu Grunde, und der Miniſterrath, als das Organ der Herrſchaft der Geſetz- gebung über die Verwaltung, tritt an ſeine Stelle. Das Dekret vom 19. Aug. 1790, und die Geſetze vom 11. September, 4. Oktober und 1. December 1790 nahmen ihm ſtückweiſe ſeine Rechte, und das Geſetz vom 25. Mai 1791 hob ihn einfach auf und verſchmolz ihn mit dem Conseil des Ministres. Das war ganz conſequent; das Geſetz vom 21. Fruct. III. gab dem Miniſterconſeil ſogar die Competenzconflikte; die ſelbſtändige, perſönliche Staatsgewalt war vollſtändig untergegangen.
Der 18. Brumaire brach die Herrſchaft der Legislative, nunmehr umgekehrt, um die Exekutive zur Herrſchaft zu bringen. Das Regiment Napoleons be- ginnt; mit ihm wird ſofort der Conseil d’État wieder in’s Leben gerufen. Und jetzt beginnt für denſelben eine neue Epoche. Sie beginnt ſogleich mit dem Recht des Conseil d’État: „De rédiger les projets des lois et les règle- ments d’administration politique, et de résoudre les difficultés qui s’élèvent en matière administrative.“ (Constitution an VIII. Art. 52.) Er iſt damit das Organ des Staatsoberhaupts und der Regierung zugleich; er ſteht prin- cipiell an der Spitze derſelben; er umfaßt das ganze Gebiet der Verwaltung, während die Miniſterien nur die einzelnen Theile derſelben enthalten. Er iſt aber zugleich das über das ganze Verwaltungsrecht entſcheidende Organ; nach dem Arrêté constituant vom 5. Niv. VIII. werden ihm alle Fälle der Inter- pretation der Verwaltungsgeſetze, alle Verwaltungsrechtspflege und alle Conflikte übertragen; das Sénatus-consulte vom 18. Fruct. X. theilt ihn in Sektionen: eine Ordonnanz vom 9. April 1803 fügte das Inſtitut der Auditeurs hinzu; eine andere vom 11. Juni 1806 überwies ihm die affaires de haute police administrative (das oberſte Verordnungsrecht), kurz, er iſt das Organ der höchſten Verwaltung und zugleich eine école pratique du gouvernement et de l’administration. Seine Bedeutung verdunkelt ganz die Reſte der geſetz- gebenden Körper; er iſt der eigentliche Rath des Herrſchers. Dieſe höchſte Stufe verliert er freilich mit der Reſtauration. Das Weſen derſelben war doch am Ende der Wiedererwerb der geſetzgebenden Rechte für die Volksvertretung; aber eben deßhalb überdauert der Conseil d’État den neuen Zuſtand. Man hatte das klare Bewußtſein, daß man ihn ſelbſt nicht entbehren könne; man nahm ihm nur den Theil der Rechte, der zu weit in die Geſetzgebung eingriff; aber im Grunde fand er jetzt an dem Königthum ſeinen Halt und ſeine wahre Stellung. Von jetzt an iſt er das Organ der Berathung für alle Aktionen des Königthums, und zugleich das Haupt der Verwaltung. Die Julirevolution änderte an dieſer Poſition nichts; ſie war dem franzöſiſchen Volke vollkommen verſtändlich. Nur die gerichtliche Thätigkeit mußte man mit den Forderungen der neuen Zeit etwas mehr in Harmonie bringen, obwohl es Niemandem einfiel, die Competenz deſſelben auch in wirklichen Rechtsſachen zu beſtreiten. In dieſem Sinne gaben die Ordonnanz vom 2. Februar 1831 die Oeffentlichkeit der Sitzungen, die Ordonnanz vom 12. März 1831 errichtete die Plaidoirie, das mündliche Verfahren mit der Staatsanwaltſchaft. Die folgenden Ordonnanzen vom 18. Sept. 1839 und 19. Juni 1840 entwickelten die Inſtitution weiter;
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[277/0301]
erhalten könne. Mit dieſer geht er, als eigentlicher Ausdruck derſelben, raſch
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1790, und die Geſetze vom 11. September, 4. Oktober und 1. December 1790
nahmen ihm ſtückweiſe ſeine Rechte, und das Geſetz vom 25. Mai 1791 hob
ihn einfach auf und verſchmolz ihn mit dem Conseil des Ministres. Das
war ganz conſequent; das Geſetz vom 21. Fruct. III. gab dem Miniſterconſeil
ſogar die Competenzconflikte; die ſelbſtändige, perſönliche Staatsgewalt war
vollſtändig untergegangen.
Der 18. Brumaire brach die Herrſchaft der Legislative, nunmehr umgekehrt,
um die Exekutive zur Herrſchaft zu bringen. Das Regiment Napoleons be-
ginnt; mit ihm wird ſofort der Conseil d’État wieder in’s Leben gerufen.
Und jetzt beginnt für denſelben eine neue Epoche. Sie beginnt ſogleich mit
dem Recht des Conseil d’État: „De rédiger les projets des lois et les règle-
ments d’administration politique, et de résoudre les difficultés qui s’élèvent
en matière administrative.“ (Constitution an VIII. Art. 52.) Er iſt damit
das Organ des Staatsoberhaupts und der Regierung zugleich; er ſteht prin-
cipiell an der Spitze derſelben; er umfaßt das ganze Gebiet der Verwaltung,
während die Miniſterien nur die einzelnen Theile derſelben enthalten. Er iſt
aber zugleich das über das ganze Verwaltungsrecht entſcheidende Organ; nach
dem Arrêté constituant vom 5. Niv. VIII. werden ihm alle Fälle der Inter-
pretation der Verwaltungsgeſetze, alle Verwaltungsrechtspflege und alle Conflikte
übertragen; das Sénatus-consulte vom 18. Fruct. X. theilt ihn in Sektionen:
eine Ordonnanz vom 9. April 1803 fügte das Inſtitut der Auditeurs hinzu;
eine andere vom 11. Juni 1806 überwies ihm die affaires de haute police
administrative (das oberſte Verordnungsrecht), kurz, er iſt das Organ der
höchſten Verwaltung und zugleich eine école pratique du gouvernement et
de l’administration. Seine Bedeutung verdunkelt ganz die Reſte der geſetz-
gebenden Körper; er iſt der eigentliche Rath des Herrſchers. Dieſe höchſte Stufe
verliert er freilich mit der Reſtauration. Das Weſen derſelben war doch am
Ende der Wiedererwerb der geſetzgebenden Rechte für die Volksvertretung; aber
eben deßhalb überdauert der Conseil d’État den neuen Zuſtand. Man hatte
das klare Bewußtſein, daß man ihn ſelbſt nicht entbehren könne; man nahm
ihm nur den Theil der Rechte, der zu weit in die Geſetzgebung eingriff; aber
im Grunde fand er jetzt an dem Königthum ſeinen Halt und ſeine wahre
Stellung. Von jetzt an iſt er das Organ der Berathung für alle Aktionen
des Königthums, und zugleich das Haupt der Verwaltung. Die Julirevolution
änderte an dieſer Poſition nichts; ſie war dem franzöſiſchen Volke vollkommen
verſtändlich. Nur die gerichtliche Thätigkeit mußte man mit den Forderungen
der neuen Zeit etwas mehr in Harmonie bringen, obwohl es Niemandem einfiel,
die Competenz deſſelben auch in wirklichen Rechtsſachen zu beſtreiten. In dieſem
Sinne gaben die Ordonnanz vom 2. Februar 1831 die Oeffentlichkeit der
Sitzungen, die Ordonnanz vom 12. März 1831 errichtete die Plaidoirie, das
mündliche Verfahren mit der Staatsanwaltſchaft. Die folgenden Ordonnanzen
vom 18. Sept. 1839 und 19. Juni 1840 entwickelten die Inſtitution weiter;
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/301>, abgerufen am 22.11.2024.
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